Vielleicht mal ein kleiner Vergleich zum Zusammenhang von Sex und Liebe, um meine Poly-Perspektive ein bisschen (be-)greifbarer zu machen:
Für mich hat Sex sehr viel gemeinsam mit Reden. Beides ist absolut essenziell für eine Liebesbeziehung. Beides kann flüchtig und oberflächlich sein oder aber tief und intensiv. Wenn es tief und intensiv ist, macht man sich mit beidem verletzlich, weil man seine äußeren Schutzhüllen fallenlässt und sich so zeigt, wie man wirklich ist. Das setzt in beiden Fällen eine Menge Vertrauen voraus. Und bei beidem könnte man eigentlich ähnliche Sorgen haben, wenn der Partner oder die Partnerin es sich außerhalb der Beziehung holt.
Trotzdem klingt es für uns erst mal befremdlich, wenn man die Wörter "Sex" und "Gespräch" austauscht. "Bin ich vielleicht nicht gut genug, wenn mein Partner/meine Partnerin auch mit anderen reden muss? Holt er/sie sich da etwas, was ich ihm nicht geben kann? Es wäre so schön, wenn er/sie dieses intime Erlebnis nur mit mir teilen würde. Das würde unsere Beziehung doch zu etwas ganz Besonderem, Einzigartigem, Heiligem machen."
Genauso klingt es für mich als Poly-Tierchen, wenn entsprechend über Sex gesprochen wird. Ich kann alles nachfühlen, was die Intimität und die Bedeutung von Sex angeht. Ich stimme auch voll zu, dass guter, erfüllender Sex für eine gute Beziehung essenziell ist. Nur die Exklusivitätsforderung klingt für mich halt total arbiträr. Der Sex mit meiner Partnerin wird kein bisschen schlechter, ordinärer oder wertloser, nur weil ich auch mit anderen Menschen Sex habe, genauso wie unsere Gespräche nicht schlechter werde, nur weil ich auch mit anderen Menschen tiefe Gespräche führe. Im Gegenteil. Ich bringe die Erfahrungen, die ich "außerhalb" mache, ja wieder mit in die Beziehung zurück. Ich komme mit mehr Input und neuen Anregungen zurück, die wir, wenn wir wollen, zusammen aufgreifen und etwas Eigenes daraus machen können.
Ich hoffe, das hilft vielleicht ein bisschen, meine Perspektive verständlich zu machen.