@****on
Ich will die Frage nach dem Brief an deine Frau aufgreifen, da dies ein neues Fass aufmacht.
Dass Kommunikation mit deiner Frau über deine und vermutlich auch ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ideen ein Problem ist, scheint für dich eine Einsicht geworden zu sein. Die konsequent daraus herzuleitenden Fragen sind: Wie kann ich (wieder) in Kontakt mit meiner Frau kommen? Wie kann die Kommunikation (wieder) hergestellt werden?
Gelegentlich ist wohl jeder in der Situation, dass er oder sie denkt: Ich habe schon alles probiert! Es ist aussichtslos! - Was kommt dann?
Die übliche Folgerung ist: Ich gebe auf, ich kann nichts tun. Diese Folgerung ist falsch.
Die richtige Folgerung ist: Es ist an der Zeit etwas zu tun, was ich noch nie getan habe, einen Gedanken zu denken, den ich noch nie gedacht habe, eine Idee zu haben, die ich eigentlich nicht haben kann, etwas zu tun, das ich nie tun würde, etwas zu tun, was ich für unmöglich halte, der erste Mensch auf der Welt zu sein, der etwas bestimmtes tut.
In der Kommunikationstheorie gibt es den Grundsatz, dass der Sender einer Nachricht dafür zuständig ist, dass sie auch beim Empfänger ankommt. Demgegenüber steht die Erfahrung aus dem täglichen Leben und insb. aus zwischenmenschlichen Beziehungen, dass der Sender nur für das verantwortlich ist, was er sendet (=ich bin verantwortlich für das, was ich sage), nicht aber für das, was der Empfänger versteht (=ich bin nicht verantwortlich für das, was du verstehst, insb. für das, was du jenseits der Nachricht zwischen den Zeilen liest). Grundlegende Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikation ist, dass der Empfänger und Sender die gleiche Sprache sprechen. Deine Frau und du klingen danach, als müsstet ihr euch erst noch auf eine gemeinsame Sprache verständigen.
Selbstverständlich ist die Voraussetzung für jede Kommunikation, dass der Empfänger überhaupt gewillt und fähig ist, die Nachricht des Senders anzuhören und zu verstehen.
Ein Brief ist jedenfalls ein Kommunikationsweg, den du noch nicht versucht hast. Vermutlich hast du den Gedanken noch nie gedacht. Findest du noch einen anderen Gedanken, den du noch nicht gedacht hast?
Was unterscheidet den Brief von dem Ansatz im direkten Dialog, den du bisher versucht hast? Du formulierst ihn in Ruhe und alleine. Du bist entspannt. Du kannst dir genau überlegen, was du mitteilen willst. Du kannst deine Gefühle reflektieren, ehe du sie in Worte fasst. Du kannst deine Worte sorgfältig wählen und abwägen. Dein Brief als sinnbildliche Rede, die du hältst, wird nicht von der Zuhörerin (also: Leserin) unterbrochen. Die Empfängerin hört sich die Rede komplett an, indem sie den Brief liest. Du stehst nicht daneben beim Lesen. Du erlaubst Raum für deine Frau, die Nachricht aufzunehmen ohne sofort antworten zu müssen. Sie kann darüber nachdenken, das reflektieren, was du geschrieben hast und sich selbst reflektieren. Sie kann ruhig und überlegt eine Antwort formulieren, zuerst für sich, dann für dich.
Überlege dir vorher, wie du damit umgehst, wenn du eine Antwort bekommst, die du eigentlich nicht bekommen willst. Ich meine damit keine spezifische Antwort sondern die grundsätzliche Möglichkeit, dass so eine Antwort kommt. Und überlege dir auch, wie du damit umgehen willst, wenn die Kommunikation verweigert und abgebrochen wird. Wenn du dir Konkflikteskalationsmodelle anschaust, z.B. das von Glasl
https://de.wikipedia.org/wiki/Phasenmodell_der_Eskalation dann siehst du, dass mit dem Kontaktabbruch die Phase der win-win-Möglichkeiten beendet wird. Anders gesagt: Was immer du schreibst (was immer du kommunizierst), erlaube Raum für eine Antwort.