„Liebe TE,
Ich finde Deine Darstellung sehr gut nachvollziehbar und reflektiert. Das beschriebene Problem kennen wohl viele beziehungserprobten Menschen, ich auch. Vieles wurde hier ja schon gesagt, aber auch, wenn ich ebenfalls einschätze, dass die Beziehung auf der Kippe stehen und eine ernst zu nehmende Schieflage erreicht haben dürfte (btw: fehlende Erotik ist m. E. n. oft nur ein Symptom von ganz anderen, häufig kommunikativen Distanzen, bedeutet aber nicht zwingend sofort, dass die Liebe bereits gänzlich erloschen sein müsste), würde ich noch nicht davon sprechen, dass die Beziehung schon nicht mehr zu retten wäre - jedenfalls, solange seine und auch Deine getrennt voneinander zu treffende Entscheidung für oder gegen die Beziehung noch nicht gefallen ist. Im Augenblick vermute ich Eure Partnerschaft beidseits eher wie auf Eis gelegt. Das tut auf Dauer nicht gut, muss aber noch nicht zwingend der bleibende StatusQuo sein, mit dem Ihr Euch entweder abzufinden hättet oder eben eine Trennung vollziehen müsstet - so mein erster Eindruck.
Wir Menschen sind meiner Auffassung nach nicht starre Wesen, die - ersteinmal vorgeprägt durch die Kindheit - dann immer weiter nur noch wie Marionetten ihres Schicksals durch das Leben taumeln und darauf angewiesen wären, den zu ihnen von Anfang an perfekt passenden Menschen zu begegnen, sondern ich verstehe Beziehungen als fortlaufenden Prozess, als gemeinsames Projekt. Bindungsstile sind auch meinem Verständnis nach weder absolut noch ausweglos vorbestimmend, sondern können als Ausgangspunkt für eine weitere Entwicklung gesehen werden (btw: Volker-Schmidt-Puristen mögen mir bitte meine für sie vlt anmaßend erscheinende Einschätzung nachsehen, aber grundsätzlich sind das eben mal alles Modelle, die in der mir untergekommenen Fachliteratur keine starren Zustände, sondern dynamische Tendenzen beschreiben):
Ich erlebe Menschen, die zur stetigen Weiterentwicklung fähig sind und lernen, sogar mit Mangelerfahrungen aus der Kindheit umzugehen, ihre Schwächen zu integrieren und dabei Stärken zu entwickeln. Allerdings: Diese Entwicklung kommt nicht von allein, sondern ist harte Arbeit und zu dieser Arbeit müssen wir Menschen nicht nur grundsätzlich bereit sein, sondern uns auch aktiv dafür entscheiden sowie manchmal uns auch begleiten lassen (Therapie, i. Ü. mitunter auch bei Trennung hilfreich - #Aufarbeitung und Trennung zwischen Mein und Dein, um nicht in nächster Beziehung weiterzumachen mit alten destruktiven Verhaltensmustern). Du schreibst, als hättest Du für Dich diese Entscheidung schon getroffen, Dein Partner aber noch nicht für sich bzw. vlt doch, aber dann hätte er sie Dir noch nicht gesagt (btw: Hast Du Deine Entscheidung dbzgl ihm schon mitgeteilt?). - Bedenkzeit ist im Rahmen der tatsächlichen Geduld ok (besser keinen Druck erzeugen!, aber hinhalten musst Du Dich auch nicht lassen), es bringt m. E. jedoch nix, die Kommunikation über eine bereits gefasste Entscheidung künstlich vor sich herzuschieben.
Du kannst Deinem Partner seine Entscheidung nicht abnehmen, das ist Dir eh klar. Um seine Zuneigung zu betteln macht demnach also tatsächlich die Situation voraussichtlich nicht besser, evtl sogar eher schlechter. Das einzige, was Du m. E. n. im Moment versuchen kannst, sehe ich darin, ihm die Entscheidung in Deinem Sinne für die Beziehung möglichst leicht und gegen die Beziehung möglichst schwer zu machen, wobei ich allerdings echt betonen möchte, dass dies vermutlich das genaue Gegenteil darstellen kann von dem, was Du Dir eigentlich für Dich selbst wünschen würdest (bedenke dabei: Er scheint auf einem anderen Stand zu sein, als Du, mit anderen Motiven und Bedürfnissen).
Als meine Idee formuliert:
1) "Willst Du gelten, mach Dich selten." - Paris Du alleine finde ich super! Mach Dir ne schöne und gib ihm für sich selbst Zeit!... Lass ihn Dich mal vermissen;) - Raum zur Selbstfindung, stabile Bindung braucht nicht nur Schnittmengen im WIR, sondern auch Abgrenzung von ICH und DU;
2) Destruktive Bindungsmuster... naja, da dürftet Ihr beide wohl dran arbeiten, aber das funktioniert erst nach der Entscheidung; als Ausblick spz. Kommunikation: Es geht oft weniger um einen alleinigen Focus auf Positives, aber durchaus um ein Ausgehen vom Gemeinsamen - auf Augenhöhe ohne Anklage und Rechtfertigung... wie gesagt aber: Jetzt ist das noch Zukunftsmusik, erstmal braucht es eine Entscheidung und Bereitschaft, an der Beziehung oder aber Trennung zu arbeiten;
3) Gönn Dir was Schönes, genieße das Leben - ganz ohne Selbstzweifel oder schlechtem Gewissen! Sei Dir selbst genug, liebe Dich um Deiner Selbst und feier, dass es Dich (jetzt mal nicht ihn, sondern Dich) gibt auf dieser Welt! - Vermutlich viele Männer finden sowas total attraktiv an Frauen, auch, wenn es manche zittrig macht, aber da müssen wohl alle durch;)
4) Lass ihm die Möglichkeit, von sich aus auf Dich zuzugehen, Dich zurückzuerobern! Mach's ihm nicht zu einfach! Wenn er Dich nicht umarmt: Sein Pech, dann gehste eben zu Deiner Freundin oder so;) - damit meine ich nicht eifersüchtig machen, das kann sehr leicht nach hinten losgehen! Andere Männer sind grad wohl besser tabu, aber das ist wohl eh klar.
5) Bleib bei Dir! Kompromisslos! Gib ihm mal nix, um was er nicht gekämpft hat
Das alles wird vermutlich nicht leicht fallen.
Ich wünsche Dir und Euch viel Kraft!
Vielen lieben Dank für deine vielen guten Ideen und Anregungen, es war eine Freude dies zu lesen! Du hast eine sehr wertschätzende Art zu denken.
Ich habe für mich tatsächlich stückweise eine neue Einordnung machen können. Vor einigen Wochen habe ich mich klar für die Beziehung entschieden und auch dafür an der Beziehung zu arbeiten. Ich habe ihm meine Entscheidung für die Beziehung auch mitgeteilt und er meinte damals auch, dass er die Beziehung möchte. Es ist mir nicht immer gelungen positiv an der Beziehung zu arbeiten, aber ich habe viele Schritte auf ihn zugemacht. Teilweise bekam ich auch die Rückmeldung, dass er das gar nicht möchte oder dass er selber den Eindruck hat, dass er das nicht verdient hat. Ich habe ihm erklärt, dass ich das mache, weil ich denke, dass es unserer Beziehung gut tut und dass es nicht darum geht, wer was verdient oder nicht verdient hat. (Ich bin dann aber leider in ein Muster verfallen, dass ich nur genug positives hineinbrinen müsste und dann klappt das schon. Daraus finde ich jetzt gerade wieder hinaus.)
Ich weiss, dass er im Moment einen inneren Konflikt austrägt (darüber haben wir gesprochen und ich weiss, worum es geht). Ich finde es auch gut, dass er diesen Konflikt angeht, aber es wirkt sich halt auch negativ auf mich und unsere Beziehung aus (die auch ohne diesen inneren Konflikt belastet ist). Es wirkt sich so aus, dass es Distanz schafft, was für mich im Moment (aufgrund von Schwierigkeiten, die ich habe) schwer auszuhalten ist. Wir haben auch darüber gesprochen, dass ich das nicht mit ihm lösen kann, das muss er aufgrund der Art des Konflikts selber machen.
Wir haben auch darüber gesprochen, dass wir dem anderen nichts böses möchten. Und ich gehe stark davon aus, dass er mir Nähe und Zuneigung nicht absichtlich entzieht (das wurde von vielen so gesehen). Natürlich kann ich nicht in seinen Kopf hinein sehen, aber ich gehe stark davon aus, dass er nicht Nähe verweigert um mich zu manipulieren, sondern dass er es im Moment einfach nicht kann oder möchte.
Ich habe für mich gemerkt, dass ich das starke Gefühl hatte seine Nähe zu brauchen (und ja, darin sehe ich durchaus den Abhängigkeits-Aspekt). Ich glaube, ich musste mir klar werden, dass sich das zwar so anfühlt, dass ich es aber tatsächlich nicht brauche (zugegeben, das ist schwierig und ich schwanke noch zwischen den beiden Positionen).
Ich kann mich im Moment (auch wenn es mich sehr traurig macht) mit den Gedanken an eine Trennung beschäftigen (ohne dass ich selber in diese Richtung "arbeite") und es zieht mir nicht den Boden unter den Füssen weg und ich versuche nicht mehr verzweifelt dagegen anzugehen. Im Moment würde ich es so beschreiben, dass ich zu unserer Beziehung stehe (im Sinne von: dafür einstehen), aber ich "kämpfe" nicht mehr dafür.
Im Moment konzentriere ich mich sehr auf mich und was ich tun kann um einfach nur für mich ein Wohlbefinden zu erreichen. Ich denke auch, dass es nicht einfach nur die Reise nach Paris ist, sondern dass es mehr meine innere Haltung ist, dass ich eben jetzt sehr auf mich achte. Ich gehe ihm nicht aus dem Weg, aber ich suche auch nicht mehr den Kontakt zu ihm und gestalte im Moment meinen Alltag ganz nach meinen Bedürfnissen (mal von den Kindern abgesehen).