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Das gilt natürlich nicht für den totalen Schwulenhasser. Aber für ganz normale Typen, die wie wir alle mit Homophobie aufgewachsenen sind und einen Teil davon internalisiert haben. Und das sorgt u.a. dafür, dass man sich "heterosexuell" nennt, obwohl man ja durchaus Lust auf BDSM mit Männern hat und das auch schon gemacht hat.
Und gerade weil es nicht mit anderen Phobien gleichzusetzen ist, gibt es das eben nicht nur als klares Kranheitsbild, sondern auch in "kleinen Dosen", also Vorurteilen, Klischeedenken etc..
Aber ich verstehe jetzt, wo das Problem ist und immer wieder Diskussionen entstehen: Der Begriff ist unklar. Er ist nicht vergleichbar mit zB Höhenangst, wo Kriterien erfüllt sein müssen, Menschen im Alltag eingeschränkt sind und deswegen Threapien machen. Vielmehr wird er oft als politischer Kampfbegriff verwendet und es ärgert Menschen, wenn damit sowohl der fieseste Nazi als auch der normale besorgte Bürger bezeichnet wird.
Dass dem so ist, liegt daran, dass diese Angst und Ablehung, die der Begriff bezeichnet, sehr tief in unserer Gesellschaft steckt undd dass wir alle Teile davon in uns haben.
Ein Transmensch hat mir das sehr gut erklärt: Er hat gesagt, dass Transphobie (und Homophobie) in jedem steckt, auch in ihm selbst, und genau deshalb hat er sich ja über Jahre nicht selbst finden können und war dass Coming-Out schwer und selbst danach hatte er immer noch mit der Selbst-Akzeptanz zu kämpfen, weil er selbst eben auch transphob ist (natürlich weniger als andere Leute).
Und von Homosexuellen habe ich das auch so gehört. Die haben auch viel mit sich und der eigenen Homophobie, die sie "erlernt" haben, kämpfen müssen. Ein deutliches Zeichen davon ist, dass hier viel weniger Männer sich bisexuell nennen als Frauen, obwohl es statistisch natürlich gleich viele gibt.
Ein weiteres Beispiel: Kim de L'Horizon beschreibt in seinem mit dem dt. Buchpreis ausgezeichneten Buch, viel Sex mit Männern mit Migrationshintergrund gehabt zu haben. Über Grindr, also quasi dem schwulen Joyclub. Und diese Männer waren total homophob aufgewachsen und waren total innerlich zerrissen, weil sie für ihre Familien und Freunde den Hetero gespielt haben, aber heimlich schwulen Sex hatten. Und diese Zerrissenheit war aber auch ein großer Motor für die Geilheit.
Ja, unsere Psyche funktioniert auf sonderbare Art und Weise, und ich verstehe, dass es viele Leute erschreckt, wie wenig rational sie ist.
Hier gehst du nun noch einen Schritt weiter und sogar noch tiefer in die Philosophie hinein. Der Gedanke, dass Homophobie oder transphobie in allen steckt ist per se sehr gefährlich. Hier gehst du dann sehr stark in die moderne Dialektik der kritischen Theorie hinein. Diese ist aber per se nicht mehr falsifizierbar und damit spätestens nach popper ohne Wahrheitsgehalt.
Wenn du eine Erklärung für jede Situation voraussetzt, dann wirst du diese immer finden, was aber nicht heisst, dass sie wirklich da war.
Ich gebe dir ein Beispiel:
Ein hetero und ein homosexuelles Pärchen kommen in mein Geschäft (gleichzeitig). Ich bedine das hetero Pärchen zu erst.
Klare Erklärung, weil ich eine Homophobie verinnerlicht habe und das homosexuelle paar benachteiligen.
Selbe Situation, aber ich bedine das homosexuelle Pärchen zu erst.
Klare Erklärung, weil ich eine Homophobie verinnerlicht habe will ich das homosexuelle paar so schnell wie möglich aus dem Laden haben.
Du siehst, dass ich Post hoc mit jeder beliebigen Erklärung alles was ich will erklären kann...
Also wenn du danach suchst wirst du finden, selbst wenn es nicht da ist...
Lohnt sich mal darüber nachzudenken...
Ich empfehle Karl popper zu diesem Thema zu lesen...
Viele Grüße
Alex