Ein paar Menschen in petto, den Job wechseln, das Leben ändern: Wir leben in einer Zeit, in der alles möglich ist und nichts bleiben muss, wie es ist. Aber macht uns das glücklicher? Oder sehnen wir uns nicht doch nach Stabilität und Sicherheit? Diese und ähnliche Fragen bin ich einige Jahre nachgegangen.
Ich glaube jeder kenn diese Dinge, die man nicht heraus posaunt. Dass man Heino-Fan ist etwa. Und nein, dass bin ich selbst in der Tat und GSD nicht. Oder, noch schrulliger, dass man nach zehn Jahren mit demselben Typ-Mensch nicht ein einziges Mal ans Fremdgehen gedacht hat. So waren oft die Reaktionen meiner Mitmenschen denen ich erzählte, dass ich in Bezeigungen keinerlei Gedanken ans Fremdgehen habe. Für viele wohlmöglich völlig verwegen, schon klar, weil es so mein Empfinden, schon seit Jahren absolut nicht angesagt zu sein scheint.
Zumindest so, als hätte man sich beim Aufbrezeln an einem Accessoire aus der Mottenkiste vergriffen. Wie war das noch beim letzten Männer-Frauenabend? Alle haben sich locker flockig "Und, wie geht’s?" zugerufen, aber wirklich wissen wollten alle es nur von der einen Peron, bei der es ab und zu ordentlich kracht in der Beziehung, wo auch mal was nebenherläuft, wo es Eifersuchtsszenen gibt und zugeschlagene Türen, Tränen und immer wieder Verzeihen und Versöhnung. Eine lebendige Beziehung, sozusagen.
Ja, sehr Aufregend, mindestens für diejenigen, die so was nur am Rande mitkriegen. Treue dagegen hat nicht den Pfeffer heißer Nächte, die Würze prickelnder fremder Haut. Treue ist ein Eintopf. Und offenbar mehr denn je nur noch Geschmackssache. So scheint es mir.
"Betrügen wird nicht nur zurzeit gehypt wie ein Modetrend", scheinbar tuen es viele.
Beständigkeit hat halt ihren Preis, und der heißt Verzicht.
Was ist nur passiert? Früher standen uns Tränen der Rührung in den Augen, wenn ein Paar sich selig versprach, auf immer und ewig treu zu sein. Wurden die Flügel der Schmetterlinge im Bauch müder, erinnerten wir uns auf einmal an das Kleingedruckte im Auf-immer-nur-du-Gelöbnis. Verzicht, Durchhaltevermögen, Rücksicht, Nein sagen müssen, Grenzen setzen, sich selbst zurücknehmen. Was für eine Illusion in der heutigen Zeit. Und hier ticken viele Frauen und Männer gleich.
Gewiss, Treue kann (muss aber nicht) eine ganz schöne Spaßbremse sein. Das war wohl immer schon so. Aber noch nie passte das weniger in vieler Leben als heute. In unserem Alltag, in unserem Job, selbst bei unserem täglichen Work-out sollen viele Grenzen überwinden, sich nehmen, was sie wollen, das Leben genießen. Drama, Baby, Drama! Entdecke die Möglichkeiten! Nur, wenn man sie tatsächlich entdeckt, ist es treuetechnisch auch wieder nicht richtig.
Ach, egal. Brave Menschen sind out, böse kommen bekanntlich in den Himmel, und die kichern natürlich nur über Partnerschaftsanzeigen, in der womöglich "ein treuer Mensch" gesucht wird. Klingt wie Hündchen sucht Herrchen. Die Tradition hat halt kaum noch etwas zu sagen. Flexibilität und Dynamik, das eigene Fortkommen stehen im Vordergrund, und dieses Denken hat längst die kleinste gesellschaftliche Zelle, die Familie, erreicht. Ganz schön perfide finde ich.
Da bleibt es auch nicht aus, dass mir die Galle hochkommt, wenn ich Sätze lese, dass der Mensch nicht für Monogamie geboren sei. Es scheint so als wolle die Mehrheit Gefühle auf Dauer nicht mehr garantieren. Jedoch das Problem aus meiner Sicht ist, dass ganz ohne Treue es eben nicht geht.
Es gibt so mein Empfinden, eine große Diskrepanz zwischen unserer inneren Sehnsucht nach Treue und der Wegwerfgesellschaft.
Alle wollen in Beziehungen Verlässlichkeit und Vertrauen, aber Lebendigkeit und Aufregung dürfen auch nicht fehlen. Das kann ich nachvollziehen und ist auch verständlich. Mit demselben Partner ist das aber für viele ein schwieriges Unterfangen. Gerade heute, wo niemand seine Gefühle auf Dauer garantieren kann, ist die Treue ein sehr hoher Anspruch.
Ein erstes Bauernopfer gibt es jedoch bereits schon seit Jahren - mit dem Vertrauen in die Treue bleibt oft auch das Vertrauen an sich auf der Strecke. Zumindest so meine Beobachtung. Das Checken der SMS oder der E-Mails des Partners gehört ja heutzutage fast zur gängigen Praxis - das ist aus meiner Sicht nicht nur fatal, sondern für mich persönlich der Verlust des Vertrauens und das Ende einer Beziehung.
Treue: kein Ja oder Nein, mehr ein Vielleicht. Ein Hoffentlich. Die Folge heute: Wer die Sache mit der Treue nicht hinkriegt, ist kein Buhmann mehr. Buhmann ist, wer einen Seitensprung nicht verzeihen kann. Männer sind ohnehin aus der Schusslinie, seit es laut einer schwedischen Studie ein Untreue-Gen gibt, dem sie offenbar hilflos ausgeliefert sind. Was für ein Bullshit. Frauen, weil sie endlich leben wollen wie Männer. Und alle zusammen, weil 80 Prozent aller Fremdgänger schwören, ihren Partner von ganzem Herzen zu lieben. Treue wird bei vielen inzwischen flexibler gehandhabt. Es gibt eben keine Norm und Moral für sehr viele.
Die Treue steckt also in der Krise? Und der Zeitgeist tritt ihr gleich noch mal vors Schienbein. Treue ist die Heilige Kuh des romantischen und schönen Ideals, denn sie bestätigt uns in unserer Einzigartigkeit. Untreue hingegen sagt mir aus meiner Sicht „So besonders bist Du gar nicht“. Und das ist für jede Beziehung eigentlich nichts anderes, als das Ende der Beziehung.
Treue ist daher für mich eine freie und bewusste Entscheidung, die selbstverständlich auch heute noch geht.