Es gibt diesen schönen Spruch "Du solltest erst über mich urteilen, wenn du mal ein paar Meilen in meinen Schuhen gelaufen bist". In diesem Licht betrachtet können Ratschläge allenfalls Denkanstöße sein, ’wenn überhaupt’ würde ich anfügen wollen. Also lass dich nicht bequatschen, auch nicht von mir. Nimm das, was für dich nachvollziehbar ist, und höre auf deine innere Stimme.
Für MICH ist ’… da hilft nur Reden …’ als Ratschlag etwas, was mich Schmunzeln lässt. Mal rein von der Logik betrachtet: wenn dir Rosenkohl nicht schmeckt, was würde ’viel darüber reden’ daran ändern? - Es würde nicht anders oder besser schmecken. ‚Reden‘ kann letztendlich lediglich helfen, jemanden dazu zu bringen, etwas zu tun, was dieser ursprünglich eigentlich nicht tun wollen würde. Er tut es dann, weil es anderen, eventuell heeren Zielen dient. Aber das wäre wirklich ‚überreden’. Man tut etwas, was man nicht auch eigenem Antrieb und eigener Motivation heraus tun würde.
„Kompromiss“ ist auch so ein schönes Wort. Ein Kompromiss verlangt einen gegenseitigen Nutzen. Nehmen wir also mal deinen Fall. Sagen wir, du könntest ihn überreden, dass er wenigstens alle 14 Tage mit dir schläft und sich mehr Mühe gibt, das ein bisschen fantasievoller auszuschmücken.
Viele würden strahlen und sagen: "Ein guter Kompromiss“.
Aber dem ist nicht so: auch wenn es noch so schön wäre, es ist überhaupt kein Kompromiss. Wo wäre da sein Nutzen? - Vielleicht, dass du weniger meckerst oder weniger drängelst … Es gibt bei solchen Konstellationen keinen wirklichen Kompromiss. Es gibt nur mehr oder weniger belastende Vereinbarungen. Und sowas hält in der Regel nicht, weil es nicht aus innerer Überzeugung sondern aus äußerer Notwendigkeit besteht.
Ihn dazu zu überreden einfach mehr und fantasievolleren Sex mit dir zu haben wäre einfach nur die Umkehrung des Problems. Oder besser gesagt, die Verlagerung von deiner Pein zu seiner. Das wäre wohl kaum eine größere Gerechtigkeit, nur die Umkehrung des Leids.
Eine ’offene Ehe’ vielleicht? - Nun, das mag für Einige ein möglicher Ausweg sein. Eine ’einseitig offene Ehe’ ist eigentlich ein Paradoxon. Und genau genommen funktioniert eine ’einseitig offene Beziehung’ nur, weil der enthaltsame Part der Beziehung seinen Kink, seine Befriedigung/Erregung aus der Tatsache zieht enthaltsam zu leben. Wenn die Einseitigkeit sich allein daraus speist, dass der fidele Part zwar selbst Spaß an fremder Haut hat, aber nun gar nicht will, dass dem Partner das auch zusteht, ist das kein faires Arrangement und wahrscheinlich auch über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt.
Also eine offene Beziehung ist nun auch keine Lösung Eures Problems. Mal ganz davon abgesehen, dass seine Sorgen, dass du dich durch eine offene Beziehung schneller von ihm abwenden könntest auch nicht so ganz unbegründet sind, schlicht weil sich die statistische Möglichkeit für dich jemanden kennenzulernen und Empfindungen zu entwickelt erhöht. Es ist naiv zu glauben, dass eine offene Beziehung überhaupt keinen Einfluss auf andere Elemente einer Beziehung hat, und wenn es nur der Zeitfaktor ist. Aber ich würde behaupten, der Zeitfaktor ist beileibe nicht der einzige Punkt.
Fremdgehen wiederum wäre tatsächlich eine Lösung, wenn du absolut sicherstellen könntest, dass er nie und in keiner Weise davon erfahren oder etwas ahnen würde. Witzig in diesem Kontext zu sagen: ”Was er nicht weiß macht ihn nicht heiß.“
Woran ich in der Tat glaube ist, dass Menschen nur schwer zu ändern sind. Und ich bin davon überzeugt, dass es nur gelingt, wenn sie einen anderen Zugang zu Dingen und Situationen bekommen. Wenn sie quasi ihren Blickwinkel oder Horizont aus eigenem Antrieb verändern. D.h. konkret, wenn er am Sex oder an Erotik neue Aspekte finden könnte, die für ihn spannend oder interessant wären, die ihn vielleicht neugierig machen würden, dann könnte es Euch gelingen im Bereich Sex zueinander zu finden.
Du musst neue Aspekte finden, die ihn interessieren, die ihn neugierig machen und zwar auf eine Weise, die nicht auf Reden und Überzeugen basieren, sondern, die schlicht einen Trigger in ihm auslösen, so dass er aus eigener Motivation heraus mehr darüber wissen und lernen will.
Wie das geht? - die Welt der Fantasie steht dir da total offen. Keine Ahnung … was wäre dein Ding, … was wäre sein Ding …?!
Nehmen wir einfach mal als theoretisches Beispiel: Sagen wir du könntest ein befreundetes Ehepaar finden, das den Sex wesentlich offener handhabt. Aber ihr redet nie über Sex und solche Dinge, stattdessen grillt ihr was zusammen oder unternehmt was zusammen. Es passiert überhaupt nichts, was anstößig wäre, aber er würde halt durchaus realisieren, dass du dem Mann gefällst, oder dass die Frau des anderen ihn/deinen Partner durchaus sympathisch und ein bisschen anziehend findet. - Auf diese Weise müsste er sich ganz anders mit dem Thema „Sex“ auseinandersetzen. Es gäbe nichts wirklich, was er anprangern könnte, weil ja nichts Unredliches passiert. Aber er würde sich automatisch mit dem Mann vergleichen, der eben anders mit dem Thema umgeht. Du bist nach wie vor treu, aber begehrt, das mag eine gewisser Kick sein. Auf der anderen Seite ist aber die Frau, die ja mit so einem „Hallodri“ zusammen ist, wiederum deinem Partner gegenüber nicht abgeneigt. Er ist also auf Augenhöhe mit dem anderen Mann, eine Art ”quid pro quo”. Sehr wichtig für Männer. Du bringst ihn so dazu, sich auf seine Art und mit seinen eigenen Fragen und Antworten mit dem Thema weiter zu befassen. Das könnte eine Blockade lösen oder stimulierende Elemente erzeugen.
Das ist nur ein willkürliches Beispiel. Andere Ideen sind:
Gehe mit ihm in ein Theaterstück, was etwas lockerer ist ohne frivol zu sein. Ein Tisch zum Valentinstag in den berühmten Folies Bergere ist sicherlich völlig illusorisch, aber es illustriert vielleicht worum es geht. Es darf nicht billig sein, es darf nicht nur Sex im Fordergrund haben. Es muss ihm eine Rückzugsmöglichkeit geben, ihm aus anderen Gründen gefallen zu können. Er muss das Gefühl haben, sich frei entscheiden zu können was er zulässt oder nicht. Deswegen ist ein Swingerclubbesuch genauso unbrauchbar wie eine Fetischparty.
Zu guter Letzt aber: es ist schön zu lesen, und ich freue mich für Euch, dass es Euch gelingt, in vielen Lebensbereichen Eure Partnerschaft als Bereicherung zu empfinden und im Gleichklang zu sein. Da wäre es äußerst schade, wenn ausgerechnet die schönste Nebensache der Welt Euch auseinander treibt. Deswegen wünsche ich dir/Euch von Herzen, dass Ihr das irgendwie hinbekommt. Es wird sicherlich seine Zeit dauern, aber du solltest nicht aufgeben. Es könnte es wert sein.