Was heißt "tragen"!? - Auch unfreiwillig?
Erkennungszeichen?
Vielleicht tragen wir Menschen einfach unsere Ausstrahlung unbewusst vor uns her, so wie Reichsbürger ihren projizierten Selbsthass dank Brüchen in ihrer Biografie. So hat ein jeder seinen Lebenswandel, erkennbar für die Welt da draußen.
Doch derlei kann auch unfreiwillig geschehen:
Szenario 1
Ich kaufte einen britischen Sportwagen bei einem Berliner Autohaus, doch die Papiere waren nicht fertig!
Also eine Nacht ins Hotel... schnell eingecheckt und dann ab ins Kino.
"Zoo-Palast" - mondän!
Leider lief auf dem Big Screen irgendein Kinderfilm mit Superhelden und Superkräften und Super-Dings aus dem Computer. Vielleicht war da auch irgendeine Handlung, aber mein Blick fiel auf die Werbung daneben: Im Kino "Club A", das von der Größe her etwa meinem Privatkino ähnelte, jedoch mit Bücherregalen anstelle von Akustikpaneelen an den Wänden und ohne meinen elektrischen Staubschutz-Vorhang, lief Polańskis "Venus im Pelz" - nach Leopold von Sacher-Masoch.
Als ich eintrat, wurde ich von etlichen Paaren angestarrt.
Alle trugen Alltagsklamotten. Die SPIEGEL Titelstory dazu hieß: "Verlotterte Republik" und war schon 1993 erschienen - nicht im Kino allerdings.
Eine junge Frau grinste, ihr Partner konnte sich mimisch zu keiner klaren Richtung durchringen...
Ja: Ich trug schwarzen Anzug, schwarzes Hemd und schwarze Krawatte mit symmetrischem Doppel-Windsor - darin wollte ich den britischen Sportwagen über die A2 nach Düsseldorf tief-fliegen, fand mich aber im Schuhschachtelkino mit BDSM Stoff und Roman Polańskis Ehefrau in der Hauptrolle wieder.
Ihr Gesicht ähnelt dem meiner polnischen Freundin, die auch so subtil schräg lächeln kann und dazu sehr scharfe Schneidezähne zum Beißen hat, was wohl eher zu ihrem als zu meinen schwarzen Outfits passt und ihrem noch jungen Alter geschuldet ist.
Szenario 2
Ich trug - wirklich zufällig! - an jenem Tag schwarzen Anzug zu schwarzem Rollpulli. Tags zuvor schlurfte ich noch in Jeans und magenta T-Shirt durch die Stadt wie Telekom-Werbung auf zwei Beinen.
Mein Weg führte mich in den Baumarkt, zwischen einen Elektromeister im Blaumann und eine Lackiererin im weißen Overall mit vielen Farbtupfern, die wohl noch etwas Verdünner brauchte. So stand ich hinter ihr an der Kasse. Sie erinnerte mich an Jane Birkin in Antonionis Film "Blow up" auf jener lilafarbenen... ich schweife ab!
Den großen Bolzenschneider hatte ich selbst bedient, ohne mir das Fett auf mein Sakko zu schmieren, das wohl mein Vor-Schneider an den Griffen vergessen hatte. Ich trug die schwere Stahlkette, fein säuberlich abgetrennt auf 80 cm zur Kasse...
So eine Kette braucht man, wenn der Sommer kommt und der Schwenkgrill aus dem Gartenhaus ins Freie wandert - doch eine der drei Ketten fehlt!
Die Leute starrten, so als ob ich für den Anlass unpassend gekleidet wäre.
Ganz anders die Anfang 20-Jährige Kassiererin mit eintätowierten chinesischen Symbolen am Nacken, farbenfrohem Tattoo im Dekolleté und viel Metall im Gesicht und mit Haaren so bunt wie mein Telefon-T-Shirt am Vortage... Etwas grün und blond war noch darin.
Sie lächelte zweideutig - ganz so, als würde ich die Kette zwischen die Füße einer an den gestreckten Armen aufgehängten Frau befestigen, die mit Hängemanschetten an Deckenhaken baumelt und zwischen die Beine klirrende Kettenglieder bekommt...
An bourgeoises Barbecue hatte sie offenbar nicht gedacht!
Ich zahlte den vielgliedrigen Stahl, zwinkerte beim Grüßen und schleppte das Grillzubehör mit baumelndem Ende zum Auto.
(...)
Oookey! Ja. Die Kette WAR für eine Freundin, die mich anderntags besuchte und an Hängemanschetten an der Decke hing und eine klirrende Kette zwischen die Füße gehängt bekam. Sie hätte aber auch Ersatzteil für einen Schwenkgrill sein können - und wäre wohl mit meinem Telekom-Outfit auch als solche durchgegangen!
Doch das Tragen meines schwarzen Anzugs war wirklich Zufall und einem Termin vor dem do-it-yourself Markt geschuldet.
...und der Zufall ist ein Eichhörnchen und zwinkert uns hier und da an!