Sie ist hier nicht die Böse. Um das einmal festzuhalten.
"Den Bösen" gibt es, soweit ich das Erzählte zumindest interpretiere, nicht.
Hier war ein Paar über 20 Jahre zusammen. In dieser Zeit haben sich Dinge entwickelt und Dinge wurden ausgelebt. Andere nicht. Auch ein gewisses Bild des gemeinsamen Sexlebens wird über die Zeit natürlich zementiert und setzt sich fest.
Wenn diese Frau mit diversen Dingen sexuell halt nichts anfangen kann, dann ist es nicht ihre wie auch immer geartete Pflicht dies nun für ihren Partner doch zu tun, gerade wenn es ihr nicht nur nichts gibt, sondern sogar von ihr abgelehnt wird.
Pegging ist schon für einige Personen, die eigentlich kinky unterwegs sind, etwas kritisches, das sie ablehnen. Einer Person, die offenbar keine kinky-Neigungen hat nach über 20 Jahren Ehe zu sagen, dass man gerne mal pegging probieren wollen würde ist da noch einmal vermutlich eine ganz andere Nummer.
Wenn sie das nicht will, weil es ihr nichts kommt, sowie nicht kann, weil sie die Vorstellung schon verstört, dann hat das nichts damit zutun, dass sie die Beziehung nicht schätzt und dem Partner etwas "vorenthalten" will. Sie will einfach keinen Strapon überziehen und ihn ficken, weil das für sie etwas unvorstellbares ist, das zudem auch noch negative Folgen für die Beziehung mit sich brächte.
Man kann keinem anderen Menschen die eigenen Kinks aufzwingen.
Nein, das geht auch nicht indirekt durch angebliche "beziehungstechnische Verantwortungen".
Am Ende sollen beide daran Spaß haben.
Ein bestimmtes Kleidungsstück zu tragen mag trivial klingen, ist es, wie andere es bereits ausführten, jedoch nicht. Gerade dann nicht, wenn man solche Kleidung normalerweise nicht trägt und weiß, dass der Partner dies vor allem aus sexualisiertem Grunde wünscht. Oder anders gesagt: Etwas zu tragen, das man normalerweise nicht trägt, und damit auch noch in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein während man weiß, dass der Partner das vor allem aus "geilheit" heraus wünscht, einen also in der Öffentlichkeit sexualisiert betrachtet, mag für viele von uns reizvoll sein. Wenn man auf so etwas aber gar nicht steht, dann ist es eher abschreckend vom Partner in der Öffentlichkeit sexualisiert zu werden, auch wenn Dritte dabei nicht involviert sind.
Meiner Einschätzung nach kann man hier mehrere Dinge versuchen. Manches aber bestimmt nicht:
Druck ausüben. (Bringe-)Schuld aufladen. Ein schlechtes Gewissen einreden. Suggerieren, dass sie "pflichten" in einer Beziehung hätte, die beinhalten auch Dinge zu tun, die sie sexuell eigentlich ablehnt.
Generell kann man derlei Dinge nicht durch ein Gespräch klären.
Bei dir mag da der Knoten geplatzt sein was die Exposition deiner sexuellen Wünsche angeht. Wenn ihr bisher eine vanilla-Beziehung führtet ist das für sie aber vermutlich auch ein hartes Brot, was sie da hört. In ihrem Kopf werden auch Gedanken über die Zukunft der Beziehung und des Sexlebens ablaufen. Vermutlich hat sie ebenso Befürchtungen und denkt über deine Erwartungshaltungen nach. Das sollte man sich stets vor Augen führen. Sie ist nicht nur eine "Gegnerin", die dich ausbremst, blockiert, gar Widerstand leistet mit dem es umzugehen gälte. Sie ist vor allem ein Mensch, der plötzlich mit derlei Gedanken und Wünschen konfrontiert wird, die ihr nichts geben. Es muss auch gar nicht sein, dass sie "sich nicht weiterentwickeln" will. Sich weiterzuentwickeln bedeutet nicht zwangsläufig Kinky zu werden und Fetische zu entwickeln, bzw. auszuprobieren. Ganz ketzerisch könnte man auch sagen: Sie teilt die deinen einfach nicht. Vielleicht ist sie mit Vanillasex einfach total zufrieden. Das gibt uns hier nichts, doch Millionen Menschen da draußen sind damit total zufrieden und glücklich.
Ihr könnt öfter miteinander reden. Solche Gespräche sollten nur keinen Druck aufbauen.
Du kannst durchaus von deinen Wünschen erzählen und solltest das auch. Wenn du das tust, dann sollte es aber nicht den Eindruck erwecken, dass du erwartest, dass sie das alles erfüllt. Es sollte keine Erwartungshaltungen an sie projizieren.
Eine Paartherapie kann ebenfalls sehr sinnvoll sein.
In der Folge solcher Gespräche, gar einer Paartherapie, kann auch eine Öffnung der Beziehung im Raum stehen. Das wäre aus meiner subjektiven Sicht allemal besser als ein Fremdgehen. Egal wie man das Fremdgehen nun "begründet", am Ende stellt es einen Vertrauensbruch dar, denn du belügst sie. Da kann die Begründung noch so nachvollziehbar und vermeintlich edel sein. Und so etwas, da spreche ich aus Erfahrung, muss man auch können.
Man muss mit dem Wissen umgehen können seine Partnerin hintergangen zu haben und ihr dennoch weiterhin in die Augen blicken können als wäre nichts.
Eine Öffnung der Beziehung sollte man überdies aber auch nicht mit der Brechstange forcieren. Gehe also jetzt nicht hin, knalle ihr alles noch einmal auf den Tisch und fordere eine Öffnung. Das überfordert, wäre massiv offensiv und sorgt für ein Gefühl des angegriffen-werdens, welches grundsätzlich zunächst in einer Verteidigungshaltung mündet.
Mache das achtsam und langsam. Wenn das Thema jemals aufkommt, so fordere nicht und biete ihr die Gelegenheit darüber nachzudenken und im Zweifel auch mit vertrauten Personen zu sprechen.