Guten Abend,
hier ist ja schon vieles, gutes und passendes zusammengetragen worden. Auch der zwingend zu beachtende Hinweis auf die individuelle Vielfältigkeit.
Warum ich nun aber doch auch noch meinen Senf dazu gebe, liegt darin begründet, dass meine Perspektive - so meine Wahrnehmung - noch nicht zu Wort kam.
Ich (m) bin Psychologe und hatte vor vielen Jahren privat eine intensive Liaison mit einer Borderlinerin. Noch in keinem anderen Lebensabschnitt habe ich soviel über mich und psychische Dynamiken gelernt. Soetwas findet man in keinem Lehrbuch! Die betroffene Frau ist sehr intelligent, sehr liebenswert und ein wertvoller Mensch!
Dennoch vorab grad zwei/drei nüchterne "wissenschaftliche" Vorbemerkungen.
• Borderline ist keine (psychische) Krankheit, sondern wird als PersönlichkeitsSTÖRUNG klassifiziert.
• Die aktuelle korrekte Formulierung (ICD11 / DSM5) lautet: Typ B Persönlichkeitsstörung; emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus.
• Zur formalen Diagnosestellung müssen 5 von 9 typischen Symptomen längere Zeit eindeutig vorliegen.
In dem mir gut bekannten Fall gab es eine "bilderbuchhafte" frühkindliche Konstellation (...) auf deren Basis sich eine fulminante Borderline-Störung entwickelte. Dem (unverschuldeten) maximalen Defizit an bedingungsloser Liebe und Zuwendung einem Kleinkind gegenüber läuft diese Frau bis heute (inzwischen Mitte 40) hinterher und sucht intensive Nähe. Auch in Form von viel und spürbarem Sex (=Schmerz wird scheinbar paradox lustvoll wahrgenommen).
Je intensiver diese dringend ersehnte Nähe, Aufmerksamkeit, Zuwendung jedoch wird, desto stärker wächst zugleich die frühkindlich verankerte Angst, doch wieder zurückgewiesen zu werden. Das ambivalente Spannungsfeld (viel Liebe <-> viel Verlustangst) kann wahlweise durch intensives Klammern, Eifersucht und Drama(inszenierung) kompensiert werden, oder durch - oft aprupt-impulsive - Abwendung vom Partners samt Abwertungen.
An diesem Punkt könnte eine offene Beziehung scheinbar zunächst eine gute Ventilfunktion übernehmen, indem die weiterhin benötigte Zuwendung auf mehrere Schultern verteilt wird und die Amplituden der emotionalen Achterbahnfahrt etwas geglättert werden. Leider hilft diese Lastenverteilung aber zumeist nicht dabei, das nie aufgebaute (elterliche) Urvertrauen stabil(isierend) an alternativer, verlässlicher Stelle zu erfahren und als Selbstwert zu verankern.
Im Gegenteil, die eher lose Bindung an mehrere Partner lindert vielleicht akuten Seelenschmerz, steigert aber die empfundene Ambivalenz. Die innere Spannung und die existenzialistische Frage nach der eigenen Wertigkeit ist fürchterlich kräftezehrend. Ein Kampf der auf diesem Wege nicht zu gewinnen ist.
Zurück zur eigentlichen Frage dieses Beitrages. Als primärer Partner eines Menschen mit Borderline-Störung gehört zu einer Beziehung sehr sehr viel Kraft, dickes Fell, Erfahrung, Mut und letztzlich unerschütteriche Liebe. Als weiterer Kontakt / Nebenpartner ist die Spontanität, Intensität und oft eben auch - wenn man(n) ehrlich ist - die Sexualität sehr belebend und aufregend, doch zugleich sollte man sich seiner Verantwortung wohl bewusst sein. Ein "Normalo" ist der (nicht bösartigen, aber eben doch) manipulativen Wucht einer Borderlinerin nicht lange gewachsen. Die sich daraus möglicherweise ergebenden On/Off's sind Gift für die Betroffenen und verstärken den Teufelskreis in dem sich die von Borderline betroffenen hochsensiblen Menschen befinden.