Wie man sein BDSM lebt ist eine sehr individuelle Geschichte.
Warum man gerade im deutschen Bereich - in englischen Communitys hat man das meiner Erfahrung nach deutlich weniger - dauernd über das vermeintlich Richtige und Falsche diskutiert verstehe ich bis heute nicht. Manchmal kommt es mir so vor, als ginge es dabei auf der einen Seite um Unsicherheiten, denn wenn alle etwas so wie ich sehen, dann mache ich ja nichts falsch, und auf der anderen Seite um Elitarismus, denn wenn mein BDSM "das Richtige" ist, dann liegen die anderen falsch und ich gehöre zur "Elite".
Über Definitionen zu diskutieren wäre völlig okay, denn die Grenzen meiner Sprache definieren die Grenzen meiner Welt. Wortdefinitionen, Austausch untereinander, all das ist okay, so lange es nicht wertend wird. Das wird es aber leider sehr oft. Und meistens unterhält man sich dabei über hypothethische Personen, die gar nicht anwesend sind. Etwa den "falschen Dom", der eigentlich eh nicht weiß, was er da tut, bzw. die "falsche Sub", die eigentlich nur etwas mit nem Schal gefesselt werden will und deshalb denkt sie sei devot. "Wenn die mal an die richtigen Partner geraten!!!111". Ja, dann werden sie damit schon umgehen. Solche Personen sind aber in 90% der Fälle gar nicht hier unterwegs.
Gleichzeitig wundert man sich dann immer, wenn reflexartig Menschen unterstellt wird gar kein "echter Dom" oder eine "echte Sub" zu sein, sobald sie im Forum ihr BDSM anders leben als manche andere. Woher das dann wohl kommt?
Es ist doch völlig okay, wenn Menschen mittlerweile auch über die Populärliteratur auf BDSM stoßen, es also nicht mehr gänzlich als "Perversität" gesehen wird, auch wenn die Denke bei vielen Menschen dennoch vorhanden ist (unsere Gesellschaft ist oversexed, dabei aber nicht unbedingt so super tolerant wie sie sich selbst labeled). Menschen können an vielen Stellen öfter und einfacher zu ihren Neigungen stehen. Es gibt Anlaufstellen für Jugendliche, die diese Neigungen in sich entdecken (SMJG eV., etc.). Das sind alles gute Entwicklungen.
Natürlich kann es dann passieren, das jemand eine falsche Vorstellung von BDSM bekommt.
Das stört doch aber unser eigenes BDSM nicht. Diese Menschen verwässern BDSM Events idR. auch nicht. Irgendwo wurden diese Menschen einmal als "BDSM-Touristen" bezeichnet. Ich glaube das war im Buch "Sadisten" von Lydia Benecke, sicher bin ich mir aber gerade nicht. Diese Menschen interessieren sich, wurden angeheizt und neugierig gemacht, gehen dann auch mal auf einen BDSM-Event und stellen dort fest, dass das doch alles ganz anders ist, als sie sich das vorgestellt haben.
Meistens gehen die Menschen dann und kommen nicht wieder. Die Sorge, dass sie die Events, bzw. die Szene übernähmen und ihr den "echten Touch" nehmen sind, meiner Wahrnehmung nach, total unbegründet.
Viel mehr Sorgen mache ich mir über die Entmenschlichung und Kapitalisierung in der Szene, das austauschbar machen von Partnern, dass es oft bei Oberflächlichkeiten bleibt, dass es weniger um Menschen und mehr um Neigungsgehilfen geht. Das kommt aber nicht von den "Pseudos", die vielleicht eine falsche Vorstellung von BDSM hatten, sondern von durchaus gestandenen BDSMlern, die ihre Partner:innen durchwechseln wie andere ihre Unterwäsche. Was total okay ist, wenn alle damit einverstanden sind, dennoch wird in manchen Teilen der Szene ein Bild geschaffen, das suggeriert "so" sei BDSM und wenn man ein "echter BDSMler" ist, dann handhabe man die Partnerwahl so.
Gleichsam sind manche Events nur noch Modenschauen und Laufstegevents, bei denen die Einlasskontrolle genauso hoch ist wie beim P1 in München. "Sei du selbst, aber nur wenn du so aussiehst wie wir es vorschreiben und die Kleidung von den Shops trägst, die wir autorisiert haben."
Aber auch das ist alles eher oberflächliches Szenegeplänkel, welches zwar laut daherkommt, aber nicht die breite Masse der BDSMler betrifft. Diese sind meist Paare, die ihr BDSM einfach für sich leben und sich aus derlei Diskussionen komplett heraushalten.
Und darum geht es am Ende ohnehin: Das man selbst mit seinem Partner, bzw. seiner Partnerin, Spaß hat und seine Sexualität leben kann. Drauf gesch*ssen was andere davon halten.