Lust-Schmerz darf nicht weh tun ...
Irgendwie verhaspelt sich bei diesem Satz im Posting des Gefallenen Engels mein logisches Sprachempfinden: Tut nun Schmerz weh oder nicht?
Wenn es Empfindungen geben sollte, die Schmerzen sind, aber nicht weh tun, habe ich wohl den Sinn des deutschen Wortes "Schmerz" nicht richtig verstanden.
Ich versuche, die Gedanken ins Positive zu wenden: Es gibt ja zunächst einmal ganz unterschiedliche Schmerzen, da unser Körper auf unterschiedliche Reize unterschiedlich reagiert. Der Schmerz einer Nierensteinkolik oder der Schmerz des Zahnarztbohrers am Zahnnerv sind ganz andere Arten von Schmerzen wie diejenige, die etwa eine Peitsche auf der Haut des Gesässteils verursacht.
Soweit ich sehe, arbeitet SM mit Schmerzen, die durch Einwirkung auf die
Hautoberfläche des Körpers hervorgerufen wurde. Diese Schmerzen
können mit Lust verbunden werden, was ich mir bei solchen eines entzündlichen Prozesses nicht vorstellen kann.
Aber selbst bei den Schmerzen der Haut, die Lust machen können, gibt es natürlich eine individuell verschiedene Grenze, wann die Lust des Schmerzes in Unlust umschlägt. Das passiert dann, wenn man das Gefühl hat: ich halte das nicht mehr aus. Ich will, dass es aufhört. Es obliegt dem dominanten Partner, so sensibel wie möglich zu sein, um diesen Punkt zu erspüren.
Bedenken wir auch: Schmerz ist ja eine Einrichtung, die unserem Bewusstsein signalisiert, dass unser Körper
in Gefahr ist. Im SM-Spiel negieren wir diesen Impuls, durch unser Bewusstsein, dass ja gar keine wirkliche Gefahr besteht. Unser Körper stellt die inzwischen mehrfach genannten Endorphine bereit, damit wir uns der Gefahr schnell entziehen können (etwa flüchten). Unser Bewusstsein sagt: ich flüchte nicht, weil keine echte Gefahr besteht. Aus dieser Spannung zwischen Körperreaktion und Bewusstsein kann die sexuelle Lust entstehen.
Ich schreibe "kann", weil natürlich niemand, der beim Empfinden von Schmerzen
keine Lust verspürt, denken sollte, bei ihm sei etwas nicht in Ordnung.
Warum die Unterdrückung des körperlich induzierten Schmerz-Abwehrreflexes Lust machen kann, ist ein grosses Geheimnis. Für diesen Umsetzungsprozess scheinen eine Menge psychischer Reflexe verantwortlich zu sein, die von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein können. Um nur einen zu nennen: kindliche Bestrafungserfahrungen können im Bewusstsein des Erwachsenenalters zu erotischen Kicks umgemünzt werden.
Einen weiteren Punkt der Vorpostings möchte ich aufgreifen:
Wie kann man jemandem Schmerzen zufügen, den man liebt?
Für mich ist der Sachverhalt genau umgekehrt: ich könnte niemals jemandem Schmerzen zufügen, den ich
nicht liebe, da ich jegliche Art von Gewalt als feindlichen Akt ablehne. Ich füge meiner Geliebten Schmerz aus zwei Gründen zu: erstens, weil es sie geil macht, und zweitens, weil sie mit ihrem Vertrauen, das sie in einer Session mir gegenüber bringt, mir ihre Liebe in einer unvergleichlichen Weise zeigt. Das kickt mich ungemein. Iwan hat Ähnliches beschrieben. Gerade, weil das Zufügen und Hinnehmen von Schmerzen ein Tabubruch ist, ist der Vollzug dieses Tabubruches zwischen meiner Geliebten und mir eine Feier höchster Nähe unserer Seelen. Von daher erwächst aus der puren erotischen Lust eine tiefe seelische Verbundenheit.
Wir fühlen uns natürlich auch ausserhalb von SM tief verbunden, aber in einer Session
führen wir uns das beide vor Augen, wir "inszenieren" es als ein Ritual. Riten sind Veranstaltungen, die etwas "feiern" (sie kommen derzeit aus der Mode). In Liebesbeziehungen werden Riten oft unterschätzt. Zu
wissen, dass man sich liebt, ist etwas anderes, als in einem Ritual sich dies immer wieder neu vor Augen zu führen. Für uns ist unsere SM-Lust hierfür eine geeignete Plattform.
stephensson
art_of_pain