Lasse mich deine Fragen nacheinander beantworten.
Wie gehe ich mit einem egoistischen Sexualpartner um?
Ich habe hier als Switcher beim BDSM wahrscheinlich eine etwas eigenwillige Sicht. In der Maso-Rolle bin ich egoistisch. Ich will passiv sein, nichts tun, ich will genießen, der aktive Part soll sich um alles - und vor allem um mich - kümmern. Ich bin dann egoistisch in dem Sinne, dass ich auf meine Lust und auf meinen Spaß bedacht bin, nicht auf den meines Partners. Und selbstverständlich lasse ich nichts mit mir machen, was ich nicht will. Der aktive Part muss selber sehen, wie er auf seine Kosten kommt. Wechsele ich die Seiten, dann will ich, dass mein Fesselmodell bzw. meine Sub-PartnerIn egoistisch ist, Lust und Spaß meines Modells stehen im Vordergrund. Mein Modell kriegt soz. eine "Rundumversorgung", es muss gar nichts tun außer seine bzw. ihre Wünsche vorher klar zu kommunizieren. Ich will, dass es meinem Modell gut geht und dass es genau das bekommt, was es will. Ich nehme die passive Hingabe als Geschenk an und ich genieße es sehr, wenn das, was ich gebe, auch genommen und genossen wird. Ich liefere natürlich nicht "alles" sondern nur das, was keine meiner Grenzen verletzt und was ich als Geschenk geben will.
Es gibt bei meiner Vorliebe stets eine klare Rollenverteilung und Konsens ist Bedingung bei allem, was getan wird. Insofern gibt es auch einen Konsens, wer was tun darf oder soll und damit auch, wie egoistisch mein Partner oder meine Partnerin sein darf - oder soll. Damit ergibt sich keine Frage danach, wie ich mit einem solchen Partner oder einer solchen Partnerin umgehe, Regeln und Grenzen sind ja vereinbart.
Finde ich Egoismus gut im Hinblick darauf, um auf meine eigenen Bedürfnisse zu achten? Wann ist es zu viel?
Die eigenen Bedürfnisse kommen immer zuerst! Aber: Ich ziehe eine Grenze zwischen Selbstfürsorge, die niemals falsch ist, gegenüber Egoismus. Egoismus unterscheide ich wiederum auf der einen (positiven) Seite in das bedacht Sein auf die eigene Lust und auf der anderen (negativen) Seite in das Leben der eigenen Lust auf Kosten des Partners, d.h., das zerstörerische Aussaugen des Partners.
Erstmal muss es mir gut gehen, damit ich mein Gutgehen mit meinem Partner teilen kann. Bezogen auf Glück muss ich erstmal glücklich sein, ehe ich mein Glück mit einem Partner teilen kann - und zwar auch bei körperlichen Freuden. Ich spreche hier von teilen, nicht davon, jemanden glücklich zu machen. Wenn jemand nicht glücksfähig ist, kann dieser Jemand auch von niemandem glücklich gemacht werden. In diesem Sinne ist der positive Egoismus in meiner Vorstellungswelt Voraussetzung dafür, dass es mir gut geht und auch Voraussetzung dafür, dass ich meinem Partner Lust und Freude bereiten kann und mithelfen kann, dass es ihm oder ihr gut geht. - Etwas weniger schwülsitig: Wenn ich mies drauf bin, wie soll ich dann guten Sex haben? Wenn mich der Sex ab- anstatt antörnt, wozu sollte ich mich dann darauf einlassen?
Ich kenne niemanden, der oder die auf Partner steht, die diese Form negativen Egosimus leben. Ich kann durchaus meinem Partner entgegen kommen, aber eine Grenze ist dort erreicht wo es mir schlecht geht. Nach einer Session (oder auch nach Vanillasex) soll es allen Beteiligten besser gehen als vorher. Wenn das nicht der Fall ist und ich mich danach schlechter als vorher fühlen würde, ziehe ich die Reißleine. - Etwas weniger schwülstig: Es darf manchmal ein Ungleichgewicht geben, aber wenn ich gar nicht auf meine Kosten komme, dann verzichte ich. Lieber gar keinen Sex als schlechten Sex, nach dem ich mich schlechter als ohne fühle.
Wie kann ich es kommunizieren, ohne mein Gegenüber zu verletzen?
Dadurch, dass das, was ich betreibe, unter "Verhandlungssex" fällt, und dadurch, dass es Absprachen über die Rollenverteilung, Wünsche und Grenzen gibt, ist das Problem bei mir nicht gegeben. Es gibt vorher Absprachen und wenn keine Einigung erzielt werden kann oder kein Vertrauen vorhanden ist, dass die Absprachen auch eingehalten werden, findet nichts statt. Wünsche, Fantasien, Ängste und Grenzen klar zu kommunizieren nehme ich nicht als Begrenzung der sexuellen Möglichkeiten wahr sondern als wichtige Voraussetzung für eine schöne Begegnung. Wenn jemand "egoistische" Wünsche hat und ich mich dadurch nicht ausgenommen wie eine Weihnachtsgans fühle, dann sehe ich diesen Egoismus ebenfalls als Chance für ein wunderbares Erlebnis.
Rein technisch gibt es natürlich zwangsläuft manchmal Ungleichgewichte und zwar immer dann, wenn eine Technik angewandt wird, in der der eine Partner gibt und der andere nimmt (z.B. Massage, Lecken, der eine legt sich hin und der andere macht; pauschal: der Eine verwöhnt den Anderen). Wenn der Sex in diesem Sinne immer wieder in der gleichen Rollenverteilung auf die gleiche Weise stattfindet, und alle Beteiligten sind subjektiv zufrieden, dann gibt es keinen Grund, das nicht zu tun.
Abschließend noch eine persönliche Sicht: Ich betrachte eine Beziehung u.a. als ein stetes Geben und Nehmen, sei es nun im Alltag oder beim Sex. Das bedeutet nicht, dass einer immer nur gibt und der andere immer nur nimmt. Vielmehr sehe ich es so, dass beide immer geben und nehmen, dass ein Partner nur das gibt, was der andere Partner annehmen kann und das annimmt, was der Partner gibt. Ihre Wünsche und Bedürfnisse müssen in einer guten Beziehung beide Partner klar ausdrücken, aber keiner darf vom anderen fordern, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen (=Du bist dafür zuständig, dass es mir gut geht und dass ich sexuelle maximale Befriedigung erlebe = negativer Egoismus). Für das eigene Glück, auch das sexuelle Glück, ist jeder selbst zuständig (=Selbstfürsorge und positiver Egoismus), aber nicht auf Kosten des Glücks des Partners (=aussaugen des Partners, Du musst mich zufriedenstellen, egal, wie es dir dabei geht, negativer Egoismus).