Ein herzliches "Hallo" an Euch alle !
Nun, ich erinnere mich, dass Ende der 80er Jahre eine Fachperson - ich weiß leider nicht mehr wer - die These aufgestellt hat, dass wir in D und Mitteleuropa im "Zeitalter der Sucht" leben würden. DAS hat damals alle Lebensbereiche der Menschen der gutsituierten Gesellschaften in der nordwestlichen Hemisphäre betroffen und es war ein gewagtes und starkes Statement, dem ich damals zustimmen konnte ... und das, meiner Wahrnehmung nach, aktuell eine noch größere Bedeutung hat, als damals.
Eine weitere - in dieser Zeit als wissenschaftlich bezeichnete These: (Alle) Männer denken jeden Tag (innerhalb von 24 Stunden) zweitausendfünfhundert- bis dreitausendmal an Sex. Ein Tag hat 24 Stunden, die Stunde 60 Minuten - das sind 1440 Minuten ... das bedeutet, dass ein Mann rund alle 30 Sekunden an Sex denkt. Was damit zu tun habe, dass dies eine biologische Veranlagung wäre. Ich habe das damals schon nicht verstanden, weil ich mich anders erlebte und wahrgenommen hatte ... und aus heutiger Sicht ist diese These zumindest tendenziell - wenn nicht gar ganz klar - sexistisch. Das war ja auch die Zeit, in der Männern in sehr vielen Fällen nicht zugetraut wurde, dass sie ihre Vater-Rolle für die Kinder gut und menschlich erfüllen konnten. Vereinfacht könnte mensch sagen: Männer sind grundsätzlich sexsüchtig und können daher die Verantwortung ihrer männlichen Eltern-Rolle nicht wirklich übernehmen und zum Wohle der Kinder ausfüllen.
Es gibt - das ist meine Wahrnehmung - klare Unterschiede, was den öffentlichen Diskurs anbetrifft, wenn es um die Frage geht, was Sucht ist. Aber das ist wenig hilfreich und mensch sollte sich davon nicht irritieren lassen. Die Psychologie hat diesbezüglich klare Einordnungen, auf die mehrere Vorschreibenden schon hingewiesen haben.
Wenn sich Dein Handeln für Deine Leidenschaft so gestaltet/entwickelt, dass es Deinen Job, Deine finanzielle finanzielle Situation, Dein soziales Umfeld und/oder Deine Beziehungen so sehr beeinflusst, dass Du dort Vieles bis alles vernachlässigst, opferst und Du in eine gefährliche Situation gerätst, an derem Ende extreme Notsituationen drohen, in denen nichts mehr geht, Du Deine Aufgaben nicht mehr erfüllen kannst und Beziehungen reihenweise auseinanderbrechen ... für die Erfüllung Deiner Leidenschaft ... dann hat es höchstwahrscheinlich mit dem Thema "Sucht" zu tun - was in jedem Einzelfall aber - immer - von einer Person mit Fachkenntnissen "diagnostiziert" werden sollte/muss.
Jetzt komme ich zur Frage des Themenerstellers:
Was das Thema "Sexsucht" anbetrifft - was aktuell auch mit dem Label "Polyamorie" versehen wird - gestehe ich, dass ich in meinem Leben verschiedene Situationen und Beziehungen hatte, in denen dieses Thema eine Rolle gespielt hat. Ich bin also weit entfernt davon, dass ich sagen könnte, Tendenzen von "Sex-Sucht" hätten in meinem Leben nie eine Rolle gespielt!
Deshalb bin ich da - für mich und mein Leben - ganz klar: Wenn meine "Leidenschaft" für mich so wichtig wird, dass sie auch nur einen Bereich meines beruflichen, finanziellen, sozialen und meines Beziehungs-Lebens derart bestimmt, dass es in einem dieser Bereiche zu Problemen führt ... dann ist das eindeutig krankhaft! Damit ist keine/r ... insofern sie/er es für sich so wahrnimmt, hilflos auf sich allein gestellt! Da gibt es zahlreiche Hilfs-Angebote, die mensch einfach nur anschreiben und anfragen muss, wenn mensch so weit ist, dass sie/er sich helfen lassen will.
Ich habe eben in meinem Leben schon Vieles erlebt: In einer langjährigen Beziehung und Ehe war diese Dimension - meine vergleichsweise starke sexuelle Lust - für eine gute Zeit lang eine Bereicherung. Was eine Phase war. Und danach - als das nicht mehr passte - haben wir zusammen eine Sexualität gelebt, die uns beiden getaugt hat. In einer anderen Beziehung habe ich meine starke Lust obszessiv ausgelebt, was zum Problem wurde. Ich hätte damals nie in Kathegorien von "krankhaft" gedacht ... aber im Nachhinein sage ich, dass es für uns beide nicht "gesund" war.
Wenn es um das Thema "Sucht" geht, muss mensch sehr ehrlich mit sich selbst sein. Was den meisten süchtigen Menschen erst dann gelingt, wenn sie sprichwörtlich "am Arsch" sind. Ich weiß es aus meiner eigenen Lebensgeschichte und aus den Lebensgeschichten von guten Freunden: Dass dein persönliches Problem ein Suchtproblem sein könnte, ist so ziemlich die allerletzte Option, die es überhaupt gibt.
Deshalb vote ich schlussendlich klar für "Krankheit".