Wir führen seit unserem Kennenlernen vor 14 Jahren hier im JC eine Fernbeziehung über 260km, das heißt 3,5 Autostunden (einfach) oder 6 Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Wir sehen uns in unregelmäßigen Abständen und jeweils für unterschiedlich lange Dauer, von zwei Tagen bis zu mehreren Wochen oder Monaten gemeinsam.
Anfangs war ich beruflich örtlich gebunden, nach Eintritt in den Ruhestand zog ich um, aber nicht zu ihm, sondern von einem Haus im Grünen in eine alterskompatible, zentral gelegene Wohnung in der nahe gelegene Universitätsstadt mit guter Infrastruktur, wo ich auch sozial sehr gut vernetzt bin. Er hat ein Haus im Einzugsgebiet von München, in dem er alleine lebt, schön, aber sehr ländlich, in einem winzigen Dorf. Zu Beginn war er beruflich bedingt oft für mehrere Wochen, manchmal Monate, am Stück weltweit im Auslandseinsatz, oft am entgegengesetzten Ende der Welt. Was hätte ich während dieser Zeiten alleine in seinem Dorf tun sollen, wo ich nicht verwurzelt bin, auch wenn ich gerne dort bin, wenn er zu Hause ist?
Wir sind beide sehr selbständig, haben vor unserem Kennenlernen lange alleine gelebt, mit anspruchsvollen Berufen, die wir gerne ausgefüllt haben, sind es gewohnt, unseren Haushalt selbst zu versorgen, und es ist selbstverständlich, dass wir, wenn wir zusammen sind, egal ob bei ihm, bei mir oder in unserem Ferienwohnsitz in Italien, alle anfallenden Arbeiten beide gemeinsam verrichten, haben beide bereits mehrfach schwere Krankheiten durchgemacht, wo der andere jeweils selbstverständlich vor Ort da war und unterstützt hat, solange es nötig und gewünscht war, wir sind beide in beiden Familien und Freundeskreisen akzeptiert und integriert und werden zusammen eingeladen, nehmen Familienfeste und Verabredungen sowohl gemeinsam als auch alleine wahr, wie es sich eben ergibt.
Und wir verbringen unheimlich gerne Zeit miteinander. Aber wir treffen Freunde und Bekannte auch alleine, besuchen Veranstaltungen gemeinsam oder alleine, je nachdem, wie es sich ergibt und wer woran Interesse oder Freude hat. Wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen, in der Zeit dazwischen ist genug Raum um Dinge zu tun , die den jeweils anderen nicht so interessieren oder Freunde zu treffen, mit denen der andere jeweils nicht so viel anfangen kann. Das bereichert dann wieder unseren Austausch. Erotisch sind wir ausnahmslos gemeinsam unterwegs, auch wenn wir gelegentlich unsere Intimität für einen weiteren Mann öffnen, aber nie alleine, das ist uns beiden ein Bedürfnis, und Sex spielt in unserer Beziehung durchaus eine große Rolle, wir genießen ihn beide sehr.
Wir telefonieren täglich, egal, wie weit wir auseinander sind, manchmal mehrmals, und es gibt bestimmte Rituale, die wir pflegen, auch wenn wir getrennt sind, d.h. wir sind uns sehr nahe, auch wenn wir räumlich voneinander entfernt sind.
Für uns passt das so, unsere Beziehung ist gefestigt, krisenerprobt und wird auch nach so vielen Jahren immer noch tiefer und inniger.
Wenn wir den jetzigen Zustand altersbedingt nicht mehr beibehalten können, sei es, weil die Fahrerei zu anstrengend wird oder aus sonstigen Gründen, werden wir mit Sicherheit auch dann eine Lösung finden, die zu uns passt und mit der wir beide gut leben können.
Entscheidend für das Gelingen einer Fernbeziehung ist es in unseren Augen, dass beide Partner unabhängig sind, die Lebensphasen, in denen sich beide befinden, passen - es ist ein großer Unterschied, ob die Familiengründungsphase, Karriereaufbau, Kinderaufzucht, Elternpflege etc. bereits vorbei ist oder parallel geschultert werden muss, oder ob das alles bereits "erledigt" ist. Wir haben uns kennengelernt, als ich 60 und er 65 waren, und als nach ca. einem Jahr klar war, dass es beiderseits "etwas Ernstes" und auf längere Sicht angelegt wäre, haben wir das auch so nach außen klar kommuniziert, so dass da auch seitens Familie und Freundeskreis keine Unsicherheiten im Umgang bestanden. Das war uns wichtig.
Und es ist außerdem wichtig, dass jeder der beiden Partner für sich ein ausgefülltes Leben führt, und nicht aus einer Bedürftigkeit heraus auf Partnersuche geht. Denn das würde von vorneherein eine Schieflage (also "Flop"!) präjudizieren, kein Leben in Fülle und auf gleicher Augenhöhe - für uns der Schlüssel für eine gelingende Beziehung zu zweit.
Unsere Antwort auf die Threadüberschrift: "Fernbeziehung: top oder Flop?" ist also ein klares: "Top"!