„Verändert das Internet das Verhalten von User:innen im Web?
Natürlich. Allerdings ist die Frage an sich für mich schon ein Hendiadioyn.
„Kontakte und Erfahrungen die wir im Web sammeln, haben auch realen Gehalt.
Ja, es werden bestimmt Elektronen angeschubst und fließen durch Leitungen. 🙂
„Beleidigungen, böse Kommentare, Bilder müssen im realen verarbeitet werden und mitunter können diese fataler sein, als Äußerungen abseits der digitalen Welt.
Ist das so? Wenn ja: Warum? Wenn ich jemandem ins Gesicht brülle, dass er ein dummes Arschloch ist, dann dürfte er viel wütender auf mich sein, als wenn ich das einfach nur so schreibe. Wenn ich das mit einem sarkastischen Tonfall sage, dürfte er gar nicht wütend sein, als wenn ich es nur schreibe.
Ich denke, die Wirkung eines geschriebenen Inhalts ist immer Abhängig von der Interpretation des Rezipienten - und damit sehr viel Abhängiger von dessen internen Vorgängen, als von einem externen Inhalt.
„Kommentarloses Ignorieren trifft zunächst auf Unverständnis.
Ist das so? Ich deabonniere hier z. B. die meisten Themen fast sofort, weil ich weiß, dass die Leute sich eh wieder zerfleischen und die meisten Kommentare einfach auf negativer Interpretation oder Dekonstruktion des gesagten basiert. Es wird mir also meist ziemlich schnell zu dumm, um weiter mit zu lesen - das könnte man auch als "kommentarloses Ignorieren" interpretieren. Ob das auf Unverständnis trifft, kann ich nicht sagen. Ich bekomme davon ja nichts mehr mit. 😅
„Im realen wird ein bissiger Spruch anders aufgefasst, als in der digitalen Welt ein bissiger Kommentar, obwohl beides von Fremden kommen kann.
Joa. Siehe oben. Es ist in sehr weiten Teilen eine Frage der Interpretation.
„Ungeachtet dessen, wird wohl immer noch im Umgang zwischen digital und real unterschieden.
Natürlich wird es das. Die Kommunikationsmöglichkeiten sind ja auch stark eingeschränkt. Hier gibt es beispielsweise nur ein Textfeld. Alles was hier stattfinden kann, ist Text. Ich könnte auch eine Audiodatei irgendwo hochladen und verlinken - dann hätte man eine Art kleinen Podcast und könnte an meiner Stimme hören, ob ich etwas ironisch gemeint habe oder nicht.
Es gibt hier auch keine Echtzeit-Kommunikation - alles was geschrieben wird, wird zu einem beliebigen Zeitpunkt nachgelesen. Ich bekomme teilweise "Likes" für Beiträge die ein Jahr alt sind. Die Kommunikationsmittel sind eingeschränkt, die Zeit ist relativ zum Rezipienten... natürlich muss man das unterscheiden.
„Wie ist das bei euch?
Macht ihr euch darüber Gedanken, dass am anderen Ende ein Mensch sitzt, der das im realen verarbeitet?
Nein - oder zumindest sehr selten. Meistens beziehe ich mich auf den Inhalt des Beitrags und nicht auf die Person, die den Inhalt verfasst hat. Letzteres wäre für mich zu viel ad hominem und damit wäre das, was ich antworte, ein genereller Fehlschluss.
„Seid ihr online anders, als in der Welt da draußen?
@*******tia bin ich irgendwie anders? 😁
Sagen wir: Ich habe Online gelegentlich mehr Zeit, um darüber nachzudenken, was ich sagen will. In Wirklichkeit bin ich viel direkter.
Bestes Beispiel:
Wir gehen essen. Ich gucke auf die Karte und sehe Canadian Fries unter den Beilagen. Ziemlich teuer für meinen Geschmack.
Ich frage also: "Wie groß ist die Portion eigentlich?"
Bedienung: "Naja, nicht all zu groß... satt wird man davon nicht... Warum?"
Ich: "Naja, wenn's so viel kostet wie ein Hauptgericht, hätte ich auch die Portion eines Hauptgericht erwartet..."
War tatsächlich ein sehr kleines (vier oder fünf dicke Fritten mit Käsesoße) Portiönchen.
Der Mann meiner Freundin starrte mich mit riesigen Augen an:
"Das kannst du doch nicht sagen!"
Ich: "Aber warum? Es war doch wahr?"
Er: "Ja aber trotzdem... sowas sagt man doch der Bedienung nicht. Wer weiß, was die dir jetzt auf den Teller spuckt... ich hätte mich das nicht getraut..."
Also - keine Ahnung. Ich bin in Wirklichkeit vermutlich einfach noch viel ehrlicher und direkter als hier. Hier hab' ich (gelegentlich) zumindest die Möglichkeit über "das sagt man so nicht"-Regeln zu reflektieren. In Wirklichkeit bin ich dafür meist zu schnell mit dem, was ich für eine "simple Wahrheit" halte.