So einfach und doch so komplex
Zuerst möchte ich mal darauf verweisen, dass binnen weniger Beiträge mal wieder das Topic eines Threads von Einzelnen leicht verschoben wird (oder zumindest der Versuch dazu unternommen wurde - fahrlässig oder vorsätzlich), die nicht genau lesen können oder wollen.
Zur Erinnerung - es lautete:
"Viel zu selten gefragt: Was verstehst du unter Sex?"
und nicht
"Viel zu selten gefragt: Was verstehst du unter GUTEM Sex?"
Letzteres ist etwas ganz anderes, als Ersteres... und noch persönlicher (und überhaupt nicht verallgemeinerbar) und damit noch schwerer zu fassen.
Ich mag hier im Kern nur auf die tatsächliche (erste) Fragestellung eingehen, die ich zumindest interessant finde. Wenn auch sehr trocken, so finde ich das, was Wikipedia sagt, nicht sooo schlecht:
"Sex bezeichnet die praktische Ausübung von Sexualität als Gesamtheit der Lebensäußerungen, Verhaltensweisen, Empfindungen und Interaktionen von Lebewesen in Bezug auf ihre Geschlechtlichkeit."
... und das kann eben eine Menge sein, auch abseits des Aktes/der Penetration.
Das Problem ist bei der Frage meiner Ansicht nach jedenfalls, dass "Sex" als Begrifflichkeit etwas ist, was sehr weit- und all- (b.z.w. zumindest viel-) umfassend greift. Man bekommt also logischerweise nahezu immer Definitionsschwierigkeiten, wenn man einen weit-umfassenden Begriff auf etwas Weniger-Umfassendes reduzieren möchte. Schon die Fragestellung "AB WANN ist etwas sexuell (sexuell impliziert/Sex)?" ist nicht simpel — was man z.B. auch an vielen verwandten Fragestellungen und berechtigten Diskussionen und vielen, auch juristisch relevanten Bewertungen ablesen kann, ab wann eine Person etwas als sexuell übergriffig empfindet oder es als sexuell übergriffig/belästigend angesehen werden muss. Dies nur ein Beispiel, um aufzuzeigen, was daran kompliziert ist.
Die Abgrenzung von "Sex" versus "Liebe", um eine begriffliche Klarheit für "Sex" herauszuarbeiten (was hier auch in einigen Beiträgen versucht und einander gegenüber gestellt wurde, quasi wie in einem Ausschlussverfahren), hilft hier leider ebenfalls überhaupt nicht weiter, denn das Eine hat mit dem Anderen nur insoweit etwas zu tun, als dass es oft in Kombination existiert, aber (!) eben nicht muss. Beides kann ohne das Andere einhergehen. Selbst die Aussage "Sex ist nur mit Liebe gut" ist a) Unsinn und entbehrt jeder Grundlage, führt b) in eine falsche Richtung, denn es geht dann schon wieder um gut/schlecht, also die Qualität des Sex, die jeder Mensch anders definiert (was nichts mit dem Topic zu tun hat, s.o.) und hilft c) nicht, b.z.w. ist nicht zielführend, das Topic zu beantworten — sofern das überhaupt möglich ist.
Nichtsdestoweniger finde ich wichtig, dass Menschen sich genau darüber unterhalten... aus verschiedensten Gründen:
• um Missverständnisse oder Enttäuschungen zu vermeiden
• um Erwartungshaltungen und Hoffnungen bestmöglich zu kommunizieren
• um die jeweils erfüllendste Variante und die größtmögliche Übereinstimmung zu finden.
Dabei geht es - glaube ich - auch nicht darum, den Begriff "Sex" künstlich mit Bedeutung aufzuladen. Diesen Vorwurf mag ich zumindest (auch im Gegensatz zu einigen Beiträgen hier) nicht aussprechen.
Wenn man also lediglich Klarheit in der Kommunikation schaffen will, wenn es um die Frage geht "Was verstehst Du unter Sex?", dann hilft einem vermutlich tatsächlich nur (wie so oft) weiter, wenn man den weiten Begriff zusammen mit dem jeweils betroffenen Gesprächspartner
konkretisiert
oder
präzisiert.
Und zwar VORHER!!!
Wenn zwei Menschen genau dies tun BEVOR es dazu kommt, dann ist den sich daraus möglicherweise ergebenden Konflikten vorgebeugt. Wenn ein Paar sich VORHER darüber einig ist, dass (beispielsweise als Bewertungsgrundlage für Eifersucht) ein Zungenkuss noch kein SEX und somit kein Problem ist, dann gibt's keinen Stress hinterher, wenn einer von beiden genau dies (und nur dies) getan hat. Wenn ein Paar sich VORAB geeinigt hat, dass beim sexuellen Spiel keine Penetration involviert sein soll/darf (z.B. weil dies jemand anderes vorbehalten sein soll, oder weil man es schlicht weniger mag, als XY), dann ist hinterher keiner enttäuscht, wenn es genau dazu nicht kam.
Soweit zumindest die Theorie, wenn es darum geht, dass zwei (oder mehr) involvierte Personen sich vorab darüber verständigen wollen, was "Sex“ für sie bedeutet.
Und da hat dann auch niemand hineinzupfuschen, als eben die betroffenen Personen, die sich auf eine Bedeutung geeinigt haben.
Wenn man jetzt dennoch danach sucht, was ein grosser Prozentsatz von Menschen als "Sex" bezeichnen würde (also, wenn man versuchen mag, möglichst viele Menschen "unter einen begrifflichen Hut" zu bringen), dann hilft vermutlich nur eine Annäherung an das Thema, wenn man betrachtet, was Sex mit Menschen macht. Und hier würde ich sagen, Sex ist, was einem Lustgefühle verschafft. Solange dies nur einseitig der Fall ist, ist man meist schnell im Bereich sexueller Frustration (weil nur einer erhält, was beide sich erhoffen) oder sexueller Übergriffikeit/Strafbarkeit (weil sich nur einer auf Kosten des Unbehages oder Schadens des anderen Lust verschafft).
Kleine Analogie zur Verdeutlichung:
Was verstehen zwei (oder mehr) Menschen unter Musik?
"Musik" ist so vielfältig, dass die HeavyMetall-Liebhaberin und der Mozart-Fan kaum zusammen die gleiche Befriedigung erfahren werden, wenn sie sich nicht vorher darüber unterhalten, welchen gemeinsamen Konzertbesuch sie ansteuern und ab wann etwas für sie mehr, als nur Geräusch ist. Denn selbst wenn beide Musik hören WOLLEN, ist noch lange nicht geklärt, welche Musik, wie laut, mit oder ohne Drums, etc. Und wenn eine/r einfach seine Ruhe haben will, dann nervt selbst die leiseste Pop-Melodie und wird übergriffig, wenn man vom Handy der/des Sitznachbarn*in im Bus davon "penetriert" wird.
Im besten Falle ist Sex in meinen Augen also die Interaktion zweier Menschen, die darauf ausgelegt ist, grösstmögliche und intensivste sexuelle/körperliche Lustgefühle bei allen "Mitwirkenden" zu erzeugen oder darauf ausgerichtet ist, genau dieser Zielsetzung zu folgen, diese zu triggern und wechselseitig zu vergrößern.
Okay... klingt auch sehr trocken, aber macht viiiieeeel Spaß. Herausfinden, was das Gegenüber darunter versteht und signalisieren, was man selbst darunter versteht und dann: Action.