„Ohne genau nachgezählt zu haben, habe ich den Eindruck, es melden sich in diesem Thread deutlich mehr überzeugte Singles zu Wort als Beziehungsmenschen. Das finde ich erstaunlich, weil ich im Real Life genau den umgekehrten Eindruck habe. Da scheinen fast alle Menschen nach einer Beziehung zu streben. Wer Single ist, datet (mit Beziehungsabsicht). Gerade das Daten würde man sich sonst ja nicht freiwillig antun …
Woran liegt das wohl? Am Joy? An diesem Thread?
Weil ich erstmal nachdenken musste.
Spoiler ----> es wird etwas länger
Ich bin Beziehungstiger durch und durch. Schon immer. Eine Löwin, die kämpft. Für sich, für den Partner und für ihre damals noch kleinen Kinder. Ich lebe und liebe Beziehung mit all ihren guten und schlechten Zeiten.
Single kann ich, musste ich schmerzhaft nach meiner Scheidung nach vielen tollen Ehejahren lernen. Es hat Jahre gedauert, dahin zu kommen, wo ich heute bin. Ich kann stolz auf mich sein: toller Job, eigenständiges Leben, Hobby, Familie, einige wenige gute Freunde, ein schönes Zuhause in meiner Heimat, frei und unabhängig. Zufriedenheit auf ganzer Linie? Ganz klares Nein.
Hier im Forum darf man zwei Worte nicht benutzen: Bedürftigkeit und Brauchen. Ich nutze sie jetzt dennoch:
ich bin bedürftig nach Nähe, die mir nur ein Partner geben kann. Intime Gespräche, die nur uns Zwei etwas angehen. Kuscheln, mich an ihn schmiegen. Seine Hand auf meinem Rücken unter dem Pulli spüren, einfach so beim Fernsehen. Das absichtslose in-den-Arm-nehmen beim Kochen, der Klaps auf den Mors beim Zähneputzen, ein Post-It am Kühlschrank, der gemeinsame Kaffee auf dem Tisch nach getaner Arbeit, das Anlächeln, der kurze Schmatz zwischendurch, einfach mal sein Gesicht in seine Hände nehmen........
Ja, ich bin süchtig nach dem physical touch. Nur der macht mich emotional satt, Sex ist dabei fast schon zweitrangig und nichts und niemand kann mir diesen emotionalen Sattmacher besser geben, als mein Partner. Keine Freunde, keine Familie, kein Joy...nicht mal meine Katze.
Daher eigne ich mich auch nur ganz bedingt für Sexabenteuer in Single-Zeiten. Spaß ja (vielleicht), aber sie haben mich nie wirklich richtig erfüllt.
"Wenn der Mensch, der dich berührt, nur du selber bist
Dich nur selber zu spür'n, einfach lustlos ist"
Diese Textzeile trifft es für mich auf den Punkt.
Ich brauche einen Menschen an meiner Seite, der mich spiegelt, der mich auffängt, der mir auch mal um die Ohren haut, dass ich gerade mal wieder total scheisse drauf bin. Einen Menschen, dem ich mich öffnen darf. Nicht muss! Sondern der mit seinem Sein ebenso fühlt. Der mit mir genauso gerne zusammen ist wie ich mit ihm. Der mich genießt, den ich genießen darf. Der Mensch, der mit mir das Duo Infernale bildet.
Ich kann (oder will) es einfach nicht verstehen, wie über Beziehungen als Gefängnis geredet wird.
24/7-Beziehung heißt für mich nicht, aufeinander zu hocken oder zu kleben.
Eigene Hobbies, ein eigenes Rückzugszimmer, unterschiedliche Arbeitszeiten und die Voraussetzung, sich auch alleine beschäftigen zu können, haben mich nie wie in einem Käfig fühlen lassen. Sich Freiheiten gönnen, wenn mal ein Männer-Skiurlaub ansteht oder ein Mädels-Wochenende. Und sich darauf freuen, dass bei der Rückkehr der Lieblingsmensch mit einem Lächeln da ist und Dich einfach nur in den Arm nimmt.
Warum nicht auch gemeinsam ein erotisches Wochenende verbringen? Wenn Beide offen dafür sind, braucht es keine Heimlichkeiten....
Gemeinsam ist Vieles viel einfacher. Haushalt, Finanzen, Miete/Abtrag und das ewige Aufbrezeln und der Aufwand für ein nächstes Date fallen einfach weg. Ich hab da echt keine Lust mehr drauf. Irgendwie gewinnt das Zauberwort "Ankommen" bei mir mit zunehmendem Alter eine immer größer werdende Bedeutung. Mit Anfang 40, nach der Scheidung, kannte ich das Wort so nicht, wie ich es heute für mich verbuche.
Diese ganzen Irrfahrten nach der Ehe, die Suche, das Zufällige, das sich-selbst-finden.....es gehörte dazu und war der Single-Zeit geschuldet. Ja, Spaß war auch dabei. Aber wenn ich ehrlich bin: ich habe nie so intensiv geliebt, gelacht, geweint und mich verletzlich gezeigt, wie in einer tiefen Beziehung. Und die hatte ich genau zweimal in meinem Leben. Tiefgang, Nähe, Leichtigkeit....für mich irgendwie nur wirklich in einer echten, klassischen Beziehung möglich.
So, ich hab mich jetzt mal so richtig nackig gemacht.
Das ist kein allgemeines Plädoyer für eine Beziehung. Wir haben alle unsere unterschiedlichen Erfahrungen gesammelt und bestimmt jeder von uns hat so sein eigenes Päckchen zu tragen. Und daher soll jeder auch so, wie es ihm beliebt und gut tut, sein Single-Dasein oder seine Beziehung leben.
Ich kann mich in vielen Argumenten pro Single wiederfinden...aber ich kann eben nicht ohne physical touch.