Das die neue Beziehung nicht die alte ist ist absolut richtig.
Ich stelle für mich fest, dass es unterschiedliche Verarbeitungsstufen gibt, die ich unlängst so (sehr vereinfacht, deshalb bitte ich keine Diskussion darüber, zu beginnen dass Angststörungen und Traumata nicht genau so behandelt werden, denn das ist mir als ehemaliger Betroffener einer generalisierten Angststörung durchaus bewusst) beschrieb:
Wenn jemand einen Bahnunfall überlebte und darüber ein Trauma erlitt, welches sich darin äußert, dass die Person Angst vor Bahnfahrten hat, dann behandelt man es natürlich nicht in einem Zug, sondern zunächst abstrakt. Aber gänzlich bearbeiten wird man die Angst nicht, wenn man nicht wieder in einen Zug steigt. Man man es kognitiv behandelt, verarbeitet und überwunden haben, doch ist es noch einmal etwas anderes plötzlich wieder in einem Zug zu sitzen.
Ein Freund von mir hatte vor Jahren einen schweren Autounfall nachdem er einige Zeit im Koma lag.
Er hatte danach eine Psychotherapie, die die daraus resultierenden Traumata bearbeitete. Er hat keine panische Angst vor Autos und setzt sich auch in welche. Wir fuhren im letzten Jahr zusammen 6-8 Stunden zusammen zu einer Veranstaltung nach Ostdeutschland. Er hat gerade keine offenen Trauma und seine Erfahrungen durchaus verarbeitet und überwunden. Als er neben mir im Auto saß und wir auf der Autobahn in ziemlich wuseligen Verkehr zwischen LKWs gerieten hat er sich dennoch zusammenzuckend an der Handhalterung festgehalten und die Luft angehalten, weil ihn diese Situation schlicht triggerte. Er hat aber nicht darum gebeten, dass ich anders fahren sollte. Vielmehr erklärte er mir seine Reaktion und hat sich im weiteren Verlauf daran gewöhnt wie ich fahre und sich beruhigt, weil ein Gewöhnungseffekt eintrat: Wir sind nicht verunglückt. Die Angst kann zudem nicht endlos bestehen. Die Hormone kühlen wieder ab.
Bezogen auf negative Beziehungserfahrungen meine ich damit, dass es einerlei ist vergangene Negativerfahrungen für sich "trocken", demnach jenseits einer Beziehung, verarbeitet und überwunden zu haben oder ob man sich gerade wieder in einer Beziehungssituation befindet.
Ich habe meine vergangenen Beziehungen und einen totalen "Beziehungscrash" verarbeitet und überwunden, in welchem meine Ehe zusammenbrach, Unehrlichkeiten an mehreren Stellen aufbrachen und ich bei neuen Partner:innen mitunter völlig austauschbar, auf Neigungserfüllung reduziert und als "Schulter" wenn man sie gerade brauchte, benutzt wurde.
Das ist alles gut und schön und überhaupt die Grundlage um überhaupt wieder in der Lage zu sein sich auf einen neuen Menschen einlassen zu können. Wir kamen aber schon in Situationen in denen Dinge sich ähnlich anfühlten wie jene, die ich damals erlebte. Meine Partnerin hat dabei rein gar nichts falsch gemacht! Ich "durfte" aber Erfahrungen mit Menschen machen die mir etwa sagten, dass sie gerade "Dinge zu tun" haben, oder bei Menschen zu Besuch seien, weshalb sie das Handy ausschalteten. Später erfuhr ich, dass es nicht nur um "jemanden besuchen" ging, sondern um Intimitäten und Anbandlungen, die mir nicht mitgeteilt wurden, ergo verheimlicht worden sind. Meine aktuelle Partnerin braucht ab und an einfach Auszeiten. Das ist faktisch, rein auf die Sache heruntergebrochen, nun etwas ähnliches: Meine Partnerin teilt mir mit, dass sie X Tage oder Stunden nicht erreichbar ist und etwas für sich unternimmt. Die Erfahrung von früher schimmerte zunächst durch, egal wie gut ich glaubte sie verarbeitet zu haben. Kognitiv war mir völlig bewusst, dass das eine ganz andere Situation ist, weil dies ein ganz anderer Mensch ist. Trotzdem zuckten Emotionen hoch.
Das sind jetzt nur einzelne Beispiele, die deutlich machen sollen, dass "etwas verarbeitet haben" nicht bedeutet, dass man, wenn man wirklich das erste mal wieder in einer Situation ist, die der alten, in welcher man negative Erfahrungen machte, sehr ähnelt, nicht mindestens kurz "zuckt".
Wichtig ist mir, dass ich dann, wie oben beschrieben, meine Partnerin nicht in die Pflicht nehme und von ihr eine Verhaltensvermeidung erwarte und verlange. Wir haben das nur etwas angepasst. Ich sage ihr wenn bei mir etwas "zuckt", was natürlich keine Schuld bei ihr auslösen soll, sondern rein informativ ist, während wir gleichzeitig im Rahmen unserer D/s-Beziehung festgezurrt haben, dass ich bei bestimmten Themen einfach grundsätzlich miteinbezogen werde und ich schlicht nachhake und mir mehr Infos hole, wenn ich sie brauche.
Was ich jedoch nicht möchte ist extern beruhigt zu werden, denn dies würde bedeuten, dass sie wiederum ihr Verhalten in der Sache ändert. Mir mehr Infos zu geben, damit ich mich mitgenommen fühle und für mich besser mit Situationen umgehen kann, das "Zucken" damit besser verarbeiten kann, ist etwas anderes, da es nicht bedeutet, dass sie Handlungen zu unterlassen hätte. Gerade dies würde ich nie wollen.