Das Partylicht malt düsterbunte Schatten in den Raum zwischen Tresen und Lounge. Ich bleibe in der Tür und blicke mich um. Meine Freundin ist nirgendwo zu sehen. Felix steht zwischen zwei Männern und betrachtet den Raum angelegentlich. Im Durchgang zwischen drinnen und draußen scheine ich unsichtbar für ihn zu sein, denn sein Blick gleitet über mich hinweg. Das gefällt mir nicht und ich trete in den Raum. Meine Heels verleihen mir eine stolzere Haltung als die meines alltäglichen Turnschuh-Ichs, und meine gelockten Haare fallen weich über meine Schultern.
Sein Blick kehrt zurück zu mir. Mustert mich von Kopf bis Fuß, ohne Blickkontakt zu mir aufzunehmen. Ich gehe zum Tresen, langsam, behaglich, im Wissen darum, dass sein Blick mir folgt, und bestelle eine Cola mit Rum. Erst, als ich die Bestellung aufgegeben habe, drehe ich ganz leicht den Kopf und mustere Felix unter den Augenwinkeln.
Jetzt erwidert er den Blick. Einladung verstanden, sagt er wortlos. Gib mir einen Moment. Ich bin kein Hampelmann, an dessen Fäden du ziehen kannst, aber ich habe Interesse an dir.
Zufrieden wende ich mich der blauhaarigen Frau zu, die meinen Drink mixt und mein Geld in Empfang nimmt. Nicht zu viel denken, ermahne ich mich. Das hier ist unvertrautes Gebiet. Es fühlt sich anders an als bei anderen Flirts. Aber was auch immer es wird ... es macht, dass ich aufrechter stehe.
Als Felix kurz danach neben mir steht und ebenfalls einen Drink bestellt, kann ich es kaum glauben. So funktioniert es normalerweise nicht, wenn ich flirte. Normalerweise bin ich viel zu extrovertiert, um von Männern angesprochen zu werden. Entweder schlage ich sie in die Flucht, ohne es zu wollen, oder sie lehnen sich zurück und freuen sich daran, dass ich den ersten Schritt mache. Das ist für mich so vertraut wie atmen. Zu einer Freundin habe ich mal im Scherz gesagt, dass ich so zumindest sicherstelle, dass sich kein Typ in meine Nähe verirrt, den ich da nicht haben will.
Das hier ist anders. Es fühlt sich an, als müsse ich nichts tun. Er steht jetzt neben mir, und er strahlt Präsenz aus, die mich beruhigt und auf warme Weise erdet. Ein schönes Gefühl. Ich werde kostbarer dadurch. Offenbar bin ich für diesen Mann wertvoll genug, dass er seine Freunde stehen lässt und nach einem kurzen Blick zu mir erst mal ein Hefeweizen bestellt.
"Bist du häufiger hier?", fragt er mich, während die blauhaarige Frau die Flasche öffnet und den Inhalt langsam ins Glas fließen lässt.
"Hin und wieder", gebe ich zurück. "Und du?"
Wir haben gemeinsame Bekannte, würde ich gern sagen. Ich weiß, wer du bist. Was du bist. Und du, kennst du mich? Kannst du in meinen Augen lesen, wonach ich mich seit Jahren sehne und was mir noch nie ein Mann geben konnte?
"Kommt schon mal vor." Er lächelt. Es liegt nichts Verletzliches in diesem Lächeln, während sich meine Beine in Wackelpudding verwandeln.
Von meiner gewohnten Schlagfertigkeit ist nichts geblieben. "Schickes Hemd", versuche ich es trotzdem und realisiere zu spät, dass ich damit auch Codes gebrochen habe. Es ist der Mann, der einer Frau ein Kompliment für ihr Outfit machen soll, nicht andersherum. Aber was hätte ich stattdessen tun sollen?
Er fragt mich, ob ich Lust habe, mich ein wenig in die Lounge zu setzen und zu plaudern. Da meine Absätze mir Wadenschmerzen verursachen, stimme ich gern zu. Als er mir seinen Arm für den Weg nach oben reicht, fühlt sich das bereits natürlich und vertraut an.
"Wie kommst du eigentlich nach Hause?", fragt er mich, nachdem wir unsere Lieblingssongs und -filme durchgequatscht haben und ich ihm anvertraut habe, dass ich früher davon träumte, als Astronautin auf den Mars zu fliegen.
Ich zucke mit den Schultern. "Öffis." Nicht schön, aber alles, was ich mir als Studentin leisten kann.
"Das ist nachts bestimmt schwierig, oder? Da fährt doch kaum noch was."
Ich zucke mit den Schultern. "Muss nachher mal gucken, welche Bahn ich nehme. Aber ja, du hast recht, um diese Zeit ist das immer mörderisch. Vor allem, wenn man umsteigen muss." Zweimal. Aber das sage ich ihm nicht. Wer feiern will, muss auch Bus fahren, sagt man nicht so?"
Er lacht. "Wenn du möchtest, kann ich dich mitnehmen und absetzen."
Ich zucke zusammen. Halb werde ich weich, halb verlegen. "Das ist doch voll der Umweg für dich. Ich wohne in einem Kuhdorf außerhalb. Mit dem Auto ist es fast eine Dreiviertelstunde, sogar, wenn man gut durchkommt." Und mit Öffis mehr als anderthalb, an die ich nie zu denken versuche, wenn ich feiern bin.
"Ich möchte aber, dass du sicher nach Hause kommst. Da draußen sind manchmal seltsame Menschen unterwegs."
Ich mag die Art, wie er mich ansieht. Es liegt etwas Festes darin, was weder fordert noch überfordert. Sanfte Kraft und Beschützerstärke. Wenn ich möchte, wird er mich wirklich einfach nach Hause fahren, vielleicht noch einen Kuss auf die Wange geben und dann weiterfahren. Auf jeden Fall fühlt es sich so an. In seinem Blick liegen Sicherheit und Halt. So habe ich mich noch nie bei einem Mann gefühlt, obwohl es bereits einige in meinem Leben gab. Irgendetwas in mir wird weich, was bisher verhärtet war und von mir angekettet und unter Kontrolle gehalten wurde.
"Das wäre nett von dir", sage ich leise.
Er lächelt und zieht mich an sich, damit ich den Kopf an seine Schulter legen kann.