Zitat von **********lerin:
„Aber was ist mit dem Gefühl, frei zu sein? Frei für sich selbst, frei für die Liebe, frei für andere … Ist das ein Element von dem, was Liebe ausmacht oder ausmachen sollte?
An der Stelle beschreibst du einen positiven Freiheitsbegriff. Also eine "Freiheit um, zu..." Es gibt als keine Instanz, die eine Handlung oder Verhaltensweise vorschreibt und ihre Nichterfüllung sanktioniert.
Klar davon abzugrenzen wäre ein negativer Freiheitsbegriff. Also eine "Freiheit von". Beispielsweise von einem (selbst?) auferlegten Zwang.
Tatsächlich kann man frei sein, ohne sich so zu fühlen. Vor allem dann, wenn man sich der eigenen Freiheit nicht bewusst ist.
"Frei für sich selbst" beschreibt meiner Ansicht nach einen Zustand innerer Kohärenz mit dem eigenen Wertesystem. Es gibt also keine Werte oder Moralvorstellungen, die den eigenen Entscheidungen oder Handlungen zuwiderlaufen würden. Was nicht heißt, dass alle Moralvorstellungen über Bord geworfen werden müssen, um frei zu sein, sondern eher, dass die eigenen Entscheidungen sich nicht moralisch verwerflich anfühlen sollten.
"Frei für die Liebe" kann ich so nicht genau greifen. Ich vermute: Solange eine unbeeinflusste Entscheidung möglich ist, sollte man das sein. Aber wie gesagt: Ich verstehe nicht genau, wie das gemeint ist.
"Frei für andere" kannn ich auch nicht genau einsortieren. Ich kann mich jederzeit frei entscheiden, heute 'nen Kumpel zu treffen. Es gibt keine Gründe, die mich daran hindern. Ich schätze, damit bin ich schon "frei für andere".
Zitat von **********lerin:
„Für mich war es irgendwann ein unglaubliches Verformen, was diese Liebe von mir verlangte: Ich hatte das Gefühl, bei Begegnungen mit Freunden und Freundinnen nicht mehr frei und ich selbst sein zu können, weil ich immer wieder in Situationen geriet, wo ich nicht ganz sicher war: Gab es da gerade sinnliche Spannung zwischen uns? Hat mein Herz gerade heftiger als sonst geklopft? Ist da in mir eine Freude über die Gegenwart der/des anderen, die über das erlaubte Maß hinausgeht?
Beziehungen sind an und für sich Vertragsverhältnisse. Man einigt sich auf bestimmte Verhaltensweisen kombiniert mit mehr oder weniger unausgesprochenen Sanktionen, wenn eine der beiden Parteien vertragsbrüchig wird. Regeln wie "Wir haben nur miteinander Sex." (Monogamie) oder "Du kannst mit allen Sex haben, mit denen du willst, an unserer Beziehung ändert das nichts." (Polygamie) sind eben solche "Vertragsbestimmungen". Wenn jetzt einer oder beide Parteien etwas anderes machen, als untereinander abgesprochen war, dann kann das im Innen- wie im Außenverhältnis zu unangenehmen Gefühlen kommen - schließlich droht die Sanktion der Trennung.
Hast du dich also auf eine strikt monogame Beziehung geeinigt, hast dann aber plötzlich doch mal so ein erotisches Kribbeln für einen anderen, dann ist das verbunden mit eben einer Verlustangst, weil hier ja im Zweifel eine Trennung wegen Vertragsverletzung droht. Die von dir beschriebene Angst, dass deine Reaktion auf jemand anderen unangemessen sein könnte, beschreibt das recht gut. Der Gedanke ist vermutlich: "Jetzt habe ich mit jemand anderem verbindlich eingelassen - warum zum Teufel fühle ich dann zu noch jemandem hingezogen? Das darf so nicht sein..."
Und dieses "Das darf so nicht sein"-Gefühl entsteht letztlich zum einen aus Angst vor der äußeren Sanktion und zum anderen aus Angst vor einem Verlust der inneren Kohärenz, weil der Glaube an eine monogame Beziehungsform moralisch hoch bewertet ist.
An der Stelle ließe sich jetzt noch der moralische Wert der Monogamie (die ich für ein christlich-traditionalistisches und in weiten Teilen Frauen unterdrückendes Konstrukt halte) hinterfragen - aber das vielleicht in einem anderen Thread oder per Mail. 😅
Letztlich fehlte es dir in den Situationen, in denen du deine Reaktionen hinterfragt hast, an negativer Freiheit. Nämlich einer "Freiheit von" der vertragsmäßigen Einschränkung, die du mit deinem Ex getroffen hattest. Du fühltest dich ihm verpflichtet und hattest trotzdem ein anderes Gefühl. Das lief sich zuwider und führt dann zu inneren Konflikten.
Zitat von **********lerin:
„Plötzlich war ich wütend auf all die Männer, die ihre offene Beziehung oder ihre Freiheit als Argument genutzt haben, um mir emotionale Verbindlichkeit und Intensität in unserer Begegnung vorzuenthalten.
Das tun sie ja gar nicht. Sie stellen nur die Regel auf, dass es mehr als Sex nicht gibt und du interpretierst da hinein, dass er völlig emotionslos vonstatten gehen muss. Ich schätze, du nimmst dir damit selbst die
Freiheit zu "emotionaler Verbindlichkeit und Intensität". In diesen Fällen ist der "Vertragsinhalt" einfach klar: Es wird keine Beziehung geben, sondern nur einen erotischen Austausch. An der Stelle muss ich sagen: Wenn du mit dem Vertrag nicht klar kommst, solltest du ihn nicht eingehen, statt wütend mit dem Füßchen aufzustampfen und den Vertragspartner mit "ich will aber!" zu konfrontieren. Es zwingt dich ja niemand, dich darauf einzulassen. Du hast ja immer noch die
Freiheit zu einer anderen Entscheidung. Die nimmt dir schließlich niemand. Statt also Männer in offenen Beziehungen zu daten, solltest du an der Stelle dann vielleicht nach Singles Ausschau halten. 🤷♂️
Kommen wir nun zu dem, wie ich das sehe:
Ich bin tatsächlich mit monogamen Wert- und Moralvorstellungen sozialisiert worden. Früher fühlte es sich immer nach einem zum Himmel schreienden Unrecht an, wenn ich von offenen Beziehungen hörte (kam damals, vor 20 Jahren auf'm Dorf nicht all zu häufig vor) und "Betrug" war das Kardinalverbrechen schlechthin.
Mittlerweile bin ich ein paar Schritte weiter und habe eine emotional verbindliche aber trotzdem offene +Freundschaft, die so nah an einer monogamen Beziehung ist, wie es nur sein kann und es trotzdem nicht zwingend ist. 🙂
Ein Kumpel von mir sagt gerne mal Sachen wie "deine Freundin/Frau" (mit dem Konzept einer offenen und trotzdem emotional verbindlichen +Freundschaft kommt er nicht klar - er wählt also für ihn naheliegende und verständliche Begriffe). Und in meinem Hirn formt sich Protest im Form von "Sie gehört nicht mir! Sie ist da, weil sie das will!"
Und letztlich sehe ich das genau so: Menschen sind mit mir zusammen, weil sie das wollen. Sie haben die freie Entscheidung das zu tun. Oder es auch zu lassen. Ich "habe" keine Freundin. Ich "bin" mit jemandem zusammen. Das ist was völlig anderes. Es gibt nämlich keinen einengenden Besitzanspruch. Der Deal ist, sich gegenseitig zumindest bescheid zu sagen, wenn mal ein weiteres Männlein oder Weiblein mit in den sexuellen Rahmen eintritt. Ich würde dann höchstens mal Bedenken anmelden, wenn mir die Leute komisch vorkommen. Ich meine: Es gibt schon so Nachrichten, da kräuseln sich mir die Zehennägel bei so viel stumpfer Notgeilheit. Dann kann sie auf meine Bedenken eingehen und es lassen - oder es einfach trotzdem machen und gucken wie's wird. Das einzige, was die "Freiheit zu" einschränkt, ist das "sich gegenseitig bescheid sagen".
Letztlich verabscheue ich Lable und Definitionen. Mono, poly, hetero, homo, bi - und vermutlich wird demnächst auch noch ein neues Wort für einen von einem Menschen empfundenen Zustand erfunden, damit er seine Erlebniswelt gegenüber anderen erklären kann. Wenn man sich in mehrere Menschen verlieben kann, ist das genauso ok, als wenn man sich nur in einen einzigen verliebt. Wenn man mit mehreren Menschen Sex haben will (vielleicht sogar gleichzeitig und zusammen), dann ist das genauso Ok, als wenn ma sich nur auf einen einzelnen beschränkt. Und wenn man sich im Laufe des Lebens entscheidet, dass einer nicht mehr reicht oder andersrum, dass einer durchaus reicht - dann ist das auch Ok.
Mir ist an der Stelle nur wichtig, dass sich alle Beteiligten damit wohl fühlen und dass kein Leid entsteht. Und genau darum muss man eben miteinander reden. Sich selbst und dem oder den anderen gegenüber klar machen, wie man sich eigentlich fühlt, was man eigentlich will und wie so ein Zusammenleben gestaltet wird. Auch das ist dann wieder ein "Vertragsverhältnis". Allerdings ein, das aus sich selbst heraus als freie und aufgeklärte Entscheidung getroffen werden kann - in dem Bewusstsein, dass es möglicherweise hinterfragenswürdige Normen und moralische Werte gibt, die einen nur deswegen belasten, weil man sie für wahr hält, ohne dass sie es zwingend sein müssen.
Der langen Rede kurzer Sinn: Lieb doch einfach wen du willst. Und so viele du willst. Gleichzeitig oder nacheinander. Aber rede mit allen Beteiligten darüber und schaff Klarheit über die interne Wertestruktur und Erwartungshaltungen deines Gegenüber. Damit lässt sich viel Konfliktpotenzial und unnötiges Leid vermeiden.