--- Klick ---
Ich bin 22. Wenn meine Freundinnen fragen, was ich an meinem neuen Lover finde, dann zwinkere ich und sage: Ich rebelliere gegen meine Mutter. Er ist 13 Jahre älter als ich, besitzt eine Eigentumswohnung und veranstaltet pünktlich jeden Donnerstagabend einen Brettspieltreff in seiner Wohnung. Das krasse Gegenteil von einer studierenden Lebenskünstlerin mit klimpernden Ohrringen und einem Skizzenblock unter dem Arm, die sich durch den Künstlereingang in Konzerte schleicht, deren Eintritt sie nicht bezahlen kann. Seine wildeste Rebellion gegen das Establishment besteht in einem orangenen Hemd in einer Zeit, in der jeder zweite Mann auf der Straße diese Modefarbe für sich entdeckt hat.
Die Wahrheit ist, dass es etwas anderes ist, was mich zu ihm zieht.
Wenn wir kuscheln, tut er etwas, was Freund 1 oder 2 niemals getan hätten. Ich habe keine richtigen Worte dafür. Es ist etwas in der Art, wie er mich anschaut, wie er mich berührt und auf die Matratze drückt. Ihn erregt nicht die Nähe zu mir, die Zärtlichkeit, die Intimität, sondern die Macht, die er über meinen schlanken Studentinnenkörper hat. Dieser Blick löst Resonanz in mir aus. Mein Unterleib beginnt zu glühen. Seine liebste Art von Sex besteht darin, dass er neben mir sitzt, meine Beine auseinanderdrückt und zwischen meinen Beinen herumhantiert, damit ich abgehe. Weil er jedes Mal zielsicher nach der Klitoris tastet und auf ihr herumdrückt, bereitet er mir damit oft mehr Schmerz als Lust, doch meine Pussy wird trotzdem feucht. "Nein", zische ich oft, "hör auf", doch er macht weiter. Er scheint die Macht zu genießen und ich das Gefühl, ausgeliefert zu sein.
Früher oder später komme ich jedes Mal.
Als meine WG sich auflöst, ziehe ich zu ihm, obwohl wir erst wenige Monate verpartnert sind. Zeit für ein neues Leben.
--- Klick ---
Ich bin 23, und ich gehe nicht mehr in Konzerte. Mein neuer Lover kann den Kopf nicht auf diese schüchterne Weise einziehen, wie man es muss, um sich durch den Hintereingang hineinzuschleichen und mit einem Lächeln für den Türsteher durchzukommen. Er mag meine Musik nicht, und wenn wir ausgehen, bezahlt er für mich. Mir gefällt das nicht, aber er mag die günstigen Studi-Kneipen nicht, in die er sonst mit mir gehen müsste. "Schreib es auf die Liste", sagt er jedes Mal mit einem ironischen Lächeln und einem Hauch Herablassung. "Irgendwann zahlst du es mir zurück."
Irgendwann. Abends oder nachts, wenn er eine Erektion bekommt und sie abarbeiten will. So nennt er das jedes Mal. Es spielt keine Rolle, ob ich ihn wegdrücke, den Kopf schüttele oder "Nein" zische. Er ist stärker als ich. Und ein Teil von mir, ein widerlicher, verbotener, abzuschneidender Teil genießt das Gefühl, ausgeliefert und machtlos zu sein. Inzwischen hasse ich mich dafür, dass ich jedes Mal komme, ganz egal, wie sehr ich mich am Anfang gewehrt habe.
Ich sitze in der Küche und habe eine Kerze angezündet. Freund Nummer 3 steht am Herd und macht Kürbissuppe. Der Raum ist stilvoll eingerichtet, die Wand bedeckt eine orangefarbene Mustertapete. Viel hübscher als die WGs, in denen ich früher wohnte und ein und aus ging.
"Mach den Herd aus", sage ich plötzlich. "Setz dich zu mir."
"Warum?" Irgendetwas in meiner Stimme muss entschlossen genug gewesen sein, dass er die Gasflamme tatsächlich abdreht und sich zu mir dreht.
"Wir müssen reden." Ich räuspere mich. Mit Freund 1 oder 2 war es leichter. Da hätte ich nie eine Kerze anzünden müssen, um Mut für ein solches Gespräch zu finden. Aber von einer Sekunde auf die andere ertrage ich diese Mittelstandshölle nicht mehr. "Irgendetwas zwischen uns stimmt nicht mehr."
"Was ist los, Monster?"
"Setz dich", sage ich erneut. "Es ist wichtig."
"Okay." Es ist das erste Mal seit langem, dass er auf etwas reagiert, was von mir kommt, stelle ich fest. Ich mache keine Vorschläge mehr dafür, wie wir ausgehen könnten. Sie gefallen ihm ohnehin nicht. Genauso wenig, wie es ihm gefällt, wenn ich allein losgehe und mich mit Menschen treffe, die er nicht einschätzen kann. Auch das habe ich mir mittlerweile abgewöhnt.
"Es geht darum …" Ich hole tief Luft. "Manchmal, ja? Wenn wir kuscheln. Und wenn ich dann den Kopf schüttele oder Nein sage. Ich möchte, dass du das respektierst, verstehst du? Das ist keine Aufforderung zum Weitermachen."
"Wirklich nicht?" Er lächelt, und wie so oft bilde ich mir ein, in diesem Lächeln Zynismus und Gift zu sehen. Ich blinzele, damit die Wahrnehmung verschwindet. Was ist falsch mit mir, dass ich in ihm nicht die Freundlichkeit und Güte sehen kann, von der er mir immer wieder erzählt? Er ist geduldig und nachsichtig mit mir, das sagt er mir immer wieder, und ich bin undankbar, weil ich das nicht zu schätzen weiß!
Wie in vielen Gesprächen zweifele ich auch jetzt an meiner eigenen Wahrnehmung, doch ich versuche es erneut. "Wenn ich Nein sage, ja? Bitte … Bitte … Also, bitte fass mich dann auch nicht an, ja? Ich …" Ich meine das ernst, will ich sagen, doch unter der plötzlichen eisigen Kälte in seinem Blick verstumme ich. Du merkst selbst, was für einen Unfug du redest, sagt dieser Blick. Mit dir stimmt etwas nicht. Aber sei froh, dass ich so nett bin, denn ich werde dir vergeben. "Es tut mir leid", sage ich leise. Meine Worte klirren. Mein Körper fühlt sich seltsam taub an, in Nebel gehüllt und wie das Eigentum einer fremden Person.
Wir reden weiter, doch ich verstehe die Worte nicht mehr. Und als er mich schließlich auffordert, mit ins Schlafzimmer zu gehen, stehe ich auf und folge ihm.
--- Klick ---
Ich bin 24, und ich weiß noch nicht, dass ich neun Monate später Felix begegnen werde. Felix wird einer von vielen Onenightstands sein, mit denen ich versuche, mir den Schmutz dieser zwei Jahre aus Pussy, Herz und Seele zu pimpern. Ich weiß noch nicht, dass ich in den Januarsee eintauchen und mich im eiskalten Wasser vor dem Mond verbeugen werde, um die Reinheit wiederzufinden, die mir verlorenging. Und natürlich habe ich keine Ahnung, dass ich jemanden brauche, der mich beschützt, nicht nur auf dem Weg ins eiskalte Wasser, sondern schon jetzt.
Meine früheren Freundinnen haben inzwischen ihren Abschluss. Ich dagegen strauchele seit mehr als einem Jahr. Sobald ich die Wohnung von Freund Nummer 3 verlasse, bekomme ich Panikzustände. Die Straßenlaternen und Autos, die Menschen und Zäune und Fenster, sie alle strahlen eine geheime Bedrohung aus und scheinen ihre feste Form zu verlieren, sobald ich sie aus den Augen lasse. Sie verwandeln sich in Nebel, der nach mir greift und mich vernichten will. Natürlich müsste ich mich irgendwann wieder bei meinen Freundinnen melden, doch das kommt mir entsetzlich anstrengend vor. Sie sind alle viel erfolgreicher als ich.
Ich schaffe es nur noch selten, zur Uni zu gehen.
Freund Nummer 3 geht zu meinem Erstaunen sehr liebevoll damit um. "Wenn du bald durch die Abschlussprüfung gefallen bist, dann … Dann suchen wir dir hier in der Nähe eine Stelle. Ich habe schon gesehen, dass sie bei Lidl eine Verkäuferin suchen, vielleicht wäre das etwas für dich?"
Ich starre ihn verwirrt an. Verkäuferin? Das ist ein ehrenhafter Beruf, aber nicht meiner. Ich bin Grafikdesignerin. Irgendwann werde ich meine eigene Firma haben, das … das ist doch … So war das immer geplant!
Erklärend fügt er hinzu: "Du solltest bald mit dem Suchen anfangen, damit du mir nicht für den Rest deines Lebens auf der Tasche liegst und immer neue Schulden machst. Aber keine Sorge, ich helfe dir dabei."
"Das kannst du nicht ernst meinen", sage ich tonlos. "Ich zahle jeden Monat meinen Anteil an der Miete."
"Und ich bezahle deine Rechnung, wann immer wir ausgehen, weil du das aktuell nicht kannst. Genau wie unseren Urlaub. Inzwischen sind es … etwa eineinhalbtausend Euro, die aufgelaufen sind. Ganz genau habe ich nicht mitgezählt."
In diesem Augenblick begreife ich endlich, dass ich gehen werde.
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Ich bin 22. Wenn meine Freundinnen fragen, was ich an meinem neuen Lover finde, dann zwinkere ich und sage: Ich rebelliere gegen meine Mutter. Er ist 13 Jahre älter als ich, besitzt eine Eigentumswohnung und veranstaltet pünktlich jeden Donnerstagabend einen Brettspieltreff in seiner Wohnung. Das krasse Gegenteil von einer studierenden Lebenskünstlerin mit klimpernden Ohrringen und einem Skizzenblock unter dem Arm, die sich durch den Künstlereingang in Konzerte schleicht, deren Eintritt sie nicht bezahlen kann. Seine wildeste Rebellion gegen das Establishment besteht in einem orangenen Hemd in einer Zeit, in der jeder zweite Mann auf der Straße diese Modefarbe für sich entdeckt hat.
Die Wahrheit ist, dass es etwas anderes ist, was mich zu ihm zieht.
Wenn wir kuscheln, tut er etwas, was Freund 1 oder 2 niemals getan hätten. Ich habe keine richtigen Worte dafür. Es ist etwas in der Art, wie er mich anschaut, wie er mich berührt und auf die Matratze drückt. Ihn erregt nicht die Nähe zu mir, die Zärtlichkeit, die Intimität, sondern die Macht, die er über meinen schlanken Studentinnenkörper hat. Dieser Blick löst Resonanz in mir aus. Mein Unterleib beginnt zu glühen. Seine liebste Art von Sex besteht darin, dass er neben mir sitzt, meine Beine auseinanderdrückt und zwischen meinen Beinen herumhantiert, damit ich abgehe. Weil er jedes Mal zielsicher nach der Klitoris tastet und auf ihr herumdrückt, bereitet er mir damit oft mehr Schmerz als Lust, doch meine Pussy wird trotzdem feucht. "Nein", zische ich oft, "hör auf", doch er macht weiter. Er scheint die Macht zu genießen und ich das Gefühl, ausgeliefert zu sein.
Früher oder später komme ich jedes Mal.
Als meine WG sich auflöst, ziehe ich zu ihm, obwohl wir erst wenige Monate verpartnert sind. Zeit für ein neues Leben.
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Ich bin 23, und ich gehe nicht mehr in Konzerte. Mein neuer Lover kann den Kopf nicht auf diese schüchterne Weise einziehen, wie man es muss, um sich durch den Hintereingang hineinzuschleichen und mit einem Lächeln für den Türsteher durchzukommen. Er mag meine Musik nicht, und wenn wir ausgehen, bezahlt er für mich. Mir gefällt das nicht, aber er mag die günstigen Studi-Kneipen nicht, in die er sonst mit mir gehen müsste. "Schreib es auf die Liste", sagt er jedes Mal mit einem ironischen Lächeln und einem Hauch Herablassung. "Irgendwann zahlst du es mir zurück."
Irgendwann. Abends oder nachts, wenn er eine Erektion bekommt und sie abarbeiten will. So nennt er das jedes Mal. Es spielt keine Rolle, ob ich ihn wegdrücke, den Kopf schüttele oder "Nein" zische. Er ist stärker als ich. Und ein Teil von mir, ein widerlicher, verbotener, abzuschneidender Teil genießt das Gefühl, ausgeliefert und machtlos zu sein. Inzwischen hasse ich mich dafür, dass ich jedes Mal komme, ganz egal, wie sehr ich mich am Anfang gewehrt habe.
Ich sitze in der Küche und habe eine Kerze angezündet. Freund Nummer 3 steht am Herd und macht Kürbissuppe. Der Raum ist stilvoll eingerichtet, die Wand bedeckt eine orangefarbene Mustertapete. Viel hübscher als die WGs, in denen ich früher wohnte und ein und aus ging.
"Mach den Herd aus", sage ich plötzlich. "Setz dich zu mir."
"Warum?" Irgendetwas in meiner Stimme muss entschlossen genug gewesen sein, dass er die Gasflamme tatsächlich abdreht und sich zu mir dreht.
"Wir müssen reden." Ich räuspere mich. Mit Freund 1 oder 2 war es leichter. Da hätte ich nie eine Kerze anzünden müssen, um Mut für ein solches Gespräch zu finden. Aber von einer Sekunde auf die andere ertrage ich diese Mittelstandshölle nicht mehr. "Irgendetwas zwischen uns stimmt nicht mehr."
"Was ist los, Monster?"
"Setz dich", sage ich erneut. "Es ist wichtig."
"Okay." Es ist das erste Mal seit langem, dass er auf etwas reagiert, was von mir kommt, stelle ich fest. Ich mache keine Vorschläge mehr dafür, wie wir ausgehen könnten. Sie gefallen ihm ohnehin nicht. Genauso wenig, wie es ihm gefällt, wenn ich allein losgehe und mich mit Menschen treffe, die er nicht einschätzen kann. Auch das habe ich mir mittlerweile abgewöhnt.
"Es geht darum …" Ich hole tief Luft. "Manchmal, ja? Wenn wir kuscheln. Und wenn ich dann den Kopf schüttele oder Nein sage. Ich möchte, dass du das respektierst, verstehst du? Das ist keine Aufforderung zum Weitermachen."
"Wirklich nicht?" Er lächelt, und wie so oft bilde ich mir ein, in diesem Lächeln Zynismus und Gift zu sehen. Ich blinzele, damit die Wahrnehmung verschwindet. Was ist falsch mit mir, dass ich in ihm nicht die Freundlichkeit und Güte sehen kann, von der er mir immer wieder erzählt? Er ist geduldig und nachsichtig mit mir, das sagt er mir immer wieder, und ich bin undankbar, weil ich das nicht zu schätzen weiß!
Wie in vielen Gesprächen zweifele ich auch jetzt an meiner eigenen Wahrnehmung, doch ich versuche es erneut. "Wenn ich Nein sage, ja? Bitte … Bitte … Also, bitte fass mich dann auch nicht an, ja? Ich …" Ich meine das ernst, will ich sagen, doch unter der plötzlichen eisigen Kälte in seinem Blick verstumme ich. Du merkst selbst, was für einen Unfug du redest, sagt dieser Blick. Mit dir stimmt etwas nicht. Aber sei froh, dass ich so nett bin, denn ich werde dir vergeben. "Es tut mir leid", sage ich leise. Meine Worte klirren. Mein Körper fühlt sich seltsam taub an, in Nebel gehüllt und wie das Eigentum einer fremden Person.
Wir reden weiter, doch ich verstehe die Worte nicht mehr. Und als er mich schließlich auffordert, mit ins Schlafzimmer zu gehen, stehe ich auf und folge ihm.
--- Klick ---
Ich bin 24, und ich weiß noch nicht, dass ich neun Monate später Felix begegnen werde. Felix wird einer von vielen Onenightstands sein, mit denen ich versuche, mir den Schmutz dieser zwei Jahre aus Pussy, Herz und Seele zu pimpern. Ich weiß noch nicht, dass ich in den Januarsee eintauchen und mich im eiskalten Wasser vor dem Mond verbeugen werde, um die Reinheit wiederzufinden, die mir verlorenging. Und natürlich habe ich keine Ahnung, dass ich jemanden brauche, der mich beschützt, nicht nur auf dem Weg ins eiskalte Wasser, sondern schon jetzt.
Meine früheren Freundinnen haben inzwischen ihren Abschluss. Ich dagegen strauchele seit mehr als einem Jahr. Sobald ich die Wohnung von Freund Nummer 3 verlasse, bekomme ich Panikzustände. Die Straßenlaternen und Autos, die Menschen und Zäune und Fenster, sie alle strahlen eine geheime Bedrohung aus und scheinen ihre feste Form zu verlieren, sobald ich sie aus den Augen lasse. Sie verwandeln sich in Nebel, der nach mir greift und mich vernichten will. Natürlich müsste ich mich irgendwann wieder bei meinen Freundinnen melden, doch das kommt mir entsetzlich anstrengend vor. Sie sind alle viel erfolgreicher als ich.
Ich schaffe es nur noch selten, zur Uni zu gehen.
Freund Nummer 3 geht zu meinem Erstaunen sehr liebevoll damit um. "Wenn du bald durch die Abschlussprüfung gefallen bist, dann … Dann suchen wir dir hier in der Nähe eine Stelle. Ich habe schon gesehen, dass sie bei Lidl eine Verkäuferin suchen, vielleicht wäre das etwas für dich?"
Ich starre ihn verwirrt an. Verkäuferin? Das ist ein ehrenhafter Beruf, aber nicht meiner. Ich bin Grafikdesignerin. Irgendwann werde ich meine eigene Firma haben, das … das ist doch … So war das immer geplant!
Erklärend fügt er hinzu: "Du solltest bald mit dem Suchen anfangen, damit du mir nicht für den Rest deines Lebens auf der Tasche liegst und immer neue Schulden machst. Aber keine Sorge, ich helfe dir dabei."
"Das kannst du nicht ernst meinen", sage ich tonlos. "Ich zahle jeden Monat meinen Anteil an der Miete."
"Und ich bezahle deine Rechnung, wann immer wir ausgehen, weil du das aktuell nicht kannst. Genau wie unseren Urlaub. Inzwischen sind es … etwa eineinhalbtausend Euro, die aufgelaufen sind. Ganz genau habe ich nicht mitgezählt."
In diesem Augenblick begreife ich endlich, dass ich gehen werde.
--- Klick ---