Das Wort "reflektiert" im Beitrag des TE ließ aufhorchen: Er verfolgt eine gradlinge, überlegte Argumentation und will Verlässlichkeit in der Argumentation wie in der Beziehung. Ich habe seine Beiträge und sein Profil gelesen.
Erstens denke ich, dass wir schon in einer Gleichgültigkeitsgesellschaft leben mit der Arroganz derer, denen es gut geht gegenüber denen, denen es schlecht geht: Hat jemand Probleme bzw. fällt jemand mit seinem Lebenslauf aus dem Raster (Lebenskrise) dann ist die Reaktion derer, denen es gut geht: Wegschauen.
Beispiel: Ich hab mal einen Ex - Sportler im Zug getroffen, dem der Schlaganfall eine halbseitige Lähmung von oben bis unten beschert hat. Die Masse sagt "oh der kann sich nicht bewegen - da schaue ich weg." Das gleiche gilt für Blinde, die am ICE Hauptbahnhof irgendwo hin müssen. Die Reisenden, die lange Zeit haben, fragen die blinde Person nicht ob sie Hilfe braucht sondern schauen weg: "Was kümmert es mich" ? Ist es nun so, dass eine Beziehung Probleme hat, schaut die Masse ebenfalls weg. "Oh ich hab ja den neuen lover X" ...
Zweitens: Was ist das Ziel der Beziehung und was tun beide für das Ziel in der Beziehung ? Der TE hat schon in seiner Argumentation das Ziel "Treue und Verläßlichkeit" während andere nach dem Motto eine Beziehung leben "Bevor man sich ewig bindet, prüfe man, ob sich nichts bess'res findet" - das Ziel der Beziehung ist m. E. sehr wichtig:
Extrem 1: rein sexuelle Ziele
Extrem 2: dauernde Partnerschaft in guten wie in schlechten Zeiten
Je mehr es um Extrem 2 geht, desto mehr muss man sich nehmen, akzeptieren und bei einander bleiben, wenn die Probleme da sind. Man kommt auch wieder bei Punkt "erstens" an: Sind Probleme da, rennen viele davon, doch ist der TE gerade nicht der, der davon rennt sondern jemand, der bleibt.
Drittens:
Auf der Suche nach der großen Liebe, nach der Erfüllung der Bedürfnisse vergisst man anscheinend eines sehr offensichtlich: Beziehung ist Arbeit, vor allem an der eigenen Person und die große Liebe bleibt manchmal eben einfach auf der Strecke, wenn man kleine Kinder hat und sich als Paar aus den Augen verliert.
Ja. Beziehung ist Einsatz, Arbeit und verlangt eigene Opfer, die beim Gegenüber als Wertschätzung ankommt.
Arbeit an der Beziehung meint sexuelle Arbeit wie Arbeit im Alltag, vor allem dadurch, dass man seine Aufgaben in der Beziehung erfüllt und auf das Gegenüber achtet.
Aber: Wo ist bei der Arbeit die Emotion ? Die übliche Reihenfolge ist doch
man läuft sich über den Weg
man findet sich sympathisch
man trifft sich
man küsst sich
man hat SEX
man hat eine Beziehung
man heiratet
man hat Kinder
... und irgendwann ist es vorbei mir der Emotion. Dann sind wir aber wieder bei Punkt "Erstens" und bei Punkt "Zweitens"
Viertens:
Die Emotionen sind auch das Problem: Emotionen kollidieren mit der vom TE wohl erstrebten (rationalen ?) Treue und Verläßlichkeit. Man lässt aber zu Beginn der Beziehung die Emotionen hoch kochen und hat mit zunehmender Beziehungsdauer das (rationale) Problem dass ab dem Zeitpunkt an dem Kinder da sind spätestens der (rationale) Alltag kommt.
Wohl aus diesem Grunde werden die meisten Ehen, die bei "Hochzeit auf den Ersten Blick" geschlossen wurden, gescheitert sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hochzeit_auf_den_ersten_Blick
Oh wie sehr wird für emotional geprägte Menschen der Moment der Eheschließung bzw. des erstmaligen Sehens des Gegenübers hoch stilisiert: Dann sieht man sich, heiratet und am Ende wird nur über Kleinigkeiten bzw. Emotionen diskutiert, statt zu sagen "Das Gegenüber ist nun einfach so - jeder Ehepartner macht das beste draus:" Meinem Endruck nach wurden durch die endlosen Diskussionen nur neue Mauern geschaffen, die dann erst Recht dazu führten, das die Ehen scheiterten:
in einer Beziehung müsste Harmonie her - und die erreicht man nicht, wenn man am Gegenüber herum nörgelt.
Und auch hier: Der TE will intellektuell geprägte Ordnung, Ruhe und Verlässlichkeit - er analysiert die Probleme und stellt sie ab. Damit kommt aber nicht jeder klar und andere wollen keine emotionale Ruhe, keine Ordnung und keine Verläßlichkeit, sondern sind eben Menschen, die meinen, in einer Beziehung auf gemeinsame Ziele verzichten zu können und gleichzeitig "ihren Stiefel" fahren zu können, ohne dass es auf Ruhe und Verlässlichkeit ankommen soll