Ich kann den Gedanken verstehen, dass es irgendwo eine Schieflage geben muss, wenn etwas passiert.
Wenn ich mich auf den Gedanken einlasse, dann fallen mir ebenfalls seichte Schieflagen ein, die eben nicht das sind, was ich unter offensichtlichen Schieflagen verorten würde.
Da landen ich dann etwa auch bei Impulskontrolle, etwa wenn jemand sich auf etwas sehr spontan einlässt, selbst wenn die Beziehung eigentlich super läuft, oder bei unterschwelligen Bedürfnissen, über die der Mensch sich bewusst vorher einfach nie Gedanken gemacht hat, weshalb sie nie offenbar waren und es sich nun so anfühlt, als würde man "spontan" auf etwas einsteigen.
Oder es hat sich Alltag eingeschlichen, weshalb ein spontanes Abenteuer, ausgelöst durch Reiz, auf einmal etwas ist, dem man situativ zugänglich wird.
Je nachdem wie Tiefenpsychologisch man herangeht wird es vermutlich immer irgendwelche Gründe geben und sei es nur, dass eine Person über die eigenen Handlungen nicht nachdenkt und sich Impulsen ergibt. Oder die eigenen Grenzen gegenüber Dritten, die Avancen machen, nicht artikulieren kann, eventuell nicht "Nein" sagen kann, wenn etwas in einem bestimmten Kontext vorkommt.
Das mag alles sein und am Ende so erscheinen, als wäre ja eigentlich alles supi in der Beziehung, aber dennoch ging jemand fremd. So aus heiterem Himmel.
Mir ging es um die angerissen offenensichtlichen Schieflagen. Diese nun von mir erörterten Schieflagen sind das nicht. Sie sind vielleicht sogar eher ganz andere Dinge, die wirklich nur die fremdgehende Person betreffen. Da kann der betrogene Partner dann überlegen was in der Beziehung schief lief, so viel er oder sie möchte.
Der Mensch, mir geht es nicht anders, sucht immer nach Gründen was er oder sie möglicherweise getan oder nicht getan hat, weil das ein Griff nach Kontrolle über die Situation ist. Es erleichtert das Gefühl der Ohnmacht gegenüber einer Situation, die einen zwar negativ betrifft, aber an der man keine Verantwortung trägt. Denn so etwas kann vorkommen. Man kann sich bemühen und machen und tun, Gesprächsbereit sein, Kommunizieren und am Ende passieren Dinge dennoch. Das fühlt sich mies an.
Natürlich gibt es genauso die Beziehungen, bei denen man an Schieflagen mit werkelte, also mit verantwortlich ist. Aber am Akt des Fremdgehens ist man das nicht. Das ist man selbst dann nicht, wenn es der anderen Person so erscheint als könne sie gar nicht anders, als müsse sie fremdgehen.
Wenn man das glaubt, dann hat die Beziehung nicht nur eine Schieflage, dann ist sie schon gekentert.