Bereits am Vormittag war das Thermometer auf sommerliche Temperaturen geklettert, als ich auf dem Parkplatz eines Supermarktes aus dem klimatisierten Wagen stieg. Mir entgegen kam eine ältere Dame, mit ihrem Mantel viel zu warm gekleidet für diesen Tag. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, während sie unsicheren Schrittes einen Einkaufstrolly hinter sich herzog.
Auf meiner Höhe angelangt, kippte die Frau gegen ein parkendes Fahrzeug. Ich griff den freien Arm und konnte so verhindern, dass sie auf den Boden fiel, geleitete die Dame zu meinem Wagen und setzte sie erst einmal im Kofferraum ab.
Anscheinend war es nur ein kleiner Schwächeanfall, Fragen nach Wohnort und Namen wurden klaren Verstandes beantwortet, das Angebot, einen Arzt zu rufen, strikt abgelehnt. Alsbald wollte sie auch weiterziehen, aber mit Bestimmtheit befand ich, dass das nicht in Frage käme und ich sie nach Hause fahren würde (natürlich nicht im Kofferraum, dorthin kamen ihre Einkäufe).
„Aber das ist doch nicht nötig.“
„Das ist doch selbstverständlich!“
Gesagt, getan, der Weg von nur wenigen hundert Metern war schnell zurückgelegt. 3-geschossiger 60er-Jahre Sozialbau.
Ich parkte, ging um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür, half der Dame beim Aussteigen, holte den Trolly aus dem Kofferraum, wobei deutlich das Klirren von Glasflaschen zu hören war.
„In welchem Stockwerk wohnen Sie denn?“
„Im zweiten, aber mein Mann kommt runter und räumt die Einkäufe in den Keller. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“
Sie klingelte, die Tür wurde geöffnet.
Mir war wichtig, ihren Partner kurz darüber zu informieren, dass es einen Schwächeanfall gab und man die Dame ein wenig beobachten solle. Also verließ ich nicht gleich die Szenerie.
Und dann kam er die Treppen runtergeschlurft, der Partner. In Jogginghose und dreckigem Hemd, offensichtlich bereits leicht alkoholisiert, ein wandelndes Klischee. Und erst in diesem Moment Begriff ich, dass das Klirren im Trolley wohl vom Nachschub kam und spürte förmlich die Scham der älteren Dame neben mir. Sie wäre mich gerne früher losgeworden, aber ich war zu blind, das zu sehen…