Ich habe weiter oben schon von zwei Trennungen als ziemlich junger Mensch erzählt, wo der einzige Grund war "ich liebe dich nicht mehr, es tut mir sehr leid", wo ich einmal verlassen wurde und einmal verlassen habe. Und von dem Ende meiner Ehe, wo es für viele Dinge mit Reden Teillösungen gab und für einen ganz schlimmen Schicksalsschlag irgendwann leider nicht mehr, obwohl es beide ähnlich wie bei anderen trennenden Dingen versucht haben. Da war es eine Trennung zu dem Zeitpunkt, wo noch genug Liebe da war, um dem anderen einen guten Weg in die Zukunft zu wünschen und sich gegenseitig auf dem Weg dahin so gut wie möglich beizustehen.
Ich hatte aber auch schon eine Trennung, mit 24, wo es weniger schöne Gründe waren (wenn man bei einer Trennung von so etwas sprechen kann). Mit "schönen Gründen" meine ich hier etwas, was ich im Vergleich zur anderen Trennung vielleicht als "unschuldige Gründe" bezeichnen würde. Gründe, die nicht in Fehlern oder im Versagen einer Person lagen, sondern in Dingen, auf die man keinen Einfluss mehr nehmen konnte: Die Liebe ließ nach, obwohl Respekt und ehrliches Wollen eines glücklichen Lebens für den anderen blieben.
Aber ich hatte auch schon eine Trennung, bei der die Gründe weniger "unschuldig" waren.
Als junge Frau geriet ich in meiner dritten Beziehung an einen Mann, der dreizehn Jahre älter als ich war. Er hatte vor mir noch nie eine Beziehung geführt, die länger als drei Monate gedauert hatte, aber das erzählte er mir erst später. Und in der Zeit nicht so lange vor mir einmal etwas, was fast ein Jahr gedauert hatte, wo es aber viel Streit und On und Off gegeben hatte.
Rückblickend hätte mir das eine Warnung sein sollen, denn während der Beziehung stellte sich schnell heraus, dass dieser Mann den Unterschied zwischen Verliebt-Sein und Liebe nicht kannte, nicht verstand und auch nicht verstehen wollte. Drei Monate sind ja immer so die Zeit, während der der Körper jede Menge Hormone ausschüttet, und erst danach kann man überhaupt mal schauen, ob die Beziehung auch ein stabileres Fundament bekommen kann und wird. Ich selbst spreche bei allem von weniger als drei Monaten tatsächlich auch noch nicht von einer Beziehung, sondern von "wir haben es mal miteinander versucht gehabt", weil ... Alles, was nicht über diese Phase hinausgelangte, das bekam ja überhaupt nicht die Bedeutung und Relevanz, dass es in der Rückschau wirklich Bedeutung bekommt. Da ging es ja nie um den konkreten Menschen, sondern immer erst mal nur um die Träume, die man mit ihm verbunden hat, oder eine Neugier, die am Ende halt nicht zu etwas Tieferem führte.
Ich musste damals aufgrund einer unerwarteten WG-Auflösung (ich wohnte da erst seit vier Monaten) sehr schnell eine neue Wohnung finden, und aus diesem Grund beschlossen wir damals nach gerade mal drei Monaten, dass ich bei ihm einziehen würde. Rückblickend betrachtet natürlich großer Leichtsinn, aber damals dachte ich: Das mit uns, das ist alles so gut (war es in diesen drei Monaten auch), und wenn ich mir jetzt eine andere Wohnung suche und wir dann erst acht Monate später oder so zusammenziehen ... Drei Umzüge in eineinhalb Jahren sind mir zu viel, ich brauch meine Energie für Studium und Job, nicht für ständig nur renovieren und mich wieder woanders eingewöhnen.
Dieser Mann, der im Zustand der rosaroten Brille Ja gesagt hatte ... Ich dachte damals natürlich, dass er aufgrund der oftmals beschworenen "Lebenserfahrung" älterer Menschen in einer Beziehung mit Jüngeren zu dem Schluss gekommen war, dass ein Zusammenziehen funktionieren könnte ... Der war dann überfordert. Es hatte ihm gefallen, wenn ich zwei Wochen lang durchgehend bei ihm "wohnte" und meine Kleidung in einem Teil seines Schrankes verstaute, bei ihm wusch und aufhängte, Beziehungsalltag führte, aber es war ihm zu viel, als nicht mehr die Option bestand, dass ich zwischendurch auch mal in mein eigenes Reich verschwand.
Und damit begann der Alptraum.
Denn obwohl ich meinen Anteil an der Miete bezahlte, kam von da an in jedem Konflikt auf den Tisch, dass er mich ja schließlich "finanzierte" (und er bezahlte tatsächlich all die Urlaube und Restaurantbesuche mit mir, die er so gern wollte und auf die als Studentin normalerweise verzichtet hätte, ohne dass mir dabei irgendetwas gefehlt hätte). Offenbar "schuldete" ich ihm auf einmal etwas, weil er mir Dinge schenkte, auf die ich auch gut hätte verzichten können. Doch immer, wenn ich einmal etwas wirklich schön fand und gewollt hätte (in einem Urlaub war das ein tolles Gläserset für die Küche, aber ich erinnere mich auch noch an eine edle Schmuckausgabe eines Buches, die ich mir zu Weihnachten gewünscht hatte) fand er Gründe, warum das jetzt gerade zu teuer sei. Die Großzügigkeit galt nur bei den Dingen, von denen er in irgendeiner Weise profitierte. Und allmählich fühlte ich mich unwohl bei einem Mann, der mir zwar transparente Spitzenwäsche, Miniröcke, Heels, Sextoys (allerdings keine teuren, obwohl ich der Typ bin, der lieber einen edlen Glasdildo hat als drei minderqualitative Plastikvibrationsgeräte) und tief ausgeschnittene Shirts zu schenken bereit war, mit mir diesbezüglich auch shoppen wollte und immer mal wieder spontan Dinge mitbrachte und der stolz den Restaurantbesuch bezahlte, wenn ich diese Dinge dann trug - der aber keinen Grund dafür sah, mir Bücher zu kaufen, obwohl "Shopping" für mich bis dahin IMMER einen Trip in mindestens zwei Buchhandlungen bedeutet hatte und dann so viele Bücher, wie mein Budget erlaubte.
Klar konnte ich mir die auch selbst kaufen, habe das auch getan ... Aber vielleicht versteht man, dass sich das alles ein wenig komisch anfühlte, auch wenn ich es nicht ganz in Worte fassen konnte damals?
Denn er erzählte mir immer mit ganz viel Überzeugung, dass er ein ganz großzügiger und liebevoller Partner sei, der viel mehr für mich täte als alle anderen das würden, und dass ich es wahnsinnig gut bei ihm hätte. Weil ich oft ziemlich unsicher bin und meiner eigenen Wahrnehmung weniger glaube als den Aussagen anderer, entstand so nach und nach eine Situation für mich, die zutiefst ungesund war. Gaslighting ist ein böses Wort, eine Modediagnose, aber im Grunde war es das, auch wenn er es nicht bewusst so konzipiert hatte. Er erzählte mir, wie caring und großzügig er doch sei und wie gut ich es hätte, und ich glaubte ihm, aber gleichzeitig untersagte er mir immer öfter Treffen mit meinen Kommiliton:innen, wenn ich ihn nicht mitnehmen würde ("Ist eine hübsche dabei? Die können wir dann auch gleich mit nach Hause nehmen, ich kann mich auch um euch beide gleichzeitig kümmern.")
Dass ich ihn unter solchen Umständen eher nicht mitnehmen wollte, verstand er nicht und schmollte tagelang und erklärte dann, dass ich wohl doch nicht so toll, großzügig und weltoffen sei, wie er mich am Anfang eingeschätzt hatte. Und das, obwohl er immer so viel für mich täte und auch so großzügig mit mir sei ...
Um solche Konflikte zu vermeiden, ging ich irgendwann nicht mehr aus. Zumindest nicht mit meinen alten Freund:innen, zu denen der Kontakt mehr und mehr einschlief. Er wurde mein wichtigster Kontakt. Und ich nahm zu. Jeden Monat zwei, drei Kilo, bis ich nicht mehr in die nuttigen Klamotten passte, die er mir gekauft hatte, und sie bei H&M auf eigene Kosten durch Polyester-Strickjacken ersetzte.
Das war dann natürlich auch nicht richtig ... Ich war nicht mehr so anziehend wie früher, erklärte er mir. Irgendwie kribbelte es nicht mehr auf die richtige Weise, wenn er an mich dachte. Das bedeutete vermutlich, dass er mich nicht mehr liebte.
"Dann ... Dann willst du dich trennen?", fragte ich, und ich weiß noch, wie erleichtert ich bei dem Gedanken war. Ich wusste ja, dass er nur so hässlich mit mir umging, weil er als Kind nicht genug geliebt worden war, das hatte er mir mal erklärt, und ich wusste, dass er mich und meine Liebe deswegen brauchte, damit diese alte Verletzung heilen konnte. Aber wenn er es war, von dem die Trennung ausging, dann fiel diese furchtbare Verantwortung von mir ab und ich konnte diese Kraft und Liebe wieder mir selbst geben und sie nutzen, um mein eigenes Leben zu gestalten.
In diesem Moment wurde mir auch klar, dass ich inzwischen mein Studium vernachlässigte, weil ich immer so damit beschäftigt war, mich gedanklich darauf einzustimmen, was er an diesem Tag brauchen würde. Welche Kritik er am Vortag geäußert hatte und wie ich es anstellen könnte, es besser zu machen. Das ... Das schien eine Lebensaufgabe zu sein, die viel Liebe, Konzentration, Ehrgeiz und Geduld erforderte. Aber es ist gut, wenn man im Leben eine Aufgabe hat, und einem Menschen den Glauben an die Liebe zurückzugeben, dem man sie als Kind wegen Liebesentzug genommen hat, schien eine würdige Aufgabe zu sein.
Und offenbar war ich darin gut genug, dass er sich nie wirklich trennte. Er drohte es nur immer wieder an, bis ich in Tränen ausbrach, und dann tröstete er mich und fasste mir an die Brüste und wir hatten Sex, den ich dankbar ertrug.
Der Auslöser dafür, dass irgendwann viel später ich die Trennung ausgesprochen habe ... Das war dann ein Tag, an dem ich ihm traurig erzählte, dass ich schon seit Monaten keine Geschichte mehr geschrieben hatte. Das tat ich damals nämlich genauso gern wie heute, und es machte mich traurig, dass es nicht mehr ging. Als zutiefst großzügiger Mensch war er natürlich bereit, mir zu helfen, und wir vereinbarten einen Abend, an dem ich mich ankuscheln würde und er mir einige der alten Lieblingsgeschichten aus meiner Feder vorlesen würde, damit ich mich wieder daran erinnern konnte, wie geborgen und richtig ich mich seinerzeit beim Verfassen gefühlt hatte.
Der Schuss ging nach hinten los, denn nach jeder dieser Geschichten analysierte der Mann direkt nach dem Vorlesen alles gründlich, was ich geschrieben hatte, und nahm es zum Anlass für eine Analyse, die zeigte, dass ich als Autorin kein Talent hätte und dass meine Gedanken und Ideen pathetisch und oberflächlich seien und jede dieser Geschichten auf andere Weise zeige, dass mit meinem Fühlen und Denken etwas nicht stimme, tja, gut, dass er so großzügig ist und mich trotzdem erträgt und duldet ... (Hatte er sich nicht in den ersten drei Monaten total begeistert von meinen Geschichten gezeigt und sich alle von mir vorlesen lassen, die vorzulesen ich bereit war, und sich dabei an mich angekuschelt?)
Anschließend war diese kreative Quelle und dieser Zugang zu meiner Persönlichkeit komplett vergiftet und trockengelegt. Sieben Monate lang dachte ich nicht mal daran, zu schreiben. Die Welt wurde immer dunkler, glitschiger, schwärzer, hoffnungsloser, die Tage flossen auf niedrigstem Energielevel ineinander und ich begriff allmählich, dass ich in diesem Zustand meinen Studienabschluss nicht erwerben könnte. Und immer, wenn ich mich fragte, woran es lag, dass meine Kraft nicht mehr fließen konnte, fand ich in meiner Erinnerung diesen entsetzlichen Vorleseabend, bei dem ich ihm anvertraut hatte, dass ich den Zugang zu meiner Quelle verloren hatte, und wo er statt zu helfen die Quelle wirklich gründlich vergiftet und zugeschüttet hatte.
Von da bis zum Auslöser der Trennung (ein anderer Mann, in den ich mich verliebte) waren es dann noch ein paar Monate, und ich brauchte Hilfe dabei, die mir durch einen seltsamen Zufall begegnete, obwohl mein Freundeskreis nicht länger existierte, aber ... Das waren dann die konkreten Details der Umsetzung.
Die Gründe waren hässlicher.
Dieser Mann, der während der Beziehung immer wieder gesagt hatte, dass er sich nicht sicher sei, ob er mich überhaupt liebe, ich sei so anstrengend, und dieses ständige Weinen von mir, man hätte ihm defekte Ware geliefert, aber fürs Umtauschen sei es zu spät, ob ich nicht eine Freundin hätte, die dünner und weniger anstrengend sei ... Aber Schluss machen, na ja, das sei auch doof, denn solange ich da sei, könne er ja wenigstens regelmäßig Sex haben, das sei nicht zu unterschätzen, und solange der gut bleibe, wäre er ja auch bereit, mich zu ertragen, wenn ich mir nur ein klein wenig mehr Mühe geben würde ... Der war der Ansicht, dass er das allerbeste sei, was mir als Frau mit einem Mann je passiert sei.
Für Sex spielte es auch keine Rolle, ob ich Ja oder Nein sagte. Wenn er wollte, dann hatte ich dankbar dafür zu sein, dass ich ihm zumindest in der Hinsicht noch halbwegs gefiel, das war schließlich ein Kompliment, und ich solle bitte nicht weinen dabei, das würde sein Erlebnis dabei irgendwie entwerten.
Dieser Mann hat danach noch jahrelang versucht, mich davon zu überzeugen, dass ich zurückkomme. Ich habe beinah zwei Jahre lang mit einer Anscheinswaffe im Nachttischchen geschlafen und manchmal hielt ich sie zum Einschlafen in der Hand, ich schrecke heute noch nachts mit Panikattacken hoch. Einschlafen klappt manchmal, aber manchmal kriege ich auch Panik, wegen der ich schreien will, vor allem, wenn ein Mann im Raum ist. Ich lebe inzwischen in einem anderen Bundesland, und das geht zu einem großen Teil darauf zurück.
Trennungen verlaufen also tatsächlich nicht immer sauber. Dafür braucht es tatsächlich zwei, die das auch beide wollen. Saubere und respektvolle Trennungen waren in meinem Leben der Regelfall, aber ich habe in dieser Zeit meines Lebens gelernt, dass das tatsächlich nicht immer klappt. Leider.