BDSM, Spiel oder Leben und die Darstellung nach außen ...
Man hat ja so seine Deja - vu - Erlebnisse ...Eines meiner Erlebnisse habe ich in einschlägigen Foren, wenn die Rede auf BDSM in Verbindung mit Spiel kommt.
Irgendwann erreicht mich eine Mail, oder es wird ein Beitrag verfasst, in dem es heisst:
Für uns ist BDSM kein Spiel, sondern ...
a) ... wir leben es
b) ... BDSM ist unser leben
c) ... BDSM ist unsere Lebenseinstellung
24/7 also
Gefolgt von einer Ausführung über "echte" Neigung, Gefühle und natürlich das starke Selbstbewusstsein, dass man schon hatte oder erlangt hat.
Ok denke ich. Alles gut und schön, nichts liegt mir ferner als die Form, Dauer und Art und Weise des Auslebens zu kritisieren.
Aber dennoch bleibt es ein Spiel, bis zu dem Punkt in dem es ins "krankhafte" umschlägt. Wie schon gesagt, dabei bewerte ich nicht den Anteil des BDSM am Leben, auch nicht die Art und Weise, sondern nur die Einstellung zum Spiel.
Die Antwort ist dann meist ein: Das verstehst du nicht, das kann man nur verstehen, wenn man es lebt!
Ich frage mich dann immer wer was nicht versteht und denke, dass "Spiel" viel zu oberflächlich betrachtet wird und gar nicht das Bewusstsein besteht, was die Verneinung des Spiels bedeutet.
Natürlich ist diese Art von BDSM kein Schauspiel, kein Theaterspiel, kein Kinderspiel. Aber es ist und bleibt eine Form von Rollenspiel.
Nein, kein oberflächliches Rollenspiel in dem der Lover den Briefträger spielt, der die Briefempfängerin beglückt.
Ein intensives, tiefgründiges und langfristiges Rollenspiel, welches von echten Gefühlen und Emotionen geleitet wird.
Eine sehr bedenkliche Aussage habe ich jetzt kürzlich erhalten:
Wenn wir unseren BDSM als Spiel ansehen würden, dann wäre unser Leben eine einzige Lüge ...
Hier beschleicht mich immer der Verdacht, dass die Betreffenden entweder schon zu tief in ihr Spiel eingetaucht sind und die Realität nicht mehr wahrnehmen, oder recht leichtfertig mit dem Wort Spiel umgehen und in Kauf nehmen, dass sie eine Definition von BDSM schaffen, die so nicht gewollt oder gewünscht ist.
Ich finde diese Definition von Spiel als passendste:
„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“
– Huizinga: 1938/1991, S. 37
Wie gesagt, ich bestreite nicht, dass ein Spiel nicht ernsthaft betrieben werden kann, begleitet von echten Gefühlen und Emotionen.
Ich bestreite noch nicht einmal, dass ein Spiel Lebensinhalt sein kann.
Aber BDSM ausserhalb eines Spiels zu sehen ruft bei mir folgende Gedanken hervor:
1. Die Freiwilligkeit ist nicht mehr gegeben. Die Freiwilligkeit ist einem inneren oder einem äusseren Zwang gewichen, oder beidem
2. Wir Menschen sind grundsätzlich triebgesteuert. Unsere Neigung beschreibt die Art des Triebes. Unsere Persönlichkiet "steuert" den Trieb, kontrolliert und versteckt den Trieb, macht uns individuell. BDSM auszuleben bedeutet ein Stück unserer Persönlichkeit "abzulegen" und zu entindividualisieren und unseren Trieben und Neigungen freien Lauf zu lassen. Ausserhalb eines Spiels reduziere ich mich auf diese Entindividualisierung, verliere meine Persönlichkeit (Bei diesem Punkt bin ich mir nicht sicher ob dies auch den dominanten Part betrifft)
3. Auf den rein "praktischen" Teil von BDSM bezogen, also Züchtigung und Körperlichkeit wie sexuelle Handlungen, kann es doch nicht im Sinne von BDSM sein, dies als grundsätzliche, legitime Gesellschaftsform anzusehen. Ich erinnere an die kontroverse Diskussionen über das Thema Rapeplay, in dem das "Spiel" als einzige mögliche Legitimation angesehen wird.
4. Der Wunsch nach Sadismus und Masochismus bedeutet im Sinne von BDSM die Freude diesen zu empfangen, bzw. zu geben. So kann eine Züchtigung wohl quälen und als Qual empfunden werden, letztendlich aber persönlich als "genüssliche" Empfindung aufgefasst und auch gewollt. Die "Straffunktion" ist also "nur" gespielt und dienst der Befriedigung der Triebe.
Dies steht im völligen Gegensatz zur Bestrafung die ausserhalb des Spiels liegt, wie zum Beispiel in Ländern in denen die Sharia gilt, wenn körperliche Züchtigung in ihrer Straffunktion keine Rücksicht auf die körperliche und psychische Unversehrtheit des Bestraften nimmt.
Schwieriges Thema finde ich.
Ich würde mir wünschen, dass nicht eine Diskussion über Sinn und Unsinn von 24/7 entsteht, sondern sachlich auf die Wertung Spiel oder nicht Spiel eingegangen wird und warum sich gegen die Bezeichnung Spiel so vehement gewehrt wird.