„ich bin über die jahre immer wieder auf menschen gestoßen, die für sich kategorisch ausschließen eine d/s beziehung mit einer person einzugehen, die sich in therapie befindet. ich habe das immer sehr befremdlich gefunden und mich gewundert warum das für einige so ein großes no-go zu sein scheint.
mir ist dies vor allem bei dominanten parts aufgefallen, die nach neuen subs gesucht haben.
Ich empfinde dies häufig als Ausdruck der eigenen Unsicherheit.
„prinzipiell verstehe ich den wunsch nach einer mental "gesunden" person als (spiel-)partner*in und auch ich wünsche mir in sich gefestigte personen, wenn ich im bdsm kontext unterwegs bin.
Und nicht in Therapie zu sein ist die Definition von
mental gesund?
Um hier bei mir zu bleiben ... Ich hatte sehr lange die Diagnose
Depressionen. Eine gute Freundin, die selbst Antidepressiva vertrieben hat, hat mich damals als erstes damit konfrontiert. Das Video "Ich hatte einen schwarzen Hund" traf in Großteilen auf mich zu. Aber ich depressiv?
Meine Hausärztin stellte unabhängig davon später die Diagnose mit dem Schlüssel F32.2, nach einem Vorfall im Dienst. Und ich fand, dass das eine tolle Diagnose war, um
krank zu feiern. Aber ich depressiv?
Sie schrieb mir auch eine Überweisung zum Psychologen. Aber wieso hätte ich da hingehen sollen? Ich krank?
Dass mir Jahre zuvor mehrfach die Diagnose einer akuten bzw. posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert wurde, nachdem ich im Dienst mehrfach tätlich angegriffen und verletzt worden war, wurde mir erst vor Kurzem wieder bewusst.
Über traumatische Erlebnisse habe ich eher Witze gemacht, weil Probleme hatte ich damit natürlich nicht, wenn man mich danach fragte.
Die Einsicht, dass ich wirklich depressiv bin, kam deutlich später, als ich so fertig war, dass ich nur noch funktioniert habe. Selbst Suizidgedanken waren dabei kein Thema, weil das zu viel Aufwand gewesen wäre und ich dafür keine Kraft gehabt hätte.
Und selbst ab dieser Einsicht hat es noch viele Monate und einen Menschen in meinem Leben gebraucht, der mich zur Einsicht brachte, dass eine Therapie hilfreich sein könnte.
Daher habe ich größten Respekt vor Menschen, die eine Therapie begonnen haben oder dies mindestens ernsthaft in Erwägung ziehen. Weil ich weiß, wie schwer mir dies gefallen ist.
War ich also
mental gesund, weil ich die Realität verdrängt habe und wurde erst
krank, als ich bereit war, Hilfe anzunehmen?
„ich finde es gibt nichts verwerfliches daran sich hilfe zu suchen, wenn man mit den persönlichen anforderungen, die das leben einem entgegenwirft, nicht mehr zurecht kommt. ich denke eher, dass es eine stärke ist sich dies einzugestehen.
Da bin ich voll bei Dir!
„bdsm und eine d/s beziehung ersetzen keine therapie, das ist klar. aber warum wird eine person ausgeschlossen, die sich in therapie befindet / therapie durchlaufen hat?
Viel schlimmer finde ich, dass viele meinen, dass diese einen Therapeuten ersetzen könnten. Wie viele Küchenpsychologen auch hier unterwegs sind, sieht man im Forum recht schnell.
BDSM ist kein Ersatz für eine Therapie, kann aber begleitend sehr gut funktionieren. Wichtig ist dabei, dass man dabei auch in therapeutischer Hinsicht die richtige Person hat. Einige Therapeut*innen kennen sich mit BDSM gut aus, andere gar nicht.
Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass eine BDSM-Beziehung in Verbindung mit einer Therapie sehr gut funktionieren kann. Eine damalige Sub war in Therapie und unsere Beziehung inkl. dem BDSM-Kontext wurde dabei aktiv eingebunden. Insbesondere in Bezug auf Schmerz hat sie dadurch in Rücksprache mit Ihrer Therapeutin einen Weg gefunden, diesen nicht nur zu genießen konnte, sondern auch darüber negative Gedanken und Gefühle
abzuarbeiten. Ihr hat die Kombination also sogar sehr geholfen.
Ja, es hat auch einer Menge (gemeinsamer) Arbeit und vielen Gesprächen bedurft, die sicher nicht immer einfach waren. Aber zwischenmenschliche Beziehungen sind nun einmal immer (auch) Arbeit!
Eine andere war über sehr viele Jahre in stationärer Behandlung und es hat dennoch bzw. unabhängig davon
gut funktioniert.
Therapie und Beziehung kann also definitiv gut miteinander bzw. unabhängig voneinander funktionieren.
Gedanken machen mir da eher die Menschen, die von sich meinen, dass diese dominant seien und insbesondere in einem D/S Konstrukt nicht spüren/merken, wenn etwas beim Gegenüber nicht passt. Vollkommen unabhängig davon, ob dieses Gegenüber in einer Therapie ist bzw. mal war oder eben nicht. Keine Therapie ist schließlich kein Beleg für Gesundheit oder gar Stabilität.
Und interessanterweise sind es die Menschen, die Vorsorgeuntersuchungen und Prävention belächeln, die häufig schwer erkranken.
Vielleicht sollte einem dies zu denken geben.