Die Frau im Supermarkt
Bäm hat es gemacht, sagst du.Bäm. Und alles, was zwischen uns war und werden wollte, verpufft im Nichts.
Die berühmte Begegnung im Supermarkt.
Vier Wochen hast du gewartet, bis du es mir sagst.
Vier Wochen liebevolle Nachrichten. Trügerische Vertraulichkeit.
Stundenlange Telefonate, in denen du mir die Sonderrolle in deinem Leben bestätigst.
Sehnsucht nach dir, deiner Stimme, deinem Geruch, deiner Haut, deinen Berührungen.
Deinen Küssen, von denen ich nicht genug bekommen kann.
Großer Hunger, den auch kein anderer stillen kann.
Kompensation. Überbrückung.
Vier Wochen ohne dich.
Du hast keine Zeit. Keine Zeit für mich. Keine Zeit für uns.
Keine Zeit für stundenlange Autofahrten.
Dann hat es Bäm gemacht im Supermarkt. In deinem Dorf natürlich.
Du bezeichnest mich als Hauptgewinn.
Was ist dann die Frau aus dem Supermarkt?
Sie passt besser in dein Gefüge. Wohnt um die Ecke. Keine langen Planungen für ein Treffen notwendig.
Da macht es selbstverständlich Bäm.
Dir wird bewusst, dass unsere Gemeinsamkeiten verzichtbar sind.
Machst dir klar, dass ich ein Paradiesvogel bin.
Umgeben von skurrilen Gestalten.
Umlagert von Verehrern.
Ein Spielzeug, das zu schade ist für nur einen Mann.
Du bist fasziniert von mir, aber genau das, was dich fasziniert, was dich anzieht - entfernt dich zur selben Zeit von mir.
Du bist eine Blumenwiese. Ich bin ein Abenteuerpark.
Du zögerst. Eigentlich willst du mich nicht aufgeben. Und doch muss es sein. Ich akzeptiere bei dir keinen anderen Platz als den der Nummer eins.
Diesen Platz wird aber keine Frau bei dir einnehmen. Du hast andere Prioritäten.
Ich lächle dich an und sage, dass ich nicht weinen werde.
Ich sage, ich freue mich für dich und wünsche dir Glück.
Ich sage, es ist eine Befreiung für mich, nachdem ich so lange gedanklich versucht habe, das Unmögliche möglich zu machen.
Ich lüge und sage gleichzeitig die Wahrheit.
Ich will dich anschreien, dich schütteln, denn es fühlt sich an wie Betrug.
Dennoch will ich nicht kämpfen. Um einen Mann, für den ich so geringe Prio habe.
Wir plaudern über dies und jenes. Wie alte Freunde. Dabei sind wir weder alt noch Freunde.
Es hat Bäm gemacht. Das kann jederzeit und überall passieren. Das kann auch mir passieren. Vielleicht auch im Supermarkt. Wer weiß?
Diesmal ist es eben dir passiert. Und der anderen Frau.
Ich wünsche wirklich, dass du mit ihr glücklich wirst. Oder mit einem anderen Bäm.
Denn wir beide wären nicht glücklich miteinander geworden.
Das wollte ich nicht wahrhaben. Und du offensichtlich auch nicht.
Als du gehst, küsst du mich. Du küsst mich lange und immer wieder. Entfernst dich ein paar Schritte, drehst dich um. Du kommst zurück und küsst mich wieder.
Warum akzeptiere ich diese Küsse, die doch längst einer anderen Frau gehören?
Ich lache. Winke dir zu.
Dann schließe ich die Tür. Bäm. Jetzt bin ich allein. Kann die Maske ablegen.
Die Befreiung tut weh. Tränen folgen der Schwerkraft, meine Nase schwillt zu. Ich will toben. Rasen.
Ratio und Emotio stehen im Ring und teilen aus.
Der Verstand sagt, es ist besser so. Keine ruhelosen Nächte voller banger Gedanken mehr.
Das Herz brüllt vor Schmerz.
Du willst die Freundschaft mit mir aufrechterhalten. Das kann ich einfach nicht glauben, wie ich mittlerweile so ziemlich alles bezweifle, was du mir gesagt hast.
Und doch ergibt es Sinn.
Das Herz hat andere Erinnerungen als der Kopf. Das Herz trägt rosarote Brille.
Der Kopf nicht. Echte Freunde haben versucht, mich vor dir zu bewahren. Jetzt nickt mein Kopf. Sie haben Recht. Aber mein Herz … ist wie ein trotziges Kleinkind. Es stampft mit dem Fuß auf und keift: „Ich will aber!"
Es wirft sich auf den Boden, wälzt sich im Dreck und will nicht aufgeben, zu leiden. Zu lieben.
So nahe stehen sich diese beiden Worte.
Die Tage ziehen ins Land. Kein Kontakt zu dir. Es tut immer noch weh. Dabei sind die Erinnerungen realistisch gesehen nur Träume von gemeinsamen Aktivitäten. Aktivitäten, die wir irgendwann mal zusammen unternehmen wollten. Wenn es denn deine Zeit irgendwann zugelassen hätte.
Es sind Träume und Fantasien von einem Kennenlernen und Zusammenwachsen, das ich mir gewünscht habe.
Und sie bleiben genau das - Träume und Fantasien. Meine Träume und Fantasien.
Du warst der Hauptprotagonist darin.
Und dann hat es Bäm gemacht.
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