Meiner Meinung nach wird das Thema Outing in der BDSM-Szene überstrapaziert.
Bitte nicht falsch verstehen, jeder der sich gerne outen will, soll das gerne tun. Oft habe ich allerdings das Gefühl, dass unter BDSMlern oft eine Art moralischer Zwang zum Outing herrscht und alle, die ein Outing für unnötig halten und keine Peitschen im Wohnzimmer hängen haben, nicht für voll genommen werden. (Das gibt's übrigens genau so in der Swingerszene "Wie, ihr habt veröffentlicht nur verpixelte Fotos im Internet? Na dann könnt ihr ja gar nicht echt sein." - bitte mal auf der Zunge zergehen lassen...)
Ich fühle mich normal wie ich bin und habe kein Bedürfnis, meiner Umwelt über die Dinge meines Lebens aufzuklären, die meine Person von "Otto Normalverbraucher" unterscheiden.
Ich bin kein echter SM-Anhänger? Vielleicht. Dann bin ich Vieles andere aber auch nicht.
Ein Beispiele? Ich bin bisexuell. Nicht wie die "Mode-Bi-Frauen" und auch nicht nur auf sexueller Ebene, sondern so, dass eine Partnerin für mich immer genau so eine Option war wie ein Partner (momentan ist es ein Partner und ich hoffe, dass ich nie mehr in die Situation einer Partner/innen/suche komme, aber es gab auch Partnerinnen), dennoch wissen nur wenige Leute in meinem Umfeld von meiner Bisexualität (bei George ist es übrigens ziemlich ähnlich).
Wer mich mit einer Frau erlebt (hat) weiß natürlich Bescheid, eine Partnerin würde ich auch nie verstecken, aber ich habe einfach nie das Gefühl, sonst jemandem davon zu erzählen. Heterosexuelle outen sich ja auch nicht.
Selbst als eine Kollegin mir von ihrer lesbischen Cousine erzählte und dass sie immer noch ein komisches Gefühl hat, wenn sie sie zusammen mit ihrer Freundin beim Austausch von Zärtlichkeiten sieht, hatte ich nicht das Gefühl, dazu irgendwas mich Betreffendes zu sagen, habe dabei aber nicht das Gefühl, dass ich mich verleugne. Mir reicht es, wenn interessierte Damen merken wie ich sexuell "ticke".
Genau so halte ich's mit meinen Tätowierungen, Piercings und etlichen anderen Dingen.
Wie schon im letzten Posting erwähnt bekommen Freunde sicherlich eine ehrliche Antwort, wenn sie denn fragen oder das Thema darauf kommt (wer uns näher kennt, kriegt sicherlich auch Verschiedenes automatisch mit, manchmal liegt hier z. B. irgendwas herum, was wir nicht weggeräumt haben, ich habe manchmal blaue Flecken, trage Korsetts, wir fahren zu irgendwelchen Parties in den Niederlanden, haben viele Bekannte aus dem Internet, etc. pp. und unser Verhalten zueinander ist manchmal für andere schon etwas seltsam), ich muss aber nicht von selbst damit anfangen und entferntere Bekannte und andere Leute gehen verschiedene Dinge meines Lebens einfach gar nichts an.
Mit dieser Haltung habe ich mich (und wir uns, denn George teilt meine Einstellung) allerdings nicht zu einem verkniffenen Einzelgänger entwickelt, sondern wir gehen durchaus mit Humor mit diesen Themen um, halten aber eben viel von Diskretion, eigentlich in allen Belangen des Lebens.
Die - angebliche - Tatsache, dass man gleiche Erfahrungen gemacht haben muss, um einander verstehen und dauerhaft engeren Kontakt zu halten, ängstigt mich eher als das ich dies für erstrebenswert halte. Darüber hinaus ist das für mich auch keine Tatsache.
Allerdings tun viele Gruppierungen - bzw. einige Leute verschiedener Gruppierungen - Einiges dafür, um sich von anderen abzugrenzen und abzuheben.
Ein Beispiel hierzu: Ich habe mich mit einem Schwulen unterhalten. Er hob sich schon äußerlich von allen anderen ab. Er war - bei einem beruflichen Termin, auf dem Anzug bzw. Kostüm angesagt waren - komplett in Leder gekleidet, hatte das Gesicht voller Piercings und den Körper voller Tätowierungen. Diverse Gay-Aufnäher auf der Weste fehlten nicht. Zudem trug er noch einen O-Ring. Dagegen war ich mit einem Kostüm bekleidet und sah nicht anders als die anderen Leute aus, hatte jedoch mehrere Dinge an mir, die für meinen Partner und mich Zeichen für die Art unserer Beziehung sind, anderen aber nicht weiter auffallen und auch nicht von Außenstehenden entschlüsselt werden können.
Zurück zur Unterhaltung. Wir sprachen über irgend jemandem und er meinte in diesem Zusammenhang so etwas wie "Er hat einen Fetisch für Briefmarken." - "Wie kann man den einen Fetisch für Briefmarken haben?" -"Das ist Schwulen-Sprache. Ich meine, das ist sein Hobby. Sorry, du als Hetero kannst das ja nicht verstehen." - klar, ich als Heterosexuelle...
Warum Schwule nun eine eigene Sprache haben müssen, konnte er mir nicht erklären. Klar braucht jeder Kreis von Leuten mit gleichem Interesse oder gleicher Neigung ein paar "Fachbegriffe", aber "Hobby" ist für Schwule ja kein Fachbegriff in dem Sinne. Genau so müssen sie sich auf beruflichen Terminen auch nicht durch Lederkleidung von andern abheben.
Vielleicht trug er Leder aber auch in seiner Eigenschaft als SMler. ;-)Nebenher bemerkt, fühlte dieser Herr sich und andere Homosexuelle ständig durch die Umwelt durch uns böse Heteros diskriminiert. Meine Einwände, ob das nicht mit seinem exotischen Äußeren zu tun haben könnte, ließ er nicht gelten.
Genau so kenne ich übrigens Schwule, die Freunde aller möglichen sexuellen Ausrichtungen haben. Sie bedienen sich keiner "Schwulensprache", kennen sie - nach eigenen Angaben - auch gar nicht.
Wie schon erwähnt, manche Leute scheinen sich und die Gruppierung, der sie angehören, von anderen abheben zu wollen. Vielleicht mag der ein oder andere sich so als Elite fühlen?
SMler, die so denken, bezeichnen andere dann passendereweise als "Stino", was zeigt, dass wir ja weit über den anderen und ihren Erfahrungen stehen (ich spreche damit nicht die Leute an, die dieses Wort als eingeführten Begriff verwenden und damit keine Wertung verbinden).
Die einen machen Blümchensex und sind halt "stinknormal", wir aber haben eine besondere Form der Beziehung, die ja für keinen nachvollziehbar ist in ihrer Enge und Ehrlichkeit, das MUSS ja mehr wert sein...
Man könnte es übrigens auch andersherum sehen: Wir SM-Anhänger benötigen offensichtlich zusätzliche Stimulation. Die "Stinos" haben das nicht nötig und stehen somit weit über uns und unseren Abgründen.
Ist unsere Neigung mehr wert als andere?
Oder ist unser gutes Gefühl vielleicht ein Zeichen für unsere fortschreitende persönliche Entwicklung? Andere haben sich genau so weiter entwickelt, auch wenn es bei ihnen nicht zum BDSM geführt hat. Dafür vielleicht zu anderen Dingen, die wir nie verstehen werden und wollen...
Eindeutig gibt es Leute, die am liebsten unter Ihresgleichen sind und möglichst viele Gemeinsamkeiten mit anderen haben wollen.
Aber die Suche nach möglichst ähnlichen Leuten kann auch zwanghaft werden (siehe die vielen Paare, die erfolglos auf der Suche nach "dem Paar" sind, obwohl sie viel Spaß mit netten Leuten haben könnten, bei denen aber die abstehenden Ohren oder die Haarfarbe nicht passen...) und zur tatsächlichen (auch geistigen?) Vereinsamung führen.
Wir leben unser Leben und unsere Neigungen mit einer Art heiterer Gelassenheit. Wir halten Kontakte zu Leuten unterschiedlichen Couleurs. Die sexuellen Neigungen und Ausrichtungen spielen dabei keine Rolle. Irgendwie verstellen müssen wir uns dabei auch nicht. Treffen wir uns mit Bekannten aus der "Szene", verläuft beispielsweise ein Restaurant-Besuch nicht anders als wenn wir uns mit Leuten treffen, deren sexuelle Ausrichtung wir nicht kennen.
Um nicht zu vereinsamen oder um aus der Einsamkeit heraus zu kommen, ist jedenfalls immer Eigeninitiative gefragt. Einsamkeit hat für mich auch etwas von Passivität!
Ach, was gäbe ich dafür, wenn ich mich kürzer fassen könnte!
Vielleicht ist mir jemand bis hierher gefolgt und hat mich sogar verstanden...
Tiana