„>>>Wer gibt denn den Fremdgeher/innen das Recht, pauschal und ungefragt hinter dem Rücken der Partner zu entscheiden?
Das genau ist für mich der Punkt, mit dem sich heimliche Fremdgänger offenbar einfach nicht beschäftigen wollen.
Darauf habe ich noch NIE eine Antwort bekommen.<<<
Nun stelle ich als neugierige Person, die übrigens selbst noch nie heimlich betrogen wurde, diese Frage noch einmal und bitte um eine ehrliche Antwort.
Ich verspreche, über diese unvoreingenommen nachzudenken, bevor ich selbst darauf antworte.
Okay, ich versuche es mal. Kann aber eine Weile dauern und ist vielleicht wenig befriedigend, weil ich durchaus mehr Fragen als Antworten habe.
Zunächst und zur Klärung: Ich habe "betrogen", also heimlich und gegen eine Verabredung zur Monogamie Sex mit einer dritten Person gehabt. Nicht "oft", nicht auf regulärer Basis und nicht systematisch, aber mehr als einmal mit sehr unterschiedlichem Gefühl. Ich mache das schon ziemlich lange nicht mehr, auch das aus verschiedenen Gründen. Ich habe also eine Idee, wovon ich rede, bin aber keineswegs auf der Suche nach Absolution. Und ich habe mich mit den besagten Punkten sehr ausführlich beschäftigt, wenn auch nicht mit zufriedenstellender Antwort.
1. Eine Verabredung, eine Absprache einseitig zu hintergehen, obwohl man ihr sehenden Auges zugestimmt hat, kann tatsächlich aus moralischer Sicht auch in meinen Augen falsch oder fragwürdig sein. Schließt Teile meines eigenen Handelns, siehe oben, ein. Eine "generelle Rechtfertigung" gibt es in meinen Augen nicht.
2. Das besagte Recht, zu entscheiden, ist ureigenes Recht aller Menschen. Das kann und muß mir niemand geben, das kann und darf mir niemand nehmen. Also muss ich auch niemanden fragen.
3. "Pauschal" hat für mich in diesem Zusammenhang keine sinnvolle Bedeutung; die Entscheidung für z.B. nicht abgesprochenen Sex mit Dritten fällt ja in aller Regel bezogen auf Sitiation und Person. Ein "mir egal, ich vögel pauschal alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist!" dürfte die große Ausnahme sein.
4. Wenn gegen eine Verabredung entschieden wird, hat das Konsequenzen, wie jede Entscheidung. Schlechtes Gewissen, Vertrauensverlust, vielleicht mehr. Beide Konsequenzen sind weder vermeidbar noch finde ich sie "falsch". Eine moralische (negative) Bewertung auch von Aussenstehenden finde ich daher nicht per se verboten.
Heißt in Summe: Person A entscheidet (und hat das Recht dazu), aber Person B leidet womöglich ungefragt und ungewollt darunter. Das ist nicht fair. Diese Unfairness ist der Kern des potentiellen moralischen Problems und nicht auflösbar ausser durch "Selbsbindung", also die freiwillige Selbstverpflichtung der Beteiligten, sich an die Absprache zu halten. Wichtig ist hierbei "freiwillig": B hat kein Recht (siehe "Entscheidungsfreiheit" oben, sie einzufordern.
So weit, so abstrakt, so generell. Spezifisch wird die ganze Angelegenheit aber durch eine Menge Faktoren unklarer:
-Wie explizit und konkret ist die Absprache zur Monogamie und/oder zum Umgang mit Verstößen dagegen denn tatsächlich? Je klarer, desto klarer auch die moralische Dimension des Regelsverstoßes. Meiner Erfahrung und Beobachtung nach ist sie aber lange nicht immer klar; oft wird (teilweise einseitig) "Erwartet" und "davon ausgegangen". Das macht die moralische Dimension des Verstoßes weniger klar. Andererseits bietet es auch ein inneres Schlupfloch für die Person, die sich nicht daran halten, sich aber den inneren Konsequenzen nicht stellen will: " Ich weiß, dass es erwartet wird, aber eigentlich haben wir das ja soooo deutlich nie gesagt. Dann ist es ja auch keine Lüge, wenn ich ..." finde ich eine Ausrede und zu kurz gesprungen.
-Wie aktuell ist der Stand? Haben sich Menschen, Umwelt, Beziehung verändert, so dass auch eine Aktualisierung der Absprache erforderlich wäre? Da gilt ähnliches wie oben: Macht es möglicherweise weniger eindeutig.
-Wie bedeutsam ist der Verstoß? Ist ein Geständnis, dass in erster Linie dem eigenen Gewissen dient, tatsächlich eine gute Idee, wenn die andere Person gerade in einem emotionalen Loch steckt oder die Beziehung in einer Krise? Andererseits: Ist das wirklich durchdacht oder wieder nur eine Ausrede, nichts "gestehen" zu müssen?
-Wie steht es mit "quid pro quo"? A hat mal, dann darf B auch mal? A hat beim Einkaufsopreis von X gelogen, dann darf B zur Dienstreise lügen? Alleine darüber kann man sich einen Knoten denken ...
All das und noch viel mehr führt dazu, dass ich pauschale Urteile und Verurteilungen nicht angemessen finde, gleichzeitig aber klar ist, dass da jede Menge Ausredenalarm losplärren kann. Eine abschließende Lösung habe ich nur insofern, als dass Menschen, und damit zurück zu Anfang, Entscheiden können und müssen und können müssen. Und weil sie dafür die Konsequenzen tragen, so oder so, sollten sie es idealerweise bewußt tun. Aber schlußendlich bleiben es Menschen, und auch mit Entscheidungen, die spontan aus dem Bauch oder den Lenden kommen, müssen wir leben. Die Alternative nämlich wäre die komplette Durchplanung des Lebens, und das fände ich nicht erstrebenswert.