Ich habe es einmal, nach eineinhalb Jahren Abstinenz, ausprobiert. An dem Tag wollte ich auch allein dahingehen, eine männliche Begleitung, und sei es nur für den geteilten Eintritt, wäre diesem Gefühl zuwidergelaufen. Ich wollte Sex, und zwar Sex, der unkompliziert genug ist, dass ich weder meine Adresse noch meinen Nachnamen verraten muss. Sex von der Sorte, wo man danach noch einen Moment kuschelt und plaudert, aber dann auch wieder seiner Wege geht. Auf gar keinen Fall mit Wiederholung.
Denn sobald man anfängt, miteinander zu reden, werde ich extrem anspruchsvoll. Wenn sich die Gespräche nicht extrem gut anfühlen, lässt meine Libido wahnsinnig schnell nach.
Ich kannte es von früher gelegentlich von Festivals, dass man sich unkompliziert auf diese Weise begegnet. Die Sprache findet mehr körperlich statt, Blicke, Körperhaltung, irgendwann ein Gespräch, in dem es nicht um die Worte geht, weil mit einem Blick bereits gesagt wurde: Wir werden heute Abend Sex sein, und er wird großartig sein. So etwas Ähnliches habe ich mir also auch erhofft.
Bei meinem Besuch stellte ich jedoch fest, dass ich dort diese Art von erhoffter Leichtigkeit nicht finden konnte. Es war nahezu unmöglich, mich mit aufrechtem Kopf in irgendeinem Raum umzublicken, um mir auch nur einen Überblick über die Architektur dort zu verschaffen, denn überall standen Männer, die nur allzu bereit darauf waren, mit ihrem Blick meinen für einen derartigen Blickaustausch einzufangen. Darin lag nichts Leichtes und Vergnügtes mehr, nur noch so ein UFF TOO MUCH.
Ich bin dann an die Bar, um mir für mein Eintrittsgeld wenigstens einen Drink zu gönnen, und während ich noch wartete, entstand ein Gespräch mit jemandem, der auch wartete. Der machte dann Anstalten, körperlichen Kontakt zu mir aufzunehmen, und weil ich halt wirklich schon viel zu lange abstinent gewesen war, reagierte mein Körper darauf. Daraufhin sagte mein Kopf, okay, armer Körper, du brauchst das gerade wohl wirklich, was? Dann trink aus und wir gehen in dieses Zimmer, das er vorschlägt, und dann kriegst du wieder ein bisschen Nähe und Lust.
Der nette Gentleman besorgte es mir dann dort auch, etwas härter im BDSM-Style, wie ich es mag und schmerzlich vermisst hatte, drei Höhepunkte für mich, sehr angenehm, und anschließend machte er sich auf den Heimweg. Ich blieb noch da, um einen Kaffee zu trinken, bevor ich mich auf den Heimweg machen würde. Und natürlich war das auch wieder nicht möglich, ohne angesprochen zu werden. Ich erklärte, dass ich gerade eigentlich ausreichend "versorgt" und bereits ziemlich erschöpft und entspannt sei, aber man bot mir eine Massage an, es sei okay, ich müsse gar nichts tun, und das war dann auch noch mal sehr schön, auch noch mal zweimal oder dreimal gekommen. Mein Körper muss echt ausgehungert gewesen sein.
Auf dem Heimweg fühlte ich mich dann aber schmutzig und leer. So kannte ich es von meinen Festival-Flirts nicht. Da blieb dann immer noch einige Wochen so ein warmes, glühendes Gefühl der Freude und des Stolzes, weil man auf diese Weise zueinandergefunden und miteinander gelacht hatte und es neben Sex auch Nachtwind, Musik und Lagerfeuer gegeben hatte.
Ich weiß jetzt also, dass es geht. Wenn ich je wieder so ausgehungert sein werde wie an diesem Tag, steht mir die Tür offen. Es reicht eine Fahrkarte und ein schwarzes Lackkleid, und dann muss ich nur irgendwie existieren und mich umsehen und mir wird (sexuell) alles auf dem Präsentierteller angeboten, was ich mir erträumen könnte.
Aber diese innere Leere danach ...
Aktuell erscheint mir dieser Preis noch viel zu hoch. Trotzdem weiß ich jetzt, dass dieser Weg immerhin existiert und möglich ist, und das ist beruhigend und macht es deutlich leichter, abstinente Phasen zu ertragen.