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Meiner Ansicht nach kann man dem aber selbst entgegenwirken, wenn man reflektiert, dadurch Bewusstsein schafft und sich somit selbst erdet. Sprich: wissen was man wirklich will, dankbar sein, neue Ziele formulieren, für sich einstehen und auch Haltung zeigen, usw. Denn wenn man einen inneren Kompass hat läuft man weniger Gefahr in Suchtverhalten abzurutschen.
Nicht böse sein, aber das ist die Sicht auf Sucht von gesunden Menschen und nicht weit entfernt von: "Wenn man aufhören will, soll man es einfach lassen."
In des Pudels Kern klingt das unglaublich sinnhaft, aber wir sind keine Pudel.
Sucht bedeutet eben auch, dass Dinge sich ändern. Hormone spielen eine Rolle und damit Chemikalien und Elektrizität. Wenn man den Menschen als eigenes Ego begreift, der sich selbst zu steuern vermag, landen wir schnell bei Einsteins "Vernunftbegabung", aber eine Begabung ist noch keine Ausführung.
Ein Süchtiger kann eben oft nicht durch die vielzitierte Geisteskraft einfach so eine Veränderung herbeiführen. Die Gehirnchemie gibt Anderes vor. Ein Suchtgehirn funktioniert nicht so. Und damit ist man weder irre, noch vernunftberaubt oder sonst irgendwie gestört, sondern erst mal einfach anders.
Wenn Du mit dieser Einstellung an echte Sucht herangehst (und damit meine ich nicht die oft zwecks Kokettiererei kolportierte Sucht), wirst Du grandios scheitern. Dann wäre ja auch eine Gürtelrose schnell beendet: Man entschließt sich einfach, keine haben zu wollen.
Wenn Du Menschen als das begreifst, was sie sind: Biochemische Reaktionen, die durch Elektrizität und zwingend ablaufende chemische Prozesse am Laufen gehalten werden, sieht die Sache schnell anders aus, denn Dein Ego und Deine Selbstbestimmung kommen nicht aus göttlichem Odem, sondern schlicht aus einer Illusion Deiner Biochemie. Mit ein paar Milligramm von diesem oder jenem Stoff (Hormone) mach ich aus Dir binnen 4 Wochen einen vollkommen anderen Menschen.
So etwas wie gesund gibt es in der Hirnforschung nicht. Funktion im Rahmen normaler Parameter schon. Was normal ist? Empirische Demagogie. Die Kraft des Normativen.
Warum ich diesen ganzen Stuss off-topic absondere? Hier meine Meinung dazu:
Wenn Du denkst, dass ein Mensch, der süchtig ist, auf Basis "normaler vernunftbegabung" sich selbst steuern kann, dann machst Du - ja, meiner Meinung nach - einen gewaltigen Fehler. Süchtige sind weder irrational, noch geistig unzurechnungsfähig. Sie sind erstmal nur an einer Stelle anders. Ich kannte Süchtige, die das wussten und nicht mal daran dachten, etwas daran zu ändern, weil das nunmal der Weg war, den sie für sich ausgeguckt hatten. So it may be. Solange sie das nicht ändern wollen, hast Du keine Aktien in deren Leben.
Der nächste Schritt selbsterklärter "gesunder, normaler Menschen" ist dann zu glauben, dass man einen Süchtigen retten kann, der nicht gerettet werden will. Das wäre so, als ob ich Dir notfalls mit Gewalt über ein Straße helfe, die Du gar nicht überqueren wolltest, nur weil ICH der Meinung bin, dass Du besser auf der anderen Seite wärst. Der Grund ist nur meist, dass der Helfer nicht klar kommt und der Süchtige das Problem lösen muss. Im Ergebnis ist das nicht nur arrogant und übergriffig, sondern provoziert das Gegenteil des Gewünschten als Reaktion.
Das was Du "Problem der Selbstregulation" nennst, ist ein aus externer Sicht eigenschädliches Verhalten. Aber das ist DEINE Sicht und hat nicht den nötigen Respekt vor DEREN Sicht.
Die ganze Menschheit sägt nicht nur an dem Ast, auf dem sie sitzt, sondern hüpft dabei auch noch auf und ab. Keiner, der in Deutschland ein zivilisiertes Leben führt, sollte irgendwem sagen, was vernünftig ist oder nicht, denn unsere Gesellschaft lebt ganz sicher nicht vernünftig. Da nützt auch ein Elektroauto-Leasing-Vertrag nix.
Vielleicht...das ist aber nur eine provokative These...ist ja der, der als gesund gilt und mit sich und der aktuellen Welt im Reinen ist, der eigentlich Kranke.
Und erneut entschuldige ich mich für den Off-topic-Charakter und halte jetzt auch die Tastatur.