Ich hatte bereits gestern dieses Thema gesehen und überlege seitdem, wie meine Haltung dazu aussieht bzw. ich meine Gefühle und Gedanken dazu am verständlichsten formulieren kann. Und nach den letzten Beiträgen überlege ich schon, ob das Thema nicht ohnehin bereits dabei ist zu kippen.
Ob Emanzipation das richtige Wort ist, ist dabei eine der größten Fragen für mich. Nun lese ich bei Wikipedia den ersten Satz. Dieser lautet:
******dia:
Emanzipation stammt von dem lateinischen Wort emancipatio, das „Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt“ bedeutet.
Und auf diesem beziehend fühlt sich
Emanzipation als Begriff für dieses Thema wieder sehr stimmig an. Ob wir eine
Emanzipation des Mannes brauchen, bin ich jedoch dennoch skeptisch.
Veit Lindau spricht in seinem Buch
Genesis von der
Befreiung der Geschlechter und nutzt bei einem weiteren den Untertitel des
Aufbruch in eine neue Männlichkeit, was meiner Meinung nach besser passt. (Ja, klingt extrem nach
toxischer Männlichkeit. Das Gegenteil ist der Fall!)
Ich denke was (insbesondere)
Männern fehlt, ist eine selbst erarbeitete Identität und Persönlichkeit. Ich selbst bin ein cis-Mann und spreche daher aus Erfahrung bzw. beziehe diese Aussagen zum Großteil auf mich und meine Erlebnisse / Erfahrungen.
Eines der Probleme ist, dass uns
die Gesellschaft eine Menge Dinge vorgibt, wie wir zu sein und was wir zu denken haben. Insbesondere Frauen haben (auch dank der Emanzipation) deutlich eher den Antrieb, diese Muster zu hinterfragen und ihren
eigenen Weg zu gehen. (Menschen mit atypischer Geschlechtsidentität u.ä. lasse ich hierbei außen vor, da diese Menschen sich bereits durch diesen Umstand deutlich mehr mit ihrer Person und ihren Sichtweisen und Gefühlen auseinandersetzen müssen. Ihr seid wunderbare Menschen! Aber diese Thematik hier auch korrekt und gebührend zu berücksichtigen, dürfte noch mehr Verwirrung stiften. Ich bin so schon unsicher, ob meinen Gedanken jede*r wird folgen können...)
Um weiter bei mir zu bleiben... Ich bin
ohne Vater aufgewachsen, da meine Eltern geschieden sind, seitdem ich mich erinnern kann. (Ich bzw. wir (habe eine Schwester) waren in den Ferien regelmäßig bei unserem Vater, bis ich in der Pubertät den Kontakt aufgrund von
Meinungsverschiedenheiten für fast 20 Jahre abgebrochen hatte...)
Meine Mutter ist danach von einem
Scheißkerl zum nächsten gependelt. Eine
Vaterfigur im eigentlichen Sinne gab es also nie. (Nein, es gab auch nie Misshandlungen. Zumindest nicht gegen mich oder meine Schwester. Eine
glückliche Kindheit würde aber vermutlich dennoch anders definiert werden.)
Erwachsen geworden bin ich dennoch. Und wider Erwarten habe ich sogar mehrere Ausbildungen abgeschlossen, obwohl manch Lehrer wohl nicht einmal erwartet hätte, dass ich überhaupt einen Schulabschluss schaffen würde, weil mir zeitweise einfach alles egal war.
Bereits vor einigen Jahren habe ich angefangen, mich selbst zu reflektieren und meinen Gedanken, meinen Handlungen und auch meiner Außenwirkung auseinanderzusetzen. Und dabei musste ich feststellen, dass mir vieles davon nicht wirklich gefiel.
Viele Glaubenssätze verschiedenster Menschen hatte ich einfach übernommen. Manche Dinge dachte und sah ich so, weil ich der Meinung war, dass man dies eben so sehen müsste. Nicht, weil es meine ehrliche Meinung gewesen wäre. Häufig kannte ich die Hintergründe nicht einmal wirklich, da ich mich nie damit beschäftigt hatte, sondern weil mir dies
von der Gesellschaft so suggeriert wurde.
Es gibt einen Satz bzw. die Aussage, dass man die 3 - 5 Menschen sei, mit denen man sich am meisten umgibt. Und komisch, wie es klingen mag, steckt darin viel Wahres. Unser Umfeld formt uns, ob wir wollen oder nicht. Und zusätzlich berufen wir uns dann noch auf unsere
Vergangenheit, ohne diese wirklich zu kennen. Um dies zu zementieren, nimmt man dann gerne noch die
körperlichen Unterschiede zwischen Menschen mit XX- bzw. XY-Chromosomen und den daraus resultierenden Unterschieden in Körperbau, durchschnittlicher Muskelmasse oder Anteil und Verteilung von Fettgewebe.
Dies gespickt mit Theorien darüber, wie es wohl in der Steinzeit gelaufen sein könnte und wir haben eine wunderschöne Diskussion, die absolut niemanden weiterbringt.
Wie viele von euch haben bereits ein Tier in freier Wildbahn und eigenhändig bzw. ausschließlich mit selbst gebauten Waffen und Fallen erlegt, um es zu verspeisen, da ihr anders nicht hättet überleben können? Ich auch nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dies in Zukunft tun zu müssen, ist dabei vermutlich ebenso hoch. Genauso relevant für unsere heutige Gesellschaft und den Umgang miteinander ist daher, wie unsere Vorfahren dies vor einigen Millionen Jahren bewerkstelligt haben könnten.
Und wenn wir so auf die Vergangenheit fixiert sind, um daraus Verhaltensweisen für unser heutiges Leben ableiten zu können, sollten wir vielleicht Vergangenheit nehmen, welche besser belegt und weniger weit entfernt ist.
Nehmen wir meine Großväter. Der eine war Offizier bei der Waffen-SS und soll auch in den 70er - 80ern bei großen Familienfesten noch entsprechend gegrüßt haben. Der andere ist in Pommern geboren, wurde aus der Heimat vertrieben, war zwangsweise Soldat, hat die Bombardierung von Dresden als Opfer miterlebt und viele Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft verbracht. Entsprechend geprägt war sein Leben.
Was kann ich nun aus deren Leben und Erfahrungen für mein heutiges Leben und mein Verhalten ableiten?
Nehmen wir als Beispiel meinen Vater. Der Mann ist inzwischen 70 und erfüllt in vielerlei Hinsicht das Klischee des
alten weißen Mannes. Bis eben auf die Tatsache, dass er einmal erfolgreicher und angesehener Geschäftsmann war, dies jedoch alles verzockt und verloren hat und heute von der Grundsicherung leben muss.
Ich liebe diesen Mann und bin dankbar, dass wir noch zu seinen Lebzeiten wieder
zueinandergefunden haben. Trotzdem muss ich den Kontakt zu ihm
wohl dosieren und mich bei vielen Gesprächen sehr zurücknehmen, da viele seiner Ansichten, insbesondere in Hinsicht auf die Betrachtungsweise von Frauen oder auch der Politik nicht mit meinem Wertesystem zusammenpassen.
Dies liegt selbstverständlich (auch) daran, dass er ein komplett anderes Leben in einer vollkommen anderen Zeit gelebt und daher vollständig andere Erlebnisse und Erfahrungen gemacht hat.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich immer wieder an die Aussage auf einem CCC-Kongress, in welchem es eigentlich um (veraltete) Software ging. Dort sagte der Vortragende:
Sterben ist ein Feature!
Und genau das ist es. Sicher häufig unschön, aber für unsere Entwicklung absolut notwendig!
Wir sind keine Steinzeitmenschen mehr. Wir sind nicht einmal unsere Großeltern oder Eltern. Sicher können wir von diesen und aus unserer Vergangenheit lernen. Lernen bedeutet jedoch auch sich weiterzuentwickeln und es
besser zu machen!
***********ayana:
Wer die Vergangenheit vergisst, ist verdammt, sie zu wiederholen
Viele Argumentationen, die früher funktioniert haben mögen, tun dies heute nicht mehr.
Körperliche Kraft ist für unser Überleben nicht mehr notwendig. Wenn jemand mit der Keule um die Ecke kommt, rufen wir die Polizei. Und wenn ich mein Klavier (das ich nicht besitze) von einem Stockwerk ins andere getragen haben möchte, dann kann ich Menschen dafür bezahlen, die dies beruflich machen.
Meine Schwester hat zwei Handwerksmeister Titel. Ich dafür die weichen Hände, weil ich noch nie schwer körperlich arbeiten musste. Ich bin 1,85 m und körperlich kräftig gebaut. Vom Erscheinungsbild her wurde ich schon häufig mit einem Wikinger verglichen und Kollegen hatten den Vorschlag, dass man mich doch mit Rundschild und Streitaxt ausrüsten könnte, um Probleme zu klären...
Ich fahre ehrenamtlich bzw. nebenberuflich Rettungsdienst. Und wenn dort ein Mensch zu schwer ist? Dann fordern wir die Feuerwehr zur Trageuntestützung an. Und nicht selten sind dort dann auch Frauen dabei. Und im
normalen Dienst wird ebenfalls mit (technischen) Hilfsmitteln wie hydraulischen Tragen und Rampen gearbeitet, um dabei möglichst rückenschonend zu sein.
Häufig arbeite ich auch mit Kolleg*innen zusammen, die teilweise die Hälfte meiner Körpermasse aufweisen und dennoch dieselben Tätigkeiten erledigen, weil Kraft nicht (mehr) der entscheidende Faktor ist!
Viele von den
Werten die wir heute so haben und
Regeln auf die wir uns berufen, stammen aus dem Mittelalter. Aus einer Zeit, als die Menschen sesshaft wurden und die Männer Angst um ihre Macht und ihre Nachfolge hatten. Plötzlich gab es Besitz anzuhäufen und eine Stammlinie zu sichern.
Dank moderner Medizin haben wir aber heute verschiedenste Möglichkeiten der Verhütung, falls gewünscht. Und selbst eine Abstammung könnte man dank Dingen wie einem DNA-Test zweifelsfrei belegen, wenn dies (warum auch immer) notwendig sein sollte.
Wenn wir also insbesondere als Männer Dinge aus dieser Zeit übernehmen wollen, vielleicht doch lieber mehr
Ritterlichkeit. Und dabei meine ich weniger deren Tischmanieren, sondern mehr deren Verständnis von Ehre und Aufrichtigkeit.
Die Emanzipation der Frau ist vergleichbar mit z.B. der Black Live Matters Bewegung und Ihren Vorgängern. Absolut
richtig und wichtig um (wieder) gleiche Rechte zu erlangen und dennoch wäre es überflüssig, wenn wir uns als Gesellschaft nicht vor einigen Jahrhunderten aktiv und bewusst dafür entschieden hätten, überhaupt Unterschiede zu machen! Ein Mensch ist doch nicht mehr oder weniger wert oder besser bzw. schlechter, je nachdem, welche Geschlechtsmerkmale, Hautfarbe, Herkunft oder was auch immer noch als Unterscheidungsmerkmal herangezogen wird, dieser aufweist.
Und einfach nur, um diese ganze Diskussion um Geschlechterrollen noch einmal klar ad absurdum zu führen.
Ich erinnere mich an einen Menschen, den ich damals in einer frivolen Bar als (Trans-)Frau kennengelernt habe. Dieser Mensch wurde mir als Frau vorgestellt, war in Kleidung und Ausdruck klar weiblich zu lesen und daher in meiner Wahrnehmung eben
eine Frau, unabhängig von vorhandenen Chromosomen oder primären Geschlechtsmerkmalen (die ja ohnehin bekleidet waren). Auch im privaten Kontakt außerhalb von Clubs usw. habe ich diesen Menschen nur als Frau erlebt und wahrgenommen.
Bis zu diesem einen Tag, als dieser Mensch auf einem feierlichen Anlass vor mir stand. Dort jedoch als Offizier der Marine in seiner Uniform. Ich habe damals einige Momente gebraucht, um diesen Menschen in Uniform überhaupt zuordnen zu können.
Sich so auf ein bzw. sein (vermeintliches) Geschlecht zu berufen, um daraus irgendwelche Eigenschaften oder Charakterzüge abzuleiten, dürfte also mehr als überholt sein.
Daher braucht es vermutlich auch weniger die
Emanzipation des Mannes sondern viel mehr die individuelle Entscheidung, was bzw. wie ein Mensch sein möchte. Ja, jede*r möchte heute ganz individuell sein bzw. hält sich dafür. Und doch sind wir in unserer Individualität in Summe sehr gleich.
Oder um es mit Arnis Worten aus seiner Rede zu seinen
six rules of success zu sagen:
**************enegger:
Break the rules. Not the law, but break the rules.
Und um auf einige Punkte aus dem Eröffnungsbeitrag einzugehen...
„Ich unterstelle hier mal meinen Geschlechtsgenossen - und auch mir selbst -, dass sie ihren Beruf in aller Regel nicht nach persönlichen Vorlieben gewählt haben, sondern nach dem zu erwartenden Gehalt. Wir Männer werden oftmals immer noch als "Provider" gesehen und danach bewertet, was sie zu bieten haben.
Kann ich aus meiner Perspektive ebenfalls mit einem klaren Nein beantworten.
Ich habe ursprünglich in der Informatik angefangen und dann abgebrochen, weil es eben nicht das war, was mir im Hobby viel Spaß machte bzw. macht. Danach habe ich dann eine Ausbildung zum Schädlingsbekämpfer angefangen, weil das Arbeitsamt der Meinung war, dass das eine tolle Idee sei. Spoiler: War es nicht! Beendet habe ich diese selbstverständlich auch nicht.
Auf Umwegen habe ich dann die
Fachkraft für Schutz und Sicherheit gemacht und auch abgeschlossen, um über 10 Jahre hauptberuflich in der privaten Sicherheitsbranche zu arbeiten. Eine Branche die einem nicht die große Anerkennung und noch viel weniger das große Geld bringt.
Objektleiter für ThyssenKrupp-Sicherheitsdienstleistungen klingt sicher wichtig, war aber weder in Aufgabengebiet noch der Bezahlung die Rede wert. Das persönliche Dankschreiben des Herrn Dr. Grube in seiner damaligen Funktion als Vorstandsvorsitzender der Bahn während meiner Zeit bei der DB Sicherheit war sicher eine schöne Symbolik und sieht in meiner Bewerbungsmappe auch wahnsinnig wichtig aus, ändert aber dennoch nichts.
Und auch als
Projektleiter auf der Messe Friedrichshafen habe ich zwar übertariflich, aber dennoch nicht wahnsinnig viel Geld verdient. Und mit Corona kam die Kündigung zum 1. April und es blieb ein warmer Händedruck und ein überdurchschnittlich gutes Arbeitszeugnis.
Inzwischen bin ich u.a. mit einer Erste-Hilfe-Schule selbstständig und ich liebe was ich tue!
Vermutlich bin ich also nicht der
klassiche Mann bzw. habe ich in einigen bis vielen Hinsichten nie dem Klischee entsprochen. Auch als Provider habe ich mich nie gesehen, was meine Hund vielleicht anders bewerten würde. Aber selbst der Wunsch nach Heirat und Kindern war nie (ernsthaft) vorhanden.
Vielleicht bin ich damit aber auch schon (unbewusst) emanzipiert im Sinne der Fragestellung dieses Themas.