Vielleicht ist es ein klein wenig auch Generationenbedingt, dass die Wahrnehmung verschiedentlich ausfällt.
Anfang der 90er, als mein Mann und ich uns kennenlernten, waren wir noch recht weit von der großen Social Media Welt und der vermeintlichen Anonymität des Internet entfernt. Wir studierten, hatten unsere Offline-Freunde, das F-Wort war eine ganz private Angelegenheit und wurde im öffentlichen Raum nicht oder sehr sehr wenig ausgesprochen.
Mit zunehmendem Einfluss von Social Media - damit einhergehend mit immer kürzerer Sprache bis hin zu „gar keinen Satz mehr formulieren könnend“ - wurde der Ausspruch „Fick Dich“ als Platzhalter für allerhand andere Aussprüche genutzt („Nerv mich nicht“, „Lass mich bitte in Ruhe damit“, „Du bist doch doof“, „Du kotzt mich an“,….) und diese sind mehr oder weniger komplett verdrängt worden. Dass auch diese genannten Beispiele nicht freundlich sind, das ist klar.
Aber Ficken an sich kann ja durchaus positiv sein, wenn es ein liebendes Paar sich gemeinsam gönnt. „Fick mich“ heißt dann aber eben nur das und nicht „Kotz/Nerv mich an“, „Lass mich in Ruhe“ oder ähnliches.
Ja, in den späten 90ern haben mein Mann und ich es auch benutzt, als es noch sehr privat und durchaus etwas verrucht war, heute meiden wir es, weil wir uns nicht auf eine Ebene mit öffentlichen Pöblern stellen können geschweige denn es jemals wollen würden.
Als mir Weihnachten mal ein Mann in dickem SUV den einzigen überhaupt noch verfügbaren Platz im Parkhaus wegnahm (es war ein Frauenparkplatz und er kam noch dazu entgegen der Einbahnstraße!), habe ich lediglich ganz freundlich gesagt: „Ich finde es wirklich toll und mutig, dass Sie zu Ihrer Transsexualität stehen“. Daraufhin stieg er empört in sein Männlichkeits-Statussymbol und räumte wortlos den Parkplatz. Der Hinweis „Sie stehen auf einem Frauenparkplatz“ hätte vermutlich nur zu abfälligem Abwinken gereicht.
Aber das nur am Rande als Beispiel für freundlichen und dennoch zielgerichteten Sprachgebrauch ganz ohne das F-Wort nutzen zu müssen. Es ist mittlerweile viel zu abgenutzt als dass es noch eine Bedeutung hätte.
Zu keinem Zeitpunkt allerdings wären und sind Seele und Ficken für mich eine nutzbare Kombination, Seele braucht Schutz, Ficken ist unabhängig, frei, zügellos und Grenzüberschreitend, alles das, was Seele nicht ist und auch nicht sein will.
Beim Sex auch die Seele des Partners zu erreichen, sie zu streicheln, ihr gut zu tun, das steht auf einem anderen Blatt und ist ja durchaus ein wundervolles Ziel und bedeutsam für eine langfristig bestehende Beziehung. Je tiefer die Liebe ist, desto mehr öffnet sich die Seele.