Zitat von *********nftig:
„Was ist denn wirklich wichtig bei der Partnerwahl?
Wirklich wichtig ist: Die Aussicht darauf, in den kommenden Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten ein Leben führen zu können, in dem beide ein für sie angemessenes Maß an Freiheit und Geborgenheit finden, Zeit für sich, für andere, für Partner in romantischen Situationen und für Partner in Momenten mit anderen. Eine gute Mischung aus Freiheit und Geborgenheit.
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Verlieben geht schnell. Sexuelle Anziehung entsteht schnell. Beides ist etwas Gutes, aber noch nicht die Basis für langfristiges Beziehungsglück.
Tiefe emotionale Verbundenheit ist ebenfalls etwas Besonderes, aber auch sie ist etwas, was man nicht nur zu einem Menschen verspürt. Sie entsteht auch in guten Freundschaften und in freundschaftlichen Mentoring-Verhältnissen.
In einer auf Langfristigkeit angelegten Beziehung sollte der Kopf deswegen immer mitentscheiden, welche Richtungen möglich sind.
Und auf der Verstandesebene ist eben dieser Aspekt der Pflege in einigen Jahren/Jahrzehnten etwas, was gegen eine Liebesbeziehung spricht. Kopf ist halt am Ende auch wichtig für die Lebensplanung, nicht nur Herz und Sexualität. Und Kopf ist mehr als nur "wir können tolle Gespräche führen". Kopf ist auch: Selbst über die Wege nachdenken, die man mit seinen Entscheidungen für die eigene Zukunft formt.
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Aber wenn man auf der rationalen Ebene überlegt, was pro und was kontra Gründe sind, dann gibt es diesen ganz, ganz wichtigen kontra Grund. Den sollte man in seine Überlegungen mit einbeziehen. Wenn man am Ende sagt: Ja, dieser Mensch ist es mir wert, dass ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit meine eigenen Rentenjahre mit Pflege verbringe und nicht mit Freiheit ... Dann darf man das so entscheiden.
Und man darf auch sagen: Neben der statistischen Aussicht auf ein Leben als Pflegehelferin vor und nach dem eigenen Renteneintritt ist dieser Mensch es mir wert, zwanzig Jahre lang selbst noch berufstätig sein zu müssen, während er frei ist und ganz viele schöne Dinge tut, die mir verschlossen bleiben (das erlebe ich gerade bei meiner Stiefmutter und meinem Vater, aber sie darf glücklicherweise auch bald in Rente, dann kann sie auch wieder mit auf all die schönen Radtouren, Grillnachmittage mit Freund:innen und Museumsbummel, um die sie ihn im Moment oft beneidet). Und bei den beiden bin ich schon sehr froh, zu wissen, dass sie bald all diese guten Dinge gemeinsam erleben und dann auch wieder ausruhen können, und dass es nicht mehr so sein wird, dass sie ständig total übermüdet ist und er immer ein wenig ein schlechtes Gewissen hat, weil seine Tage so viel entspannter sind als ihre.
Da sind es "nur" fünf Jahre dieses Ungleichgewichts, aber ich beobachte schon da, dass so etwas für die Beziehung schwierig ist.
Das sind also gleich zwei ganz schön heftige Beeinträchtigungen, die in einer Beziehung mit so großem Altersunterschied mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommen werden. Es wäre nicht richtig, diese Punkte nicht zu benennen und zu bedenken.
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Wenn es dann am Ende trotzdem so dermaßen viele Pro-Gründe gibt, dass man sagt: Jawoll, sehenden Auges entschieden, all diese Dinge werden kommen ... Ich werde zwanzig Jahre lang arbeiten, während Schatz die Rente genießt, und die letzten fünf Jahre meiner Vor-Renten-Zeit mach ich dann bereits die emotional anstrengende Pflege parallel zu einem Job, der mich trotz Altersteilzeit stärker ermüdet als früher, und wenn ich dann in Rente gehe und frei bin, mache ich weiter Pflege, bis ich Witwe werde und dann allmählich in das Alter komme, in dem ich selbst Pflege brauche ...
Ganz ehrlich, Liebe ist magisch und wunderschön, sie bewirkt Wunder, und sie verbindet auch sehr ungewöhnliche Gegensätze. Wenn all diese schweren Dinge, die dann kommen werden, weniger schwer wiegen als die guten Dinge, die schon jetzt sind, dann spricht nichts gegen eine große, ehrenswerte und wunderschöne Liebe.
Sie sollte halt bloß nicht auf der Illusion beruhen, dass "dann schon alles gut wird". Ab dem Moment, wo der ältere Partner in Rente geht, entsteht ein übles Ungleichgewicht zwischen beiden Lebensphasen, das zu heftigen Belastungen führen wird. Das wird nicht von allein gut, sondern das sind dann zwanzig Jahre, in denen man über einen krass langen Zeitraum einen Weg finden muss, mit diesem Ungleichgewicht liebe- und respektvoll umzugehen, und anschließend kommt mit statistisch sehr großer Wahrscheinlichkeit die Phase, in der man pflegt, bis man verwitwet und es zu spät ist, um die jüngeren Rentenjahre noch einmal mit mehr Freiheit für sich selbst nachzuholen.