Wie erwähnt ist mir eine wirklich tolle, tiefe und wichtige Beziehung am Fremdgehen und dem damit verbundenen Vertrauensverlust zerbrochen. Ich bin bis heute gut mit der entsprechenden Ex-Partnerin befreundet und wir haben ausführlich aus allen Richtungen darüber gesprochen. Mit dem Wissen von heute ist klar, dass es ein großer Fehler war, dass die Affäre heimlich und hinter ihrem Rücken passiert ist. Die richtige Entscheidung wäre gewesen, damals schon ehrlich über meine Poly-Neigung zu sprechen und ein Öffnen der Beziehung vorzuschlagen. Das hätte sie zwar wahrscheinlich abgelehnt und es wäre zu erwarten gewesen, dass es mittelfristig auch zu einem tränenreichen Ende der Beziehung geführt hätte, aber vermieden worden wäre der Vertrauensbruch, die tiefe Verletzung. Dass ich meinem Karma mit der ganzen Sache keinen Gefallen getan habe, ist für mich eine klare Angelegenheit, die ich nicht zu beschönigen versuche.
Gleichzeitig hatte ich damals aber natürlich meine Gründe. An erster Stelle stand, dass ich einfach nicht wollte, dass die Beziehung endet. Ich habe sie wirklich von ganzem Herzen geliebt und ich hatte einfach Angst vor den Konsequenzen. Das war für mich ein handfestes Dilemma: Gebe ich meinen Neigungen nach, dann riskiere ich meine Liebe. Unterdrücke ich die Neigungen im Sinne der Liebe, dann presse ich mich selbst in eine Form, von der ich weiß, dass sich ein Teil von mir in darin nicht wohlfühlt. Also der Versuch, beides irgendwie parallel laufen zu lassen, und die naive Hoffnung, dass sich die Stränge sauber trennen lassen.
Interessanterweise habe ich mit der anderen beteiligten Frau beinehrlich und offen über alles gesprochen, also über meine poly-Neigung, darüber, dass ich meine Beziehung unheimlich schön fand und dass die Affäre überhaupt nicht auf irgendeinem Mangel beruhte, den ich "außerhalb" ausgleichen wollte.
Meine Bewertung der ganzen Sache ist ambivalent. Auf der einen Seite bereue ich es ungemein, Menschen, die mir lieb und teuer sind, sehr schwer verletzt zu haben. Auf der anderen Seite war das für mich ein wichtiger Schritt, um an den Punkt zu gelangen, an dem ich heute bin und an dem ich ehrlich zu mir stehen kann. Was ich mir wünschen würde, wäre, dass junge Menschen von Anfang an auf offene und nicht wertende Weise mit unterschiedlichen Beziehungskonzepten vertraut gemacht werden. Mir zumindest hätte es sehr geholfen, wenn ich schon früher Alternativen zur klassischen Mono-Beziehung auf positive Weise kennengelernt hätte.