„"Ich liebe dich" - Was bedeutet das für euch?
Am Anfang waren diese Worte für mich enorm negativ konnotiert. Die "Liebe", mit der ich aufwuchs, bestand aus Gewalt, Missbrauch, Manipulation, Druck und zuvielen weiteren negativen Aspekten, um sie hier aufzuzählen.
Als Schulkind fing ich an zu begreifen, dass Liebe in anderen Familien anders war als in meiner. Als Teenager erweiterte sich mein Bild von Liebe zunächst um den romantischen, später um den sexuellen Aspekt. (Auch wenn ich heute weiß, dass letzteres ein Trugschluss war). Ich adaptierte, was ich beobachtete, zumindest versuchte ich es, um "normal" zu sein.
Bei meiner ersten Jugendliebe ergriff ich die Flucht, als er mir sagte, er habe mich lieb, und verweigerte jedweden weiteren Kontakt.
Bei meiner 2. Jugendliebe ein paar Jahre später zwang ich mich, Zuneigungsbekundungen auszuhalten und zu erwidern. Das macht man ja so. Nach 6 Monaten rannte ich wieder weg (Was gut so war, denn ich ertrug noch so einiges mehr, das nicht ertragen werden sollte und nichts mit Liebe zu tun hatte, mir aber so verkauft wurde).
Die folgenden Jahre "befriedigte" ich mein durchaus vorhandenes Bedürfnis zu lieben und geliebt zu werden mit Sex, das funktionierte halbwegs gut. Dachte ich zumindest.
Bis ich auf einen Mann traf, der mir Liebe schenkte. Ich spürte das erste Mal, was Liebe sein könnte, die sanfte Wärme, als würde Sonne nicht meine Haut sondern mein innerstes erwärmen. Ich erwiderte die Gefühle, diesmal aufrichtig und nicht als hohle Worte. Und rannte nach 6 Monaten wieder weg.
Ich begann eine Therapie, um nie wieder jemanden so zu verletzen.
Ich lernte sehr, sehr, SEHR langsam und kleinschrittig, was Liebe für mich sein könnte. Das ist gut 12 Jahre her, und ich lerne immer noch.
Ich kenne Liebe sowohl als beängstigend, toxisch, zerstörerisch, aber auch als wunderschön, heilsam, kaum mit Worten beschreibbar schön. Nichts auf der Welt ist schöner, gleichzeitig macht mir nichts so sehr Angst. Teilweise unberechtigt, teilweise berechtigt, denn Liebe macht unendlich verletzlich.
In meinem Lernprozess hat sich vor allem ein gewisser, subjektiv empfundener Unterschied gegenüber der Norm in meinem Verständnis von "Ich liebe dich" und "Ich hab dich lieb" entwickelt.
Beides sage ich. Auch zur gleichen Person. Es sind zwei verschiedene Gefühle, die zwar nah beieinander sind, aber keine Abstufung voneinander.
Ich liebe meine Mitbewohnerin und beste Freundin. Und ich liebe meinen Partner. Auf unterschiedliche Art und Weise da unterschiedliche Menschen und Beziehungsarten (platonisch und romantisch), aber gleichwertig. Pathetisch ausgedrückt würde ich mir für beide ohne mit der Wimper zu zucken eine Kugel einfangen. Jemanden zu lieben bedeutet heute für mich u.A., dass ich ein starkes Bedürfnis danach habe, dass es der geliebten Person gut geht. Aber auch, dass diese Person in mir starke Gefühle von Sicherheit, Vertrautheit, Verbundenheit auslöst.
Diese beiden Menschen habe ich aber gleichzeitig auch lieb. Ich wertschätze, wer sie sind, was sie tun, wie sie denken, was sie ausmacht. Ich erfreue mich an ihrer Existenz und dem gemeinsamen Erleben. Das ist nicht weit weg von Liebe, aber eben etwas anderes.
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Was bedeutet es denn (für euch persönlich und individuell), wenn ihr zu jemandem "ich liebe dich" sagt?
Es bedeutet für mich in allererster Linie Vertrauen. Denn ohne selbiges könnte ich diese Gefühle und die einhergehende Verletzlichkeit nicht zulassen, geschweige denn aussprechen. Es bedeutet viel für mich, das zu sagen, und ich habe es erst wenigen Menschen gesagt.
Es bedeutet für mich tiefes Glück, Wärme, Dankbarkeit. Gleichzeitig ist es monumental und gewichtig, fast überwältigend...und es bleibt. Es dauert sehr lange, dieses Gefühl wieder abzubauen, selbst wenn man sich aus Gründen schon längst von der Person getrennt hat, für die man diese Liebe empfindet bzw. Empfand. Es ist schwer (aber nicht unmöglich) das Gefühl zu zerstören, es verringert sich aber über die Zeit, wenn es nicht mehr genährt wird, bis kaum mehr als eine Erinnerung bleibt.
"Ich hab dich lieb" zu sagen ist da deutlich situativer, denn das Gefühl ist etwas leichtes, sanftes, mal präsenter und mal nicht. Es ebbt deutlich schneller ab wenn es nicht mehr genährt wird, baut sich aber auch schneller wieder auf.
Beides bedeutet Zuneigung, wenn ich es sage dann ausschließlich, weil ich meinem Gegenüber auch auf kognitiver Ebene meine Zuneigung zeigen möchte.
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Wem sagt ihr das?
Wann sagt ihr das?
Warum sagt ihr das?
Ist das Warum immer gleich oder gibt / gab es da schon unterschiedliche Gründe?
Den Menschen, für die ich das empfinde. Das können Partnermenschen sein aber auch Freunde oder (Haus-)Tiere.
Sage ich es direkt der Person, dann um ihr meine Zuneigung bewusst zu machen, als etwas sehr intimes.
Sage ich es Dritten gegenüber, dann um mich zu beschreiben, da liebe ich dann nicht nur meine Herzensmenschen sondern auch Dinge, Tätigkeiten, Erinnerungen, Orte.
Meist sage ich es dann, wenn ich es empfinde, aber bei weitem nicht immer. Verbalisierte Zuneigung kann Druck erzeugen, falsch verstanden werden, dem Empfinden selbst gar nicht gerecht werden oder im schlimmsten Falle abnutzen.
Das warum ist so unterschiedlich, wie die Menschen und Situationen, die diese Empfindungen auslösen. Manchmal sage ich es, weil ich sonst platzen würde, manchmal als Gegengewicht in einem Konfliktgespräch. Manchmal erwiedere ich es schlicht (was die Bedeutung nicht mindert, denn das Gefühl ist da), manchmal nicht, und ich weiß ehrlich nicht, warum 😅
Ich sage es, weil es sich richtig anfühlt. Manchmal kann ich es nicht sagen, weil zuviel emotionales Chaos in meinem Kopf herrscht und der Sturm mir die Sicht nimmt. Was ok ist, ich weiß, dass es trotzdem da ist, auch wenn ich es gerade nicht sehen kann.
Vor allem aber sage ich es, weil mir der Mensch so viel bedeutet, dass ich sicher sein muss, dass er es weiß.