Raven - Episode 3
Kapitel 6: Federteaser„Mein Gott, Dougal…“ Mir fehlen die Worte. Die schiere Höhe dieses alten Dachboden-Raums hat mich immer beeindruckt. Da hatte ich allerdings nicht bedacht, wie lebensgefährlich es wäre, von einem Balken zu stürzen. Schließlich hatte ich nie vor, da oben herumzuturnen. Schon gar nicht in erotischer Absicht.
Auch das Lächeln meines Partners in Crime wirkt etwas zittrig. „Ich glaube, wir müssen das noch ein bisschen üben“, murmelt er.
„Das Vögeln?“
„Die Verwandlung!“ Offenbar ist ihm gerade nicht nach Scherzen zumute. „Das eben war jedenfalls nicht exakt das, was ich unter kontrolliert verstehe.“
„Aber jedenfalls wissen wir jetzt, dass es funktioniert“, erwidere ich nachdenklich. „Sogar in der Kombination Geilheit plus Gelächter.“
„Wundert mich nicht. Die Kombi ist ohnehin unschlagbar.“
„Absolut.“
Wir hängen für einen Moment unseren Gedanken nach. Nackt auf dem Boden liegend, mein Kopf auf seiner Schulter. Ich habe mich ihm seitlich zugewandt, Bauch und Brüste an ihn geschmiegt. Mein rechtes Bein liegt quer über seinen. Obwohl das hier auf den harten Dielen nicht sonderlich bequem ist, obwohl wir Winter haben und schon das letzte Tageslicht durch die Dachluken sickert, möchte ich gerade nirgendwo anders sein. Einfach hier liegen und spüren, wie die Anspannung nachlässt und der Schreck verfliegt. In Sicherheit. Zumindest für den Moment. Und nicht allein.
Dougal scheint es ähnlich zu gehen. Er legt den Arm um mich und mustert mich mit einer Mischung aus Lächeln und Kopfschütteln. „Was ist eigentlich los mit uns?“, murmelt er. „Seit ich Dich kenne, ist irgendwie permanent Ausnahmezustand.“
„Danke, gleichfalls!“
„Wenn ich das vorher gewusst hätte…“
„Dann hättest Du Dich von mir ferngehalten und eine andere Frau mit seiner magischen Schnabelattacke beglückt?“
„Nee!“ Die Antwort kommt erfreulich spontan. „Aber vielleicht hätte ich vorher ein Aufbaupräparat genommen oder so. Für die Nerven.“
„Ich dachte schon für die Potenz“, stichele ich.
Er schnaubt. „Keine Sorge, damit ist vorerst alles in Ordnung. Beweis gefällig?“
„Verlockendes Angebot, aber…“
„Ich weiß.“
Wir spüren es beide. Es ist jetzt nicht der Moment für wilde Ekstase. Oh ja, die erotische Spannung zwischen uns ist noch da. Aber sie hat ein paar Gänge zurückgeschaltet. Auf ein sanftes Schnurren wie von einer zufriedenen Katze. Träge streckt Dougal die Hand aus und hebt eine der glänzenden Federn auf, die wir im Eifer des Gefechts verloren haben. Hauchzart streicht er mir damit über die Haut. Lässt sie meinen Rücken hinauf wandern, dann über die Schulter zum Hals. Lächelnd beobachtet er meine Reaktion. Versucht, in meinen Augen zu erkennen, welche Stellen am empfindlichsten reagieren. Die Halsbeuge zweifellos. Und die Partie über dem Schlüsselbein…
„Hmmmmmhhhh.“ Wenn es nach mir geht, braucht er damit für die nächsten paar Stunden nicht aufzuhören. Ich drehe den Arm so, dass er die sensible Innenseite erreichen kann. Und er nimmt die Einladung an. Die feinen Berührungen in der Region des Ellenbogens bringen mich fast um den Verstand. Ich bade in Genuss.
„Da?“ Seine Augen glitzern, und die Frage ist natürlich rhetorisch gemeint. „Oder vielleicht doch etwas weiter unten am Handgelenk?“ Im Zeitlupentempo setzt die Feder ihre Reise fort. Dougal lässt kurz meinen Blick los, um ihre Bahn zu verfolgen… und schreckt hoch, als habe ihn etwas gebissen.
Die Zeit, die eben noch träge dahin geflossenen ist wie in goldenen Honig getaucht, macht einen Satz in die Gegenwart. Die erotischen Funken erlöschen. Plötzlich herrscht wieder Alarmzustand. Der Adrenalinschub macht mich ganz schwindelig.
„Was?!“, frage ich nervös und sehe mich nach möglichen Katastrophen um.
Mond- und Laternenlicht sickern durch die Fenster und tauchen den Dachboden in trügerisches Schummerlicht. Doch ich erkenne keine Gefahr. Nichts, was Dougals schreckgeweitete Augen rechtfertigen könnte. Und er liefert auch keine Erklärung. Starrt nur sprachlos auf die Feder in seiner Hand. Die Finger, die sie halten, zittern leicht.
„DOUGAL!“ Ich packe sein Handgelenk. „Was ist los, verdammt?“
Er kommt wieder zu sich. „Entschuldige. Keine Gefahr. Jedenfalls nicht im Moment. Es ist nur…“ Sein Blick wirkt unsicher, als er mir die Feder hinhält. „Welche Farbe siehst Du?“
„Äh, schwarz?“ Langsam frage ich mich, ob dieser Tag vielleicht auch seine Nerven ein bisschen zu stark strapaziert hat.
„Wirklich?“ Er sieht mich eindringlich an. „Sieh genau hin.“
... Fortsetzung folgt ...
© Kea Ritter, Mai 2024