Vielleicht noch ein paar zusätzliche Bemerkungen:
Einige Psychologen fordern den sogenannten Alltagstest (Leben in der zukünftigen Rolle) über mindestens ein halbes Jahr und/oder schreiben die Indikation für die Hormontherapie erst nach einem halben Jahr Psychotherapie bzw. mindestens 12 Therapiesitzungen.
Das ist umstritten und ist wohl laut irgendwelchen Richtlinien nicht mehr zeitgemäß. Ich hörte von einem Psychologen (oder war es eine Psychologin?
), der/die nach
einer Onlinesitzung die begehrte Indikation ausschreibt.
Letzteres halte ich mittlerweile für unverantwortlich. Auch wenn ich mir genau das im letzten Dezember zu Beginn meiner Psychotherapie noch genauso gewünscht hätte. Ich denke, die Sitzungen mit dem Psychologen haben durchaus einen Sinn. Ob es wirklich mindestens 12 sein müssen, darüber könnte man streiten.
Soweit ich weiß, können Psychologen nicht feststellen, ob man wirklich trans ist. Warum also der Aufwand? Der oder eben die Einzige, der/die wissen kann, ob man trans ist, ist man selbst. Aber der Psychologe kann feststellen, ob man sich sicher ist und er kann dir helfen, festzustellen, ob du sicher bist. Es ist keine Schande, einen Irrtum einzugestehen. Dabei kann und soll er meiner Meinung nach helfen.
Ähnlich wichtig ist der Alltagstest meiner Meinung nach. Natürlich hat man davor Angst. Hatte ich auch. Ich hatte Angst davor, dass ich ein halbes Jahr (vor der OP sogar mindestens ein Jahr) in einer lächerlichen Verkleidung herumlaufen müsste. Das Gespött der Stadt usw. Ich bin mit den gleichen Klischees aufgewachsen, wie alle in meiner Umgebung. Und ich hatte Angst davor.
Ich war sehr angenehm überrascht, wie
richtig sich die Frauenkleidung anfühlte. Alles, was ich mir nie erlaubt hatte, war plötzlich
richtig! Das Deo und das Duschgel hatten den richtigen Geruch, die Klamotten hatten die richtige Farbe, selbst das MakeUp fühlte nach sehr kurzer Zeit richtig an.
Natürlich gibt es Leute, denen sowas nicht passt. Leute, die mobben, diskriminieren und Transgender auslachen. Und ja, das manchmal schwer zu ertragen und man könnte meinen, dass man das doch überspringen könnte.
Ihr alle, die ihr euch nicht traut: Wann wollt ihr in das neue Leben wechseln? Denn ihr wollt doch in das neue Leben wechseln? Darum geht es doch, nicht wahr? Also wann?
Nach der OP? Da habt ihr mit eurem neuen Körper genug zu tun. Da sollten die Gewohnheiten schon verinnerlicht sein.
Während der Hormontherapie? Da seid ihr vermutlich wesentlich instabiler, als jemals vor- oder nachher. Also anfälliger für Depressionen, anfälliger für Mobbing usw.
Wann, wenn nicht vorher? Ihr habt erkannt, wer ihr seid und seid (hoffentlich) psychisch stabil. Ihr wisst, was ihr wollt und wo ihr hinwollt.
Also los! Startet durch! Holt euch euren Traum!
Lasst euch nicht vom Gegenwind entmutigen. Haltet durch. Die Belohnung ist eine Freiheit, die man sich vorher nicht vorstellen kann. Vom gesteigerten Selbstbewusstsein ganz zu schweigen.
P.S.: Bei mir in der Selbsthilfegruppe meinten einige Transgender, sie würden dem Psychologen seine Richtlinien und die neuesten ICD-Dingsbumse um die Ohren hauen.
Nun ja, kann man machen... Aber er kann auch Klienten ablehnen. Und wenn er genug Leute auf der Warteliste hat, ist er im Vorteil.
Muss jeder selbst wissen, ob man sich das halbe Jahr durchbeisst oder ob man Monate mit der Suche nach einem anderen Psychologen verschwendet.