„„Ich glaube der beste Schutz ist seine Erwartungen sehr niedrig zu halten, nicht etwa weil man beim anderes etwas schlechtes vermutet, sondern weil man einfach nicht zu viele Gefühle in einen Menschen investieren sollte den man nicht kennt…
Bei der Formulierung bin ich hin und her gerissen.
Punkt 1: (das hin-gerissen)
Natürlich sollte man nicht mit zu hohen Erwartungen in ein Date gehen, da gehe ich voll mit.
Das Problem ist allerdings etwas komplexer:
Ich kann natürlich hohe Erwartungen an eine potentielle Partnerin haben ... aber ich kann halt von einem Date nicht erwarten, diese Erwartungshaltung zu erfüllen. Die Andere ist ein Mensch mit eigenem freien Willen, einer eigenen Geschichte und Erwartungshaltung. Es ist nicht ihre Aufgabe, meine Erwartungen zu erfüllen so wie es nicht meine Aufgabe ist, ihre Erwartungen zu erfüllen. Ich kann nur hoffen dass es passt und im Rahmen des Kennenlernens mal schauen, ob ... oder ob es da ggf. gegenseitigen Spielraum für Kompromisse gibt.
Aber ich muss mir halt schon bewusst sein, dass es ein völlig normales und legitimes Ergebnis eines Kennenlernens ist, dass man feststellt: Jetzt habe ich genug kennengelernt und zu wissen: Die ist es nicht.
Und das gleiche Recht muss ich auch ihr zubilligen, ohne daraus eine Kränkung zu inszenieren.
Punkt 2 (das her-gerissen):
Gefühle investiert man nicht! Investieren ist hier das völlig falsche Wort, denn das impliziert die Erwartung auf eine Rendite für die Investition.
Entweder man ist dazu in der Lage, Gefühle zuzulassen, dann ist man bereit für eine Beziehung ... oder eben nicht. Wer von vorn herein seine Gefühle aus Angst vor Enttäuschung unterdrückt, der darf sich nicht wundern, wenn er damit bei Anderen auch nur auf unterdrückte Gefühle trifft (oder eben auf garkeine) und damit im Grunde das Scheitern vorprogrammiert ist.
Natürlich ist das immer blöd, wenn man Gefühle zugelassen und dann auch entwickelt hat und die ggf. nicht so erwidert wurden wie erhofft, aber das ist nun mal ein Risiko, welches sich aus oben genannten Gründen nciht ausschließen lässt.
Da könnte man bestenfalls mal sebstkritisch in sich gehen und sich fragen, warum man vor lauter Gefühlen nicht genug Empathie hatte um zu merken, dass sich die Sache so einseitig entwickelt hat.
Geht mir genauso.
Ich stoße mich auch an dem Ausdruck: "Gefühle investieren".
Worin investiert man denn Gefühle?
Wenn ich einen Menschen kaum kenne, dann sind da ganz ganz viele "womöglich...".
Womöglich ist er die Art Mensch, die ich
mir wünsche. Womöglich tickt er aber auch anders.
Womöglich ist er die Art Mensch, die ich
mir erhoffe. Womöglich tickt er aber auch anders.
Womöglich ist er die Art Mensch, die ich
mir herbei sehne. Womöglich tickt er aber auch anders.
Womöglich strebt er nach demselben,
nach dem ich strebe. Womöglich strebt er jedoch in eine andere Richtung.
Wünsche, Hoffnungen, Sehnsüchte, Bestrebungen... all das gehört zu mir!
Und all das sind Dinge, die ich liebe!
Ich sehne mir ja nichts herbei, was überhaupt nicht nach meinem Geschmack ist.
Doch wenn ich all das, was da zu mir gehört - Wünsche, Hoffnungen, Sehnsüchte, Bestrebungen - Mal aus meinem Blickfeld schiebe, dann nehme ich einen Menschen war, der mir in etlichen Aspekten noch gar nicht vertraut ist.
Ja, so manches erscheint mir sehr sympathisch oder faszinierend und weckt meine Neugierde.
Da bekomme ich Lust, mich mit diesem Menschen näher zu beschäftigen.
Da bekomme ich Lust, dieses oder jenes gemeinsam mit ihm zu machen und zu erleben.
Und dann erlebe ich ja mit ihm, wie er tickt. - Vorausgesetzt er ist gefühlsmäßig weder eine Auster noch ein Verliebtheitsjunkie auf Speed.
Meine Liebe gegenüber einem Menschen, die entwickelt sich erst so nach und nach...
in vielen kleinen Schritten, in denen ich einzelne Aspekte, die ich an Menschen extrem liebenswert finde, so nach und nach tatsächlich in meinem Gegenüber gefunden habe.
Nicht selten finde ich aber auch was anderes. Aspekte, die nur so ähnlich erscheinen wie das, was ich liebe. Und so manches, was mich Abstand wahren lässt. - Ein weiteres Kennenlernen führt nun mal nicht zwangsläufig zur Liebe.
Letztendlich liebe ich - wenn ich liebe - das Gesamtpaket Mensch und das Zusammenspiel all seiner Eigenarten und Bestrebungen und eben nicht nur eine Anhäufung von ein paar einzelnen Aspekten.
Ein Mensch ist soviel mehr als die Summe seiner Teile.
Und ich liebe das, was dieser Mensch mit mir macht. Einfach indem er der Mensch ist, der er ist. Ich liebe die, die ich in seiner Nähe bin. In seiner Gegenwart fällt es mir leicht, eine bessere, eine liebenswertere Version meiner selbst zu sein.
Jedenfalls dauert es Monate bis ich anfange, einen Menschen wirklich zu lieben.
Und bis dahin: Verliebtsein ist für mich kein Dauerzustand. Ein kleiner Höhenrausch, hier und da: schön. Doch zwischen den Treffen komme ich wieder zu mir selbst zurück. Da werde ich wieder nüchtern.
Und auch während der Treffen finde ich die Übergänge vom Nüchtern-Sein zum so ein wenig Verliebtheits-Beschwippst-Sein, ab und an ein gemeinsames Verliebtheits-Rauscherlebnis und gegen Ende des Treffens wieder ein leicht beschwippster bzw. nüchterner Abschied fürs gegenseitige Kennenlernen weitaus angenehmer.
Ich mag es schlicht und ergreifend nicht, einen anderen Menschen ausschließlich im Verliebtheitsvollrausch kennenzulernen. - Mal ganz davon abgesehen, dass dabei mein eigentliches Leben viel zu sehr auf der Strecke bliebe: Dieser Verliebtheitsrausch ist sowieso endlich. Und eines Tages kommt zwangsläufig das böse Erwachen.
Und ich fühle mich verarscht, wenn Männer, die mich kaum kennen, mir ach so große Liebesgeständnisse machen. Ich sei die Frau seines Lebens bla bla bla
Da fühle ich mich nicht gesehen.
Da fühle ich mich als Leinwand für all seine Wünsche missbraucht.
Da meldet sich mein Fluchtinstinkt.
Und tägliches Schmachten und Säuseln via Fernkommunikation - nur damit einer dieser Verliebtheitsjunkies zwischen den Treffen seinen dauerhaften Rauschzustand aufrecht erhalten kann - ist auch nicht mein Ding.
"Hey. Reiß dich mal zusammen. Bis dato konntest du auch ohne mich leben. Also tu nicht so als sei es ein Weltuntergang, wenn ich mich mal ein paar Tage auf mein eigenes Leben konzentriere."
Ja. Verliebtsein ist psychologisch betrachtet ein endogener Rauschzustand.
Und Vorwürfe - inklusive der Formulierung doch "Gefühle investiert zu haben" - kamen regelmäßig aus der Ecke der Männer, die diesen Rauschzustand anstrebten. Nie aus der Ecke der Männer, die echtes Interesse am gegenseitigen Kennenlernen und Beziehungsaufbau zeigten. - Sich also auch kennenlernen ließen, indem sie mir gegenüber echte Gefühlsreaktionen zeigten und für ihre eigenen Interessen einstanden, statt auf Teufel komm raus, ihren Verliebtheits-Rausch-Zustand aufrecht zu erhalten.
Ich interessiere mich nicht für die Verliebtheitsjunkies, die im Rauschzustand zu allem "Ja und Amen" sagen beziehungsweise selbst ganz tolle Ideen zur Beziehungsgestaltung haben. Doch nach Monaten - wenn der Rausch zwangsläufig nachlässt - "Mimimi, das habe ich doch alles nicht gewollt. Du hast mich manipuliert. Das habe ich alles nur dir zuliebe getan.", machen.
Verliebtheitsjunkies investieren nichts in den Beziehungsaufbau.
Vor allem keine Gefühle.
Verliebtheitsjunkies investieren bloß Gefühle in ihren Verliebtheitsrausch.
Nicht mehr und nicht weniger.