Ich kann nur von meinen Erfahrungen berichten. Dabei ist natürlich jede Situation anders, weil Menschen und Beziehungen, bzw. Beziehungsdynamiken anders sind. Das was bei Paar 1 an Vorgehen half hilft daher Paar 2 nicht unbedingt und ist bei Paar 3 vielleicht sogar destruktiv.
Ich war 11 Jahre in einer Stino-Beziehung, davon gute 6 Jahre verheiratet.
Meine BDSM-Neigung entdeckte ich schon vor dieser langen Beziehung und lebte sie, damals noch jugendlich experimentierend, mit einer vorherigen Partnerin und auch danach mit kurzfristigen Spielereien.
In dieser langen Partnerschaft spielte BDSM jedoch keine Rolle. Meine Exfrau war was Beziehungen angeht eher konservativ, was ich in diesem Kontext gar nicht abschätzig oder wertend meine. Sie hatte ihre Päckchen zu tragen und war der liebste und gleichzeitig verletzlichste Mensch, der mir bis dahin untergekommen war. Für sie war Monogamie gesetzt. Sie konnte sich nie vorstellen irgendetwas offenes zu leben. Das hatte auch damit zutun, dass sie einen Herzmenschen im Rahmen einer klassischen Paarbeziehung suchte, da Bindungen für sie in der Vergangenheit schwierig waren. Das korrellierte mit meinen damaligen familiären Bindungsproblemen, weshalb wir eine ziemlich paarige Paarbeziehung hatten. Also wirklich wirklich sehr Stino und gegenseitig "clingy". Natürlich hat sich das über die Jahre gelockert.
BDSM war zu der Zeit gar kein Thema. Die Beziehung erfüllte andere Aspekte und Sehnsüchte. Sex schlief irgendwann vollständig ein. Es war einfach kein Thema mehr zwischen uns, ohne dass ich nun in die Asexualität verfallen wäre. Mir war klar, dass ich diesen Menschen liebe, Liebe und Sex aber trennen kann ohne das mir damals der Gedanke gekommen wäre, dass unser emotionales Leben und unser Sexualleben einfach schon lange auseinanderdriftete, weil mir etwas fehlte.
Und ja, ich bin in der Zeit fremd gegangen, was mich wiederum immer mal wieder zerfressen hat.
Dabei möchte ich jetzt gar nicht von "Mitleid für den reumütigen Fremdgeher" anfangen. Zudem ich nicht meinetwegen Schuldgefühle hatte, sondern weil ich die Sorge hatte was es aus ihr macht, wenn sie davon erfährt. Weil ich wusste, dass sie sich vorkommen würde als würde ich ihr den Boden unter den Füßen wegziehen, obschon emotional mit anderen Menschen nie etwas lief. Das war falsch und eine Entschuldigung habe ich dafür nicht, lediglich eine Erklärung: Mir fehlte der Sex und das Sexuelle. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass ich das niemals thematisieren hätte können ohne bei ihr etwas zerbrechen zu lassen, weil mir nicht der Sex mit ihr fehlte, sondern Sex und BDSM allgemein.
Wie gesagt ist das keine Entschuldigung. Es war feige und damit eine Egonummer meinerseits. Jahrelang ist das dann auch nicht wieder passiert.
In Jahr Nummer 10 lernte ich einen Menschen kennen, der meine Neigungen wieder sehr hart triggerte und weckte. Diesmal bin ich anders vorgegangen. Ich habe mit meiner Exfrau gesprochen und das sehr ruhig. So erklärte ich, dass mich das ganze reizt, mir auch etwas fehlt und das es nicht an ihr liegt. Sie wusste, dass ich Liebe und Sex trennen konnte. Das sagte ich bereits als wir uns vor so vielen Jahren kennenlernten. Wir sprachen sehr lange darüber. Ich stellte die Öffnung der Ehe mit klaren Bedingungen in den Raum, setzte ihr aber keine Pistole auf die Brust, sondern fragte offen nach, ob sie sich das vorstellen könnte. Sie weinte, fühlte sich verletzt, erklärte, dass die ganze Ehe damit eigentlich obsolet sei, wenn es mir an etwas fehlte. Dahinter steckte die internalisierte Annahme, dass eine Beziehung entweder "perfekt" sei, also ein Partner einem anderen wirklich alles geben könnte, man alles teilt, oder sie sei "falsch" und damit ohnehin nicht richtig. Bei ihr waren sehr große Selbstzweifel da, weil sie dachte, dass sie nicht genügen und sie damit weniger geliebt werden würde. Mir war es wichtig herauszustellen, dass genau das so nicht der Fall ist.
Am Ende erbat sie einen Monat Bedenkzeit. Darauf angesprochen werden wollte sie auch nicht.
Sie sprach mit ihrem besten Freund darüber, der ihr dann mitteilte, dass er die ganze Zeit in einer offenen Beziehung lebte, weil er seinen Partner liebt, aber die beiden nicht die gleichen Neigungen haben. Das wusste sie bis dahin nicht. Die beiden müssen, so sagte sie später, lange darüber geredet haben. Dort hat sie ihre Bedenken äußern und von einer vertrauten Person Antworten bekommen können.
Nach einem Monat erklärte sie mir dann, dass gerade diese Gespräche Zweifel, gerade Selbstzweifel, bei ihr zerstreuten und sie der Öffnung zustimmen könne. Wichtig sei ihr lediglich, dass die Öffnung nur bzgl. der einen Person geschehe, die sie, wie ich anmerken muss, auch kannte, nichts mit anderen Personen passiere und nichts in ihrem Beisein. Zusätzlich würde ihre Familie nicht damit klar kommen, weshalb sie das nicht wissen müsse.
Die Ehe zerbrach am Ende, weil wir uns einfach auseinanderlebten. Zuerst dachte ich, dass es an diesem Schritt gelegen hätte, was mir gegenüber jedoch verneint wurde. Jahre später ist mir bewusst, dass wir am Ende eher "beste Freunde", die sich an ein gemeinsames Leben gewöhnt hatten, waren. Sobald wir uns trennten und auseinanderzogen entwickelten wir uns rasend schnell in völlig verschiedene Richtungen. Das kann auch passieren und muss dann okay sein. Die Monate in denen wir quasi Poly lebten, denn "offen" war diese "Öffnung mit starren Grenzen" aus meiner heutigen Sicht nicht, bzw. passt der Begriff nicht wirklich, liefen gut. Geholfen hat dabei aber auch, dass die andere Person, mit der ich wieder ins BDSM zurückkehrte, weiter weg wohnte und eine ganz andere Persönlichkeit hatte.