Ich sag's mal so:
Ich denke tatsächlich - bzw. bin ich absolut überzeugt davon - dass partnerschaftliche Intimität und damit auch sexuelle Intimität sich nicht entwickeln und halten kann, wenn man den Partner nicht von sich stößt.
Hear me out, bevor es zum Aufschrei kommt:
Ich glaube, dass eine Symbiose für Partnerschaften giftig ist. Symbiotische Beziehungen, in denen die Wohlgefälligkeit als größte Tugend gilt und man sich ein Bein ausreißt, um den anderen zu sich zu locken. Das mündet oft in diesem "Ich tu dies für ihn/sie, ich tu das für ihn/sie, ich übernehme alles, ich schaue bei allem voraus, ich nehme ihr/ihm alles ab und nutze jedes erdenkliche Mittel, um seine/ihre Aufmerksamkeit zu bekommen und ihn/sie zu mir zu locken, an mich zu binden, zu verführen."
Man versucht, den Partner zu sich zu zerren, anstatt sich zu individuieren. Man ist mehr ein einziger Organismus, als zwei individuelle Organismen.
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass so keine wirkliche Intimität entsteht. So entstehen Abhängigkeiten. So entstehen (ungesunde) Machtverhältnisse. So entstehen Copingmechanismen. So entstehen Masken.
Indem man den Partner immer wieder mal "von sich schubst", erlaubt man ihm UND sich selbst, sich zu individuieren, eine eigenständige Persönlichkeit zu entwickeln, zu sein, zu bleiben. Eine Person, die niemanden braucht, sondern einen ganz speziellen Menschen für sich will und wählt und mit diesem teilen will, was sie individuiert erlebt und erfährt.
Es gibt nicht nur das Paar. Die beiden Menschen sind nicht Eins, es sind zwei individuierte Personen. Sich immer wieder auch zu separieren und "seinen eigenen Kram" machen und entdecken, halte ich für absolut essenziell in einer Beziehung. Und auch, es dem Partner zu erlauben, sich zu separieren, sich zu individuieren, sich unabhängig zu machen und die eigene Persönlichkeit dabei für sich weiter zu entdecken, zu formen, zu erleben. Sodass dadurch der immer wiederkehrende Wunsch entsteht, diese eigene, unabhängige Persönlichkeit und alles, was man mit ihr entdeckt hat, mit dem geliebten Menschen zu teilen und sich dabei so zu zeigen, wie man IST - nicht wie man sich verstellt, wenn man in Symbiose ständig wohlgefällig ist.
Das erzeugt meines Erachtens Intimität. Wenn man ehrlich und vollkommen man selbst sein kann und keine Angst hat, all die Höhen und Tiefen, die das mit sich bringt, mit dem Partner zu teilen, zu erleben, daran zu wachsen.
Ich für mich halte es daher für essenziell, mich immer wieder abgrenzen zu können, mich immer wieder selbst für mich zu erleben und zu entwickeln und all das, was ich aufgesaugt habe, zurück in die Beziehung zu bringen, dort zu teilen und zu "tauschen" und gemeinsam zu erleben.
Ich komme überhaupt nicht damit zurecht, wenn eine Beziehung nur aus "Wir" besteht und es im Kern nur darum geht, sich für den anderen ein Bein auszureißen, als Lockmittel, um Aufmerksamkeit, Liebe, Nähe, Sex, you name it, zu bekommen. So kann man nicht man selbst sein. So kann man meines Erachtens keine Intimität aufbauen, weil man permanent schauspielert, sich verstellt, sich selbst nicht ehrlich erlebt, ständig wohlgefällig ist, ständig lockt und "besticht".
Dem TE rate ich daher gerade in der aktuellen Situation vor allem eins: Me-Time. Zeit für dich. Zeit damit aufzuhören, den Partner locken zu wollen, nach 25 Jahren ist dieser Drops wohl ohnehin gelutscht. Zeit, sich zu individuieren und damit auch den Partner zu individuieren. Zeit für Invest in sich selbst, Zeit, auch den Partner damit zu pushen, in sich selbst zu investieren.
Wenn dieses Erleben in ihr - oder auch in dir - nicht den Wunsch auslöst, das alles mit dem Partner zu teilen, zu ihm zurückzukommen und wie glitzernde Steine und Schätze vor ihm auszubreiten und gemeinsam eure Glitzersammlung zu betrachten und zu teilen - dann würde ich persönlich sagen, ist das nun ehrlich keine Beziehung, die sich aufrecht zu erhalten lohnt.
Was sich aber gelohnt hat, in jedem Fall, ist der Invest in sich selbst.