„Offene Beziehung klingt besser. Aber Wollen ist noch lange nicht Können. Ich hatte auch meine Zeit, da war die Freundschaft Plus das, was ich zu leisten bereit war. Und das war aufrichtige Freundschaft + gelegentlicher Sex. Da lag eine 17 Jahre währende Beziehung mit Höhen und Tiefen hinter mir.
Es gibt Leute, die halte ich für prädestiniert, eine Freundschaft Plus zu haben oder mehrere gleichzeitig. Den Geist von Liebesbeziehung (mit oder ohne Öffnung) haben die aber irgendwie nicht verinnerlicht. Eine oB ist nicht das Downgrade von monogamer Beziehung, im Gegenteil, es steckt noch mehr Kommunikation und Arbeit, Anspruch und Einfühlungsbedarf darin. Nur, sie verstehen das Wir vermutlich nicht.
Eine oB ist dann u.U. ein Kommen und Gehen und keiner der Beteiligten weiß, woran er ist.
Hier würde ich gerne auch noch etwas zu kommentieren:
Als ich aus meiner Vanilla-Ehe kam dachte ich, nachdem einige Monate ins Land zogen, dass eine F+ eigentlich das optimalste wäre, weil ich etwas ähnliches parallel zu meiner geöffneten Ehe hatte.
Ich stellte aber fix fest, dass auch schon die F+ schwer sein kann, wenn das "F" nicht fest steht. Eine Freundschaft ist etwas besonderes. Es heißt ja nicht umsonst "Freundschaft+" und nicht "Bekanntschaft+". "Freundschaft" bedeutet für mich schon viel. Ich habe wenige, sehr wenige, Freunde, dafür aber viele Bekannte. Fickerei kann eine Freundschaft auch kaputt machen. Das will gut abgewogen und abgesprochen sein.
Damals kannte ich einige Menschen, die mit eher "Bekanntschaften+" gut gefahren sind, weil stets klar war worum es geht: Man hat Club- und Eventbegleitungen, trifft sich gelegentlich zum Ficken, für BDSM, etc. pp. Dann geht man wieder auseinander. Man hat halt Spaß miteinander und das möglichst offen.
Das war eine Zeit lang total okay für mich, doch irgendwann fehlte mir etwas. Heute würde ich es das "emotionale Zuhause" nennen. Das Wechselspiel um dann am Ende alleine nach Hause zu gehen ist nicht meins. Dabei verurteile ich all jene gar nicht, die damit gut können, denn auch ich konnte das in meinem Leben temporär. Aber eben nur temporär.
Wenn ich heute gefragt würde, was ich mir für ein Beziehungsmodell wünschen würde, dann muss ich stets sagen, dass das auf die Beziehungsdynamik, also auf den jeweils anderen Menschen ankommt. Vor kurzer Zeit datete ich eine Person, die sich etwas offenes nie hätte vorstellen können, dafür aber dennoch in vielen Bereichen mit meinen Kinks total kompatibel war. Da war dann der Wunsch nach einer offenen Beziehung gar nicht da.
Generell, wenn ich personenunabhängig gefragt werde, würde ich heute aber eher zu einer offenen Beziehung tendieren. Nicht weil es weniger arbeit ist. Ich finde vielmehr ebenso, dass es sogar mehr Arbeit sein kann, gerade wenn man in der offenen Beziehung zusätzlich kinks ausleben möchte. Es bedingt feste Rituale, feste Absprachen, Zusicherungen. All das, was eben mehr ist als "du vögelst mit niemand anderem". Es bedarf permanent einer Absprache unter welchen Bedingungen Fickerein mit anderen okay ist, wann auch nicht, denn auch das gibt es in offenen Beziehungen, denn sie sind nicht wahllos. Es gibt "No Go" Partner, sowie unpassende Situationen. Es gibt die Notwendigkeit zur Achtsamkeit eben auch mal nicht mit dem parallenen Fickfreund loszuziehen, wenn es gerade irgendwo drückt. Es ist nicht alles nur "Sunshine".
Ich finde lediglich, dass ich nicht von einer Person allein erwarten kann alle Kinks einer anderen Person erfüllen zu können, gerade wenn man sich mit eben jenen Kinks sehr intensiv auseinandersetzt. Das gilt für mich, wie für meine potentielle Partnerin. Sie soll die Freiheit haben, so wie ich sie erwarte. Mit allen notwendigen Absprachen. Außerdem reizen mich Vorführungen bis hin zu Überlassungen zu sehr, was wiederum nur in einer Konstellation geht, wo Sex mit anderen okay sein muss.
Das Problem an Beziehungen ist, dass immer weniger daran arbeiten wollen, sondern sich scheinbar nach cherry-picking sehnen: Alles muss perfekt sein, ohne dass man Mühe und Energie investiert. Das ist die Disney-Form der Beziehung. Die Perfekte Beziehung. Die gibt es aber nicht. Wenn man danach strebt, dann scheitert jede Beziehung, egal wie die Form auch aussehen mag.