Schon witzig, wie sehr hier die Meinungen auseinander gehen. Die einen schätzen ein, mit über 1000 Sexpartner/innen einen grossen Teil der « sexuellen Bandbreite » abgearbeitet und kennen gelernt zu haben, die anderen halten dagegen. Dabei sind beides in meinen Augen schlicht und ergreifend unterschiedliche Erfahrungen, ohne weitere Wertung oder Beurteilung. Hier wird tatsächlich Qualität und Quantität vermischt, würde ich meinen.
In rund 40 Jahren sexueller Aktivitäten komme ich, wie anderswo bereits erwähnt, auf sehr viele Erfahrungen mit sehr wenigen Partnerinnen. In mehreren Tausend gemeinsamen Nächten mit diesen Frauen habe ich enorm viel erleben und entdecken dürfen. Einiges, wenn nicht sogar das meiste, schon mit meiner allerersten Freundin, rein technisch betrachtet. Inklusive Praktiken, von denen etliche JC Forenteilnehmer nachweislich jahrzehntelang träumen, weil sie anscheinend nicht auf Gleichgesinnte getroffen sind und/oder grundsätzlich falsche Entscheidungen getroffen haben, was die Partnerwahl angeht - und/oder nicht den Mut haben, Dinge auszuprobieren und/oder den anderen darauf anzusprechen, was man geil findet.
Dabei durfte ich sogar ganz genau jene « sexuelle Bandbreite » kennen und schätzen lernen, die mich interessiert, nicht mehr und nicht weniger. Und in den langjährigen Beziehungen eine Intimität entdecken und erfahren, die sexuell unfassbar toll, kaum mit Worten beschreibbar erfüllend und befriedigend ist.
Zwischen den langjährigen Beziehungen gab es einige wenige kurze. Diese Frauen hatten deutlich mehr Partner als ich, bevor wir uns kennen lernten. Und doch waren sie sexuell alles andere als « erfahren » in einer für mich nachvollziehbaren Weise. Im Gegenteil, sie waren genau so, wie hier in einigen Beiträgen einigen Männern unterstellt wurde: weil sie dachten, « so funktioniert ein Mann », fühlten sich ihre Aktivitäten sehr mechanisch, ja teils sogar berechnend an. Ausserhalb der Bettkante tolle, attraktive, einfühlsame Menschen, im Bett seltsam distanziert. Lustlos, irgendwie, obwohl zuvor wortreich verführerisch und aufreizend. Wohl weil ich nicht wie ein Roboter funktioniert und nicht gemäss ihren Erwartungen die sexuelle Pflicht so erfüllt habe, wie es « Männer » eben tun, fanden wir auf sexueller Ebene nicht zusammen. Das zähle ich übrigens ebenso zur « sexuellen Bandbreite », die hier angesprochen wurde: die oft zitierten Menschen, die Sex als Konsumgut betrachten.
Ich denke, die Einstellung zum Leben insgesamt, gepaart mit Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Interesse, Respekt und Zuneigung, ist eher geeignet für mich ganz persönlich als Einschätzung dafür, wie jemand sich sexuell verhalten könnte. Der Lackmustest folgt letztlich mit der ersten gemeinsamen sexuellen Begegnung. Mit einer Frau, die Hunderte oder Tausende Sexpartner hatte, würde ich ziemlich sicher nie zusammen kommen, weil wir in ganz anderen Kernthemen zu weit auseinander liegen würden. So eine Frau hätte garantiert auch kein Interesse an mir, oder höchstens als Testobjekt, wer weiss.
Wer oben erwähnte Lebenseinstellung mit mir teilt, kennt eins meiner Lebensmottos: das einzig Stetige im Leben ist der Wandel. Damit meine ich nicht, dass man ständig Partner/in wechseln muss, um Erfahrungen sammeln zu können. Viel mehr meine ich, dass uns allen Abwechslung gefallen kann. Nichts und niemand ist morgen so, wie er heute war. Meine Partnerin und ich schätzen die gemeinsame Stabilität und Intimität genauso wie unsere Neugier. Wir kennen unsere Vorlieben genauso wie unsere Grenzen, innerhalb dieser jedoch experimentieren wir immer wieder. Lustvoller und intensiver als jemals zuvor. Obwohl, rein mechanisch betrachtet, viele Erfahrungen längst gemacht wurden, auch mit Ex-Partner/innen. Und doch ist jede einzelne unserer sexuellen Begegnungen neu, immer wieder anders, immer wieder wie ein « erstes Mal », obwohl die Haut die gleiche ist - auf den ersten Blick und Gedanken. Aber auch die hat sich verändert, selbst die erogenen Zonen können sich sozusagen verschieben oder eine ganz andere Gewichtung erhalten, tagtäglich.
Der langen Rede kurzer Sinn: für mich persönlich hat es schon immer eine Rolle gespielt, mit einer gleichgesinnten Partnerin das Leben zu teilen. Monogam und exklusiv, intrinsisch. Eine Frau, die Dutzende, Hunderte oder Tausende Partner hatte, wäre für mich niemals in Frage gekommen, weil uns Welten trennen, was einige Kernthemen des Lebens betrifft. Genauso wenig interessant wäre ich für sie. Vollkommen wertfrei, ohne Be- oder Verurteilung. Ganz non-dualistisch. Es ist, wie es ist, ganz einfach. Und das ist gut so.