Dank und Pflicht
Nach einem universalen Grundsatz von Recht und Moral beginnt der Dank dort, wo die Pflicht endet.
Dafür, wozu jemand mir gegenüber verpflichtet ist, muß ich ihm nicht danken. Er muß es tun und wenn er es nicht tut, trifft ihn Tadel oder Strafe.
Erst, wenn jemand etwas für mich tut, wozu er nicht verpflichtet ist, was er also auch hätte unterlassen können, ohne dafür getadelt zu werden, erst dann besteht so etwas wie Verpflichtung, sich dankbar zu zeigen.
Ob und inwiefern Kinder ihren Eltern dankbar sein können, hängt also davon ab, wie weit oder eng man den Kreis der elterlichen Pflichten zieht.
Konsens besteht z.B. über die gesetzlichen Pflicht, etwa die Unterhaltspflicht. Dankbar sollten Kinder für alles sein, was über ein Durchschnitts- und Normalmaß an Sorge und Zuwendung hinausgeht.
Kinder müssen nicht für jede Selbstverständlichkeit dankbar sein, sollten aber wissen, daß nicht alles selbstverständlich ist.
Den Anspruch, Kinder sollten allein schon dafür dankbar sein, daß man sie in die Welt gesetzt hat und anschließend nicht verhungern ließ etc. etc., halte ich für eine Form von Psychoterror gegenüber den Kindern.
Eine solche theologische Form von Dankbarkeit besteht im Grunde nur Gott gegenüber, an dessen Stelle sich die Eltern dem Kind gegenüber setzen. Insofern ist die Forderung nach einer universalen Dankbarkeit des Kindes Ausdruck von Größenphantasie und schwerer narzißtischer Störung.