Ich habe vor einigen Jahren recht intensiv mit jemandem darüber diskutiert, mit dem es dann am Ende keine Beziehung gab. Aber ich habe in dieser Zeit ein inneres Bild davon entwickelt, was mein Ideal wäre (bei allem Wissen darum, dass die Realität immer von zwei Menschen geplant wird und sich immer noch mal anders entwickelt).
Bei mir hört das mit dem Devotsein nicht an der Schlafzimmertür auf. Ich habe sehr lange gebraucht, um das zu verstehen. In der Literatur, im Internet findet man dazu immer nur den Unterschied zwischen "BDSM spielen" vs. "BDSM leben". Spielen vs. Leben? Ich lebe eigentlich immer, sogar beim Sex, und mein Leben ist alles in allem ziemlich verspielt. Spielen und verspielt sein ist ein sehr echter Teil meines Lebens.
Ein "echtes" Machtgefälle, was soll das sein? Diese Vorstellung stößt mich heute noch ab. Das hatte ich mit Anfang zwanzig mit einem sehr bösen Mann, der mich schrittweise komplett von meinem Freundeskreis isoliert hat, mein Studium sabotierte und bereits plante, mich, wenn ich denn endlich gescheitert war, bei Lidl an der Kasse unterzubringen. Ein "echtes" Machtgefälle macht mir also große Angst. Weil es dann tatsächlich bedeutet, abhängig zu sein, kein Safeword zum Schutz zu haben, kein soziales Netz.
Nein, äh, Nein. So was brauche ich nicht. Ich möchte es lieber verspielt halten, danke auch.
Ich habe dann also jahrelang so gelebt, als wäre ich nicht devot, und das war für mich vermutlich ähnlich verformend und von meiner Seele abschneidend, wie es für homosexuelle Menschen ist, wenn sie es dann doch mit einer heterosexuellen Beziehung versuchen, weil das einfacher zu sein scheint und man sich und der Umwelt das Coming-Out erspart. Keine Ahnung, ob der Vergleich stimmt, ich möchte nicht respektlos sein, falls es doch anders ist. Aber ich finde keinen besseren Vergleich dafür. Man ist etwas, egal, wie sehr man es unterdrückt, und dieses Unterdrücken ist ungesund und hindert einen daran, so zu lieben, wie man eigentlich lieben möchte.
Vor knapp vier Jahren habe ich dann angefangen, mit einem dominanten Mann in einer Vanilla-Beziehung (wie ich damals auch) darüber zu schreiben. Wir waren beide ein wenig schüchtern, und wir hatten unser Coming-Out zunächst voreinander, und es hat sich sicher genug angefühlt, weil ja alles nur Theorie war. Mit meinem damaligen Traumbuddy habe ich die Unterscheidung deswegen anders definiert. Wir haben versucht, es möglichst wertneutral in "punktuelles Machtgefälle" und "alltägliches Machtgefälle" einzuteilen. Beides schön, beides wichtig, beides richtig.
Für mich fühlt es sich so an, als sei der Unterschied ähnlich wie der zwischen Liebe und Sex. Sex ist großartig, intensiv, heftig. Ein Machtgefälle in einer Session ist ähnlich absolut oder kann es zumindest sein. Wenn man dominant oder devot ist, dann ist das ein Teil davon, wie man Sex mag, wie man Sex braucht, um Verlangen und Verbundenheit zu fühlen und zu zeigen.
Liebe ist leiser als Sex, und ähnlich ist es mit einem Machtgefälle im Alltag. Dominiert werden, sich unterwerfen, Schutz bekommen, bedienen, gehorchen, verspielt sein. Für mich fühlt es sich wie die Art an, wie ich Liebe zeigen will, wie ich Liebe gezeigt bekommen möchte. Ganz sanft, ganz zärtlich und mit großer Absolutheit, wie Liebe nun mal ist.
Es braucht da nix Fixes, kein starres Regelgerüst, keine Formalia. In anderen Beziehungen macht man Liebe doch auch nicht daran fest, dass man jeden Montag um die gleiche Zeit einen Strauß Rosen bekommt oder so. Man fühlt sie einfach, wenn man sich ansieht, in der Zärtlichkeit im Blick oder diesem anderen, was dominant-zärtlich und auch ein wenig grausamer ist.
Liebe ist der Alltag. Und ich möchte auf diese Weise Liebe geben und empfangen dürfen. Nicht als einzige Art, Liebe in der Partnerschaft zu empfinden und zu zeigen, aber als etwas, was sich ganz selbstverständlich mit all den anderen Formen partnerschaftlicher Liebe mischt wie Loyalität, gegenseitiger Unterstützung, gemeinsamen Aktivitäten, guten Gesprächen und gemeinsamer Haushaltsführung, wenn man irgendwann zusammenlebt.
Vorlagen ... Keine Ahnung, ob die funktionieren würden. Liebe ist doch einfach immer das, was man fühlt, und Liebe ist immer sehr einzigartig. Ich will den Mann fühlen, den ich liebe, nicht das, was sich andere Menschen über eine bestimmte Art des Liebens ausgedacht haben. Er muss nicht alles richtig oder "perfekt" machen, was für eine Art des Liebens wäre es, so etwas von ihm zu erwarten? Wie langweilig wäre es, vom Geliebten auf diese Weise eine Maske vorgespielt zu kommen, anstatt sein ehrliches, authentisches und verletzliches Mannsein zu fühlen?
Er muss einfach nur er selbst sein. Der Mann, der mein Partner ist und den ich auf meine ganz eigene devote Weise liebe, genau wie umgekehrt er mich auf seine ganz eigene dominante Art.