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1. Kink
Das Lexikon sagt „unkonventionelle Sexualpraktiken“
Was ist heute und für euch noch unkonventionell? Gerne mit Beispielen für „Kinks“.
Oder ist Kink zu einem Modewort für beliebige sexuelle Vorlieben geworden?
Ich definiere Kink so, dass es sich um deviante (also abweichende, unkonventionelle) sexuelle Vorlieben handelt - konkret Paraphilien (Praktiken/Neigungen/Zustände), Fetische (unbelebte Gegenstände) und Partialismus (isolierte Körperteile). Aber mit dem Zusatz, dass es sich dabei um Vorlieben/Neigungen handelt, die konstruktiv und einvernehmlich ausgelebt werden können. Denn ich finde absolut nicht, dass gewisse schwerwiegende Sexualpräferenzstörungen, die nicht einvernehmlich ausgelebt werden können und/oder ausschließlich zerstörerisch wirken, unter dem "kinky" Umbrella laufen sollten.
Persönlich empfinde ich als deviant, was gesamtheitlich entweder eher selten ist, oder sich nicht um die für gewöhnlich im Fokus stehenden primären und sekundären Geschlechtsmerkmale dreht. Das bedeutet letztendlich auch, dass sich die Wahrnehmung, was "kinky" ist, auch ein wenig ändern kann, wenn zum Beispiel bestimmte Sexualpraktiken immer weiter verbreitet sind.
"Kink", vom Englischen Knick oder Kurve, sollte ja, soweit ich weiß, ursprünglich wirklich eine statistisch erfassbare Abweichung der Normsexualität ausdrücken. Also Vorlieben und Neigungen, die selten sind oder als ungewöhnlich im Kontext der Normsexualität wahrgenommen werden. Aber das Wort "Kink" wollte sich immer von "krank" abgrenzen.
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2. Kinky People / Kinkster
Was sind „kinky people/ Kinkster“? Seht ihr euch selbst so?
(Warum/warum nicht)
Würde sagen, Kinkster sind Leute, die eben genau diese devianten Sexualpräferenzen haben. Laut Definition bin ich kinky.
Aber persönlich habe ich keinerlei Community-Gefühl, ähnlich wie ich für mich kein Zugehörigkeitsgefühl zur LGBT-Community empfinde, obwohl ich bisexuell bin. Ich fühle mich sehr disconnected von der kinky Community, schlichtweg weil das für mich etwas so Privates geworden ist. Kinky Parties, Treffen, Events, etc. - alles nicht mein Ding.
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3. Kinky Partys
Was erwartet ihr von einer Party und den Leuten, wenn „Kinky Party“ draufsteht?
Wie sieht da für euch die gelebte Realität aus?
Ich interessiere mich nicht für solche Parties, war aber schon auf welchen (und weiß deshalb, dass sie nicht mein Ding sind). Events, die spezifisch als "Kinky Party" ausgeschrieben sind, beinhalten oft nicht mehr als Tanzen in Fetischkleidung und hier und da ein bisschen Rumgefummel. Scheint in den meisten Fällen eher ein sexpositiver Rave zu sein.
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4. Kinkshaming
Was ist für euch „Kinkshaming“ und wodurch fühlt ihr euch angegriffen?
Was haltet ihr von dem Spruch „Your kink is not my kink, but your kink is okay“?
Ich empfinde das als sehr moralisierend von oben herab, gekleidet in den Mantel der Toleranz.
Muss ich jetzt alles tolerieren, unkommentiert lassen und „ok“ finden, um kein „böser Kinkshamer“ zu sein?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es echt nirgendwo so viel Kinkshaming gibt, wie unter Kinkstern selbst.
Wer's nicht so macht, wie ich das gut finde, ist ein Dumm-Dom, eine Wunschzettelsub, ist ein Narzisst, hat eine histrionische Persönlichkeit, ist nicht echt, hat keine Ahnung, ist gefährlich, will nur seine Egonummer durchziehen, yadayada, endlose Liste.
Als "Shaming" empfinde ich es, wenn versucht wird, jemandem aufgrund seines Kinks Scham einzuflößen. Dass er oder sie sich dafür schämen soll, weil es nicht richtig/gut ist. Wohlgemerkt: Es geht mir um Kinks. Also: Einvernehmlich, konstruktiv.
Führt mich gleich hierzu weiter:
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Gibt es sogenannte Kinks, die ihr nicht ok findet und eure Toleranz / euer Verständnis dort endet? (Beispiele)
Wenn ich Kink nach meinen Maßstäben definiere - einvernehmlich, konstruktiv - dann gibt es tatsächlich keine Kinks, bei denen meine Toleranz im Allgemeinen enden würde. Also wo ich Leuten Vorwürfe machen würde. Ich könnte mich höchstens insofern abgrenzen, als dass diese Kinks eben nicht meine sind und ich kein Interesse daran habe, bzw. ich sie durchaus sogar befremdlich, eklig, etc. finde. Und ich finde, dass es auch ok ist, das für sich so zu sagen. Toleranz ist nicht Akzeptanz, Toleranz ist friedliche Nicht-Akzeptanz. Ich lehne es ab (für mich), lasse andere aber damit zufrieden und ihr Ding machen.
Das dicke
Aber:
Ich finde, dass es Dinge gibt, die unter den Kink-Umbrella geschoben werden, die ich nicht als Kinks empfinde. Und ja, da kann ich gleich ein sehr gutes Beispiel geben:
Age Regression.
Age Regression beschreibt das Phänomen, bei dem ein Mensch sich mental von seinem realen Ich löst und in einen kindlichen/jugendlichen Zustand zurückversetzt wird. Age Regression ist verbreitet im Daddy-Kinkbereich und meines Erachtens kein Kink. Denn Age Regression ist eine Dissoziation und, im Gegensatz zum Age Play, kein bewusst gespielter Zustand, sondern ein psychischer Ausnahmezustand und ich kenne nicht ein einziges Beispiel, bei dem eine Regression nicht Teil eines Copingmechanismus aufgrund von Trauma ist. Regressionen finden auch bei Menschen statt, die nichts mit dem Daddy-Bereich zu tun haben.
Die Befürwortung und Unterstützung der Regression im Daddy-Bereich ist etwas, das mich persönlich extrem anwidert, es bietet hochexplosives Missbrauchspotenzial und ich habe nicht nur einmal erlebt, dass Männer/Daddys solche Regressionen bewusst herbeigeführt haben und gar kein interesse daran hatten, dass diese Regressionen aufhören.
Über so etwas reden zu dürfen - reden zu müssen! - halte ich für wichtig. Für mich ist das kein Kinkshaming, weil es zum Einen etwas Destruktives ist (Trauma-Coping), zum Anderen im regressten Zustand keine informierte Einvernehmlichkeit eingeholt werden kann.
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Findet ihr eine kritische Diskussionen zu Kinks ok oder sollte das generell unterlassen werden?
Ich habe es hier einige Male im Forum schon erlebt, dass „Kinkshaming“ vorgeworfen wurde.
Ich finde sie absolut ok und denke, dass es auch Gelegenheit bietet, zu reflektieren und rational zu argumentieren. Ich habe Kinks, die viele wohl eher nicht so nachvollziehen können. Auf Twitter kommt es vor, dass ich manchmal Threads zu Kinks lese, in denen diese Kinkster als krank und degeniert beschimpft werden - übrigens auch von Leuten, mit denen ich gut klarkomme und vieles teile. Ich nutze das als Gelegenheit, hin und wieder die Umstände solcher Kinks zu erläutern und ein wenig zu informieren. Ich finde es aber in Ordnung, wenn jemand das trotzdem total befremdlich findet. Kinks sind nunmal nicht "normal" im Sinne von Norm. Sie sind ungewöhnlich und ganz oft sieht man auf den ersten Blick gar nicht, inwiefern das war mit Sexualität zu tun hat. Es ist ok, da irritiert zu sein und bei manchen, extremen Kinks, auch Ablehnung zu empfinden.