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Der Unternehmer erzählte, dass junge Männer und junge Frauen in Zeiten vor dem Internet in etwa ähnlich gleiche Chancen beim Dating hatten. Die meisten haben im Umkreis (Schule, Ausbildung, Beruf, Hobby, Ausgehen) jemanden kennengelernt. Daraus ergab sich etwas oder auch nicht. Die Leute waren zumeist mit ihren Entscheidungen zufrieden.
Das ist dieser "Choice Overload Effect". Je mehr Auswahl man hat, desto schwerer fällt es eine zu treffen und desto eher ist man dann geneigt, mit der getroffenen Auswahl unzufrieden zu sein. Das kann sich natürlich auf das Verhalten auswirken.
„Heute sieht die Situation aufgrund des Internets mit Social Media und Online Dating völlig anders aus. Denn dadurch lernt man nicht mehr nur die paar Menschen, denen man im Alltag, im Job oder in der Freizeit begegnet als potenzieller Partner bzw. Partnerin kennen, sondern es stehen schier unendlich viele Möglichkeiten zur Verfügung.
Das ist uns allen, denke ich, soweit klar.
Im Grunde ist das eine reine Illusion. Man glaubt nur eine größere Auswahl zu haben, was aber egtl. nicht der Fall ist. Wirklich kennenlernen kann man eben auch nur die Leute, mit denen beidseitig überhaupt ein Interesse besteht. Und zeitlich wäre das auch gar nicht machbar, wirklich JEDES Match zu treffen. Und dann beim Treffen muss man sich ja auch erstmal gegenseitig überzeugen. Man hat zwar das Gefühl, aus einem Katalog mit einem Überangebot auswählen zu können, aber am Ende läuft es aufs selbe hinaus.
„Dann sagte er etwas, das ich besonders interessant fand. Er sagte, die heute 18jährigen Männer hätten es im Vergleich zu früher extrem schwer. Während die gleichaltrigen Frauen signifikant mehr Aufmerksamkeit in Social Media und auf Online Dating Plattformen erhalten, interessiere sich heute kaum jemand für die jungen Männer.
„In Social Media würde den Jungs das Gefühl vermittelt werden, sie bräuchten einen Rolex und einen Ferrari, ansonsten hätten sie bei den Mädels keine Chance - haben es also ungleich schwerer, eine Partnerin zu finden. Im Gegensatz dazu erhalten viele junge Frauen Einladungen zu Urlauben, teure Geschenke oder werden hofiert.
Wenn ich jetzt von mir auf die gesamte Gesellschaft schließen würde, wäre genau das Gegenteil der Fall. Ich hab' noch nie einen Urlaub angeboten, aber tatsächlich mal eine Einladung erhalten. Das war mir aber dann doch too much. Allgemein war mir da vieles in dem Fall too early too much.
Aber man bekommt ja auch mit, wie es so läuft und das kann natürlich total das Bild von der Realität verzerren. Man sieht ja auch hier im Forum, wie viele von reinen online Erfahrungen und Eindrücken dann direkt auf die Realität schließen und ihr Weltbild sich daran orientiert.
„Er sagte dann auch: Man muss sich fragen, was mit dem Charakter passiert, wenn man schon in jungen Jahren solche Erfahrungen macht. Das hat mich zum Nachdenken angeregt daher würde ich gerne von Euch wissen:
Was denkt Ihr darüber?
Können solche Erfahrungen beim Online Dating in jungen Jahren den Charakter verändern?
Kann Online Dating auch bei Erwachsenen den Charakter verändern?
Könnte das auch hier auf Joyclub zutreffen?
Wie waren/sind Eure Erfahrungen hier oder auch andernorts?
Ob es jetzt wirklich den Charakter verändert, wage ich zu bezweifeln. Was aber definitiv passiert, ist eine Verzerrung des Weltbildes. Auch, wenn man weiß, dass es Schwachsinn ist, verändert sich einfach das Gefühl, wie man die Dinge wahrnimmt. Wenn ich durch Tinder, Bumble & Co. swipe, fange ich unterbewusst auch an zu glauben, 90% der Frauen seien ziemlich attraktiv (nach meinem persönlichen Empfinden) und wiederum jede 5. davon (optisch zumindest) absolut mein Typ. Dem ist natürlich nicht so. Das ist einfach nur der Algorithmus, der versucht, mir nur Mädels vorzuschlagen, die meinem Geschmack entsprechen.
Dagegen gibt es aber ein ganz einfaches Mittel: Einfach mal rausgehen und mit Vertretern des anderen Geschlechts in Kontakt treten. Man wird feststellen, dass alles gar nicht so schlimm ist. Man wird auch feststellen, dass sich nicht vor jedem hlabwegs attraktiven Mädel eine Schlange von "99+" sabbernden Typen auftut und sie den ganzen Abend damit beschäftigt sind, auszusortieren. Wenn mich an einem Abend in einer Bar 3-5 Mädels anquatschen fühlt sich das 10x besser an, als wenn sich aus 100 geliketen Profilen 20 Matches und daraus wiederum 5 Dates ergeben. Auch, wenn ich weiß, dass der Großteil dieser 100 Profile das meinige wahrscheinlich nicht mal zu Gesicht bekommt, fühlt sich das dann nach 80 Körben an. Und gleichzeitig bekommt man von Freundinnen mit, dass die von Likes regelrecht erschlagen werden. Da bekommt einen schnell mal ein Gefühl von Neid, auch wenn man weiß, dass das unsinnig ist, weil viele Typen einfach auch alles liken, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist und dann antworten sie nicht, oder tauchen nicht bei den Dates auf und viele sind einfach auch extrem creepy. Das sind Probleme, die ich als Typ so gut wie gar nicht habe. Aber, wer als Heterotyp mal wissen will, wie das ist, in Likes zu ertrinken: Einfach mal das Profil für eine halbe Stunde auch für Männer öffnen.
Lange Rede kurzer Sinn: Ja, im Online Dating stellt sich vieles vermeintlich anders dar, als es dann in der Realität der Fall ist bzw. wir nehmen vieles anders war. Und auch wenn man um die Sache mit den Algorithmen weiß, kann das das eigene Weltbild sehr wohl verändern. Wenn man sich dann einfach mal davon überzeugt, wie es dann im wahren Leben so aussieht, kann man seine Sicht auf die Welt des Flirtens auch ganz schnell und leicht wieder entzerren. Und am Ende läuft ja auch das Online Dating auf reale Begegnungen hinaus und da ist dann auch wieder alles wie es schon immer war.