Ich meine, dass man ohne eine unabhängige Instanz - "Richter", wenn man so will - eine Schuld unmöglich feststellen kann. (Schwarmwissen in einem Forum geht zur Not auch.)
Weil da geht es schon sehr ins Grundsätzliche: Wie weit sind wir bereit für unser Handeln die Verantwortung zu übernehmen? Wie weit trägt eine Provokation dazu bei, auf die wir nur reagieren? Und müssen wir so und nicht anders reagieren, oder ginge es auch anders?
Ich bin ja der Ansicht, dass man für sein Handeln immer selber und allein die Verantwortung trägt (außer man handelt gemeinsam und zeitgleich mit anderen, dann teilt sie sich auf). Ja, auch wenn man reagiert. Sonst kommen wir sehr schnell in eine Abschiebung der Verantwortung und im schlimmsten Fall in eine Täter-Opfer-Umkehr ... ich brauche wohl kein Beispiel bringen.
Oder doch eines, ein fiktives (also diesmal nicht meine Ex und ich), aber wohl kein ungewöhnliches:
Paarbeziehung, Mann geht fremd. Frau kommt dahinter und trennt sich. Wer ist verantwortlich, wer ist schuld an der Trennung?
Die meisten hier würden wohl sagen: er, weil mit seinem Fremdgehen hat er die Beziehung und das Vertrauen zerstört. Ich meine, so einfach ist es nicht. Er hat sicher die Beziehung verschlechtert, dafür muss er die Verantwortung übernehmen. Seine Aktion ist seine Aktion, da gibt es kein Rausreden. Selbst wenn es mildernde Umstände gäbe (z.B. jahrelang kein Sex in der Beziehung, verführt worden usw.) - er hat es getan, aus.
Aber es ist kein Muss, dass sie deswegen Schluss machen muss. Sie hat natürlich jedes Recht dazu, besonders nach dem, was er getan hat. Aber es ist ihre Entscheidung, und dafür kann sie die Verantwortung nicht auf ihn abschieben. Es gibt genug Paare, die nach so etwas noch weitermachen, vielleicht nach einer Mediation, vielleicht sogar gestärkt.
Worauf ich hinaus will: Man kann immer nur die Verantwortung für die eigenen Taten übernehmen. Aber die muss man übernehmen! Das hat nichts mit den Ursachen zu tun, deswegen stellt sich da auch eine Schuldfrage noch nicht. Letztere wäre für mich dann die moralische Bewertung.
Und in die "Schuld" fließt dann auch hinein, ob eine Trennung, selbst wenn einseitig, wirklich so eine schlimme Aktion war. Was, wenn die Beziehung schon immer toxisch und in einer Schieflage war, und nur die Kraft für ihre Beendigung gefehlt hat?
Genauso könnte man natürlich sein Fremdgehen bewerten ... man kann immer Umstände finden, die entweder mildernd oder erschwerend wirken.
Aber die Handlung an sich - die setzt man immer selber, und das bringt man auf keinen Fall weg!
PS. Ok, noch ein Beispiel: jemand missbraucht und ermordet mein Kind. Ich gehe hin und bringe den Kerl im Überschwang meiner Gefühle um. Wird wohl jeder verstehen, trotzdem bin ich vor Gericht ein Mörder und muss mich dafür verantworten. Schuld? Gering. Verantwortung? Zu 100% bei mir. Niemand hat mich gezwungen das Schwein umzubringen, ich hätte meine Wut auch anders ausleben können.
Hat jetzt mit der Trauer nach einem Beziehungsende nicht viel zu tun, war nur zu den verwendeten Begriffen.