Ich bin in der Autofahrer-Großstadt Frankfurt aufgewachsen und dort von klein auf jede Strecke jenseits von 30m mit dem Rad gefahren. Fast ausschließlich gemäß der StVO. Ohne Helm, aber mit Licht. Bei Rot angehalten, aber nicht neben einem Auto, sondern dahinter. Okay, bei Regen nahm ich den ÖPNV. Bei Schnee aber wieder das Rad, ich hatte mir sogar Schneeketten gebastelt.
Mein Alltagsrad war ein robustes 3-Gang-Rad, das mit einem Speichenschloss ausreichend gesichert war, weil das niemand mit Aufwand klauen würde.
Am 18. Geburtstag den am Vortag bestandenen Führerschein und das zwei Wochen zuvor gekaufte Auto geschnappt und Fahrradfahren war so was von out.
Okay, 2-3 Jahre bin ich noch bei längeren Radtouristikfahrten mitgefahren, so zwischen 60 und 120 km am Stück.
Dafür hatte ich mit 16 von einem Profi-Rennradfahrer eines seiner Räder gebraucht gekauft. Ultimativ auf Gewichtsreduktion gebaut, gelochte Zahnräder, Brems-und Schalthebel und sogar die Schraube für die Sattelstütze extra aus Titan. Neupreis 1975 2.500 DM.
Dieses Rad habe ich heute noch. Es fristet seinen (vernachlässigten) Dornröschenschlaf. Heute ist es mir zu unbequem und ich bin untrainiert.
Bin ich im Urlaub, auch in anderen Großstädten, miete ich mir heutzutage ein E-Bike (zu unverschämten Tagespreisen, die einem Kleinwagen entsprechen) und fahre damit wie der Teufel. Tolle Erfindung, dürfte ruhig bis 35 km/h gehen.
Aber jetzt, wo man mit Gewalt das Fahrrad propagiert - in der sonst üblichen "Sicherheit im Verkehr geht über alles und wie mache ich das Auto noch sicherer"-Debatte mir völlig unverständlich, weil im Vergleich zum Autofahren vergleichsweise lebensgefährlich - habe ich selbst die Ideologie des Fahrradfahrens bald an den Nagel gehängt. Ich habe nie den allseits beschworenen Kampf Auto gegen Fahrrad gesehen und erlebt. Vielleicht muss man dazu als Fahrradfahrer die Regeln brechen (bei Rot über die Ampel, über Fußwege und Fußgängerzonen, gegen die Einbahnstraße) oder sich unvorsichtig bewegen (zu weit rechts fahren, stehende oder langsame Autos überholen). Ich brauche keinen Radweg und keine separate Fahrspur. Ich finde es daher unnötig, dass man nach 100 Jahren die Autos so verbannen will. Ein Miteinander ist für mich immer anders möglich gewesen.
Und bevor jemand fragt: Meiner Tochter geht es genauso. Die ist auch in Frankfurt auf dem Rad groß geworden.